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Wirtschaftsumfeld | Ägypten | Privatisierung

Ägypten will Anteile von 32 Staatsunternehmen verkaufen

Mit einer Wiederauflage seines Privatisierungsprogramms nimmt die ägyptische Regierung den nächsten Anlauf, sich aus der Wirtschaft zurückzuziehen. 

Von Sherif Rohayem | Kairo

Anfang Februar 2023 verkündete Ägyptens Premierminister Mustafa Madbuli die Namen der 32 Staatsunternehmen, deren Beteiligungen im Rahmen des Programms zur (Teil-)Privatisierung zum Verkauf stehen. Ein Blick auf die Liste, die immerhin zwei Militärunternehmen führt, verdeutlicht die Bandbreite der staatlichen Aktivitäten. Diese reichen weit über den klassischen Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge hinaus und erstrecken sich vom Bank- und Versicherungwesen über Öl, Gas und Petrochemie bis hin zu Logistik, Immobilien und Pharma.

Ägypten benötigt Devisen und verkauft Beteiligungen

Bereits im Jahr 2018 hatte die ägyptische Regierung 23 Unternehmen gelistet, die sie im Wege von Börsengängen - sogenannte Initial Public Offers (IPO) - teilprivatisieren wollte. Tatsächlich aber kam es zum Anteilsverkauf von nur drei Unternehmen, was mit dem schlechten Marktumfeld begründet wurde. Nun hat der russische Angriffskrieg die Weltmärkte in die nächste Krise gestürzt und die Regierung will sich von 32 Beteiligungen trennen. Dafür, dass es sich um keinen Zahlendreher handelt, sondern diesmal um einen ernsthaften Vorstoß, spricht die veränderte Ausgangssituation. Im Vergleich zu 2018 hat sich diese deutlich zuungunsten des nordafrikanischen Landes verändert.

Seinerzeit verfügte Ägypten noch über umfassende finanzielle Polster: einen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 12 Milliarden US-Dollar (US$), verteilt auf drei Jahre, sowie Hilfen der Golfnachbarn und Zugang zum internationalen Markt für Staatsanleihen. Mittlerweile fiel der letzte Notkredit des IWF mit gerade mal 3 Milliarden US$ in 46 Monaten mager aus. Auf dem letzten Davoser Wirtschaftsgipfel rief der saudische Finanzminister das Ende der Zeiten bedingungsloser Hilfen für strauchelnde Staaten aus.

Schließlich sind die Möglichkeiten Ägyptens, sich auf dem internationalen Markt für Staatsanleihen zu finanzieren, deutlich eingeschränkt. Denn die Erhöhung der Leitzinsen durch die Federal Reserve hat dafür gesorgt, dass nun auch US-amerikanische Schuldpapiere eine Rendite abwerfen. Zwar konnte Ägypten jüngst schariakonforme Anleihen, sogenannte Sukuks, im Wert von 1,5 Milliarden US$ erfolgreich platzieren. Jedoch war dieser Geldsegen wie gewonnen, so zerronnen: Noch am selben Tag flossen 1,25 Milliarden US$ in die Tilgung von Altschulden. Dazu sind die Einnahmen aus den Sukuks angesichts einer Verzinsung von knapp 11 Prozent alles andere als leicht verdientes Geld. Zum Vergleich: US-amerikanische Anleihen mit einer ähnlichen Laufzeit werden mit 6,5 Prozentpunkten weniger verzinst. Kurz: Ägypten benötigt dringender denn je die Erlöse aus den Beteiligungsverkäufen.

10 Milliarden US$ aus Saudi-Arabien müssen zeitnah fließen

Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate haben angekündigt, Unternehmensbeteiligungen in zweistelliger Milliardenhöhe zu kaufen. Allein 10 Milliarden US$ davon entfallen auf Saudi-Arabien. Das sind wichtige Devisen, deren Knappheit im importabhängigen Ägypten für einen Mangel an allem sorgt - auch an grundlegenden Gütern wie etwa Hühnerfutter.

Weil die Nachfrage nach Devisen seit langem nicht gedeckt werden kann, befindet sich die ägyptische Währung auch nach mehreren Abwertungen auf Talfahrt. Der Umtauschkurs zum Dollar liegt nun bei knapp 30,1 ägyptischen Pfund (EGP). Experten vermuten, dass das Tal bei einem Kurs von 37 EGP erreicht ist. Um kurzfristig die Nachfrage an Devisen zu decken und den anhaltenden Abwertungsdruck vom Pfund zu nehmen, ist es wichtig, dass das saudische Königreich und die anderen Interessenten ihre Investitionsankündigungen zeitnah in die Tat umsetzen. Jedoch scheinen Riad wie auch Doha und Abu Dhabi auf weitere Kursstürze des ägyptischen Pfundes zu warten. Dann nämlich steigt die Kaufkraft ihrer Petrodollar.

Verkäufe an strategische Investoren - schneller, aber intransparenter

Der Text des Privatisierungsprogramms sieht vor, dass Anteile entweder im Wege von IPO's oder direkt an strategische Investoren veräußert werden. Bei letzteren wird es sich in der Praxis vornehmlich um die Vermögensfonds einiger Golfstaaten handeln. Bei Börsengängen muss der Anbieter einen Prospekt über das Unternehmen erstellen und es einem breiten Publikum präsentieren. Diese Transparenz kostet Zeit, die den Ägyptern aber davonrennt. Aus diesem Grund wird die Regierung zunächst den Verkauf an strategische Investoren bevorzugen.

Dieser Verkauf geht schneller, ist aber auch weitaus intransparenter, weil Verkäufer Unternehmensdaten nur an konkrete Kaufinteressenten weitergeben. Unmut darüber äußerte auch die sonst regierungsfreundliche Journalistin Lamies Hadidi in ihrer Sendung Kelma Achiera (letztes Wort) vom 31. Januar 2023. Dort kommentierte sie die Abwesenheit ägyptischer Börsenvertreter von einer Kabinettssitzung zum Privatisierungsprogramm: Diese Abwesenheit zeige, dass die Regierung außerbörsliche Anteilsverkäufe priorisiere - was kein gutes Zeichen sei.

Öffentliche Arbeitgeber beschäftigen viele Frauen

Strategische Investoren bestehen regelmäßig auf Mehrheitsbeteiligungen und damit auch auf die Kontrolle des betroffenen Unternehmens. Aus ägyptischer Sicht bedeutet das, dass dieser Betrieb dann ein für allemal weg ist - erst recht, nachdem das ägyptische Verfassungsgericht ein Gesetz aus dem Jahre 2014 bestätigt hat, das den Kreis der Kläger gegen Privatisierungen einschränkt. So durften vor 2014 noch Nicht-Vertragsparteien eines Anteilsverkaufs, wie etwa Angestellte des betroffenen Unternehmens, die Nichtigkeit und Rückabwicklung einer Veräußerung einklagen.

Ganz gleich, ob IPO oder Verkauf an strategische Investoren - die Privatisierungen werden mit Entlassungen einhergehen. Davon werden in hohem Maße Frauen betroffen sein, weil sie in Ägypten zu großen Teilen bei staatlichen Arbeitgebern beschäftigt sind. Bekannt ist der öffentliche Dienst auch für seine dicke Personaldecke. Das ist zwar nicht immer wirtschaftlich, leistet aber einen wichtigen Beitrag für den sozialen Frieden.

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