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Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz

Das Potenzial für Energieeinsparungen im Wohnungssektor ist enorm. Um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, muss Belgien das Sanierungstempo deutlich erhöhen. 

Von Michael Sauermost | Bonn

Belgiens ausgeprägter Altbaubestand bringt einen sehr hohen Energieverbrauch mit sich. Der Verbrauch belgischer Häuser lag 2022 mehr als die Hälfte über dem europäischen Durchschnitt.  

Laut Eurostat-Statistiken sind belgische Häuser deutlich größer als in den Nachbarländern und im EU-Durchschnitt. Auch die Anzahl der Zimmer von durchschnittlich 2,1 pro Person lag über dem Durchschnitt. In Deutschland waren es 1,6.

Größere Wohnflächen erfordern zwangsläufig mehr Beheizungskapazitäten. Darüber hinaus kommt es zu größeren Wärmeverlusten. Dies wird in Belgien dadurch verstärkt, dass es vergleichsweise mehr offene und halboffene Gebäude gibt. Auf Gebäudebeheizung entfielen im Jahr 2021 rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen Belgiens (davon 15 Prozent auf Wohn- und 5 Prozent auf gewerblich genutzte Gebäude).

Der Anteil der jungen Hausbesitzer mit geringem Einkommen, die einerseits in Häusern mit unzureichender Energieeffizienz leben und denen andererseits die finanziellen Mittel für energetische Sanierungen fehlen, ist groß. Die Belgische Nationalbank (BNB) kalkuliert, dass mindestens 10 Milliarden Euro pro Jahr in Dämmarbeiten investiert werden müssen, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen.

Nachdem die Energiepreise wieder nachgelassen haben, hat sich allerdings kurzfristig das Tempo energetischer Sanierungen im Bausektor reduziert. Im Jahr 2023 gab es zwar kleine Eingriffe, wie die Installation von Solarpaneelen oder zusätzliche Isolierungen, aber größere Maßnahmen wurden zurückgefahren.

Regierung schafft Rahmenbedingungen

Um einen Rahmen für umweltfreundliche Baupraktiken zu schaffen und die Entwicklung zu beschleunigen, hat Belgien die Vorschriften zur Energieleistung und zum Raumklima (EPB; Energy Performance of Buildings) eingeführt. Die Energieeffizienzzertifikate sind für neue, aber auch für Gebäude obligatorisch, die einer größeren Renovierung unterzogen, verkauft oder vermietet werden.

Zusätzlich zum EPB hat Belgien konkrete Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Bausektor festgelegt. Das Land strebt eine Reduzierung der Emissionen um 30 % bis 2020 und um 60 % bis 2050 an. Auch die Verwendung umweltfreundlicher Materialien wie natürlicher Isolierung, Altholz und recyceltem Kunststoff wird aktiv gefördert.

Der Staat unterstützt Unternehmen, die nachhaltige Baumaterialien herstellen, finanziell. Es gibt steuerliche Anreize für Bauherren, die bei ihren Projekten umweltfreundliche Materialien verwenden. Die Wiederverwertung von Baumaterialien alter Gebäude ist wieder in Mode gekommen und hat sich zu einem interessanten Nischensegment entwickelt.

Neubauten sollen annähernd Nullenergiestandard bekommen. Die Fachbegriffe lauten hierfür in Flandern Bijna energieneutral (BEN), in Wallonien Quasi-zero energy (Q-Zen) und in der Hauptstadtregion Brüssel Nearly-zero energy building (NZEB). Die Vorgaben hierfür sind in allen Landesteilen die gleichen.

Unterschiedliche regionale Standards für Förderungen

Für Fragen der Energieeffizienz sind in Belgien grundsätzlich die autonomen Regionen zuständig. Diese bieten Förderungen, um den Verbrauch von Altbauten zu verbessern. Bauunternehmen müssen dabei beachten, dass die für eine Unterstützung erforderlichen Dämmstandards je nach Maßnahme von Region zu Region variieren können. Oftmals besteht Flandern dabei auf einer noch etwas höheren Isolierleistung als Wallonien und die Hauptstadtregion Brüssel.

Insgesamt hat sich Belgien sehr ehrgeizige Ziele zur Senkung seines Energieverbrauchs gesetzt. So sieht der 2020 verabschiedete Nationale Energie- und Klimaplan vor, dass der jährliche Energieverbrauch zum Wohnen 2050 im Schnitt 85 Kilowattstunden pro Quadratmeter beträgt.

Wie im nationalen Energie-Klimaplan festgelegt, hat jede Region ein obligatorisches Energieaudit für große Firmen eingeführt. Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro sind dazu verpflichtet - mit Ausnahme derjenigen, die nach ISO 50001 oder EN16001 zertifiziert sind. Andere Maßnahmen sind regionalspezifisch.

Flandern hat beispielsweise Steuererleichterungen für energiesparende Investitionen eingeführt. Darunter fallen unter anderem Dachdämmung, Außenwanddämmung, Bodendämmung, Doppelverglasung, Neubeleuchtung, Wärmepumpen. In Wallonien konzentrieren sich die von der Region ergriffenen Maßnahmen eher auf die energetische Sanierung des Wohnungsbestands.

Schließlich ist die Region Brüssel-Hauptstadt zweifellos die Region, die sich in Sachen Energieeffizienz am stärksten engagiert und am weitesten fortgeschritten ist. Bis 2050 muss der gesamte Gebäudebestand in Brüssel energieeffizient sein. Dies wird durch den verpflichtenden Plan Local d´Actions pour la Gestion Énergétique (PLAGE) festgelegt.

Viele belgische Städte wandeln ehemalige Industrie- und Hafengebiete in neue, von Parks und Wasserflächen durchzogene Stadtteile zum Leben und Arbeiten um. Entsprechende mehrjährige Programme laufen unter anderem in Gent, Mechelen und Maasmechelen. Im Trend liegen auch neue nachhaltige Wohngebiete mit viel Natur, etwa im westflämischen Lisse. Zudem achten private Investoren bei Neubauprojekten verstärkt auf die Erhaltung alten Baumbestands und auf Ausgleichsmaßnahmen wie begrünte Dächer.

Nachhaltige Baustoffe liegen im Trend

Eine Renaissance hat in Belgien der Holzbau erfahren. Nicht nur Wohngebäude und Bildungseinrichtungen, sondern auch Supermärkte, Industriehallen, Büros, eine Polizeiwache oder Tankstellenkonstruktionen sind in den letzten Jahren in Holzbau entstanden. 

Generell gewinnt die Nachhaltigkeit der eingesetzten Baustoffe stark an Bedeutung. Um Materialien entsprechend zu analysieren und zu vergleichen, existiert in Belgien das Portal TOTEM (siehe Kontaktadressen). Es gibt in Belgien Überlegungen, eine solche Prüfung gesetzlich vorzuschreiben.

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