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Special | Ukraine | Rechtliche Entwicklungen

Überblick über die rechtlichen Entwicklungen in der Ukraine

Das Special bietet einen Überblick über die rechtlichen Entwicklungen während der Geltung des Kriegsrechts. Es stellt ein Update des Beitrags vom 21. November 2022 dar.

Von Yevgeniya Rozhyna | Bonn

Die ukrainische Regierung ordnete mit dem Beginn des Krieges die Geltung des Kriegsrechts und damit die allgemeine Mobilisierung an. Das Kriegsrecht wird jeweils für 90 Tage verhängt. Gleichzeitig führt die ukrainische Regierung schrittweise Regeln für Friedenszeiten in den Bereichen ein, in denen das aktuelle Tagesgeschehen und eine Risikoanalyse zeigen, dass die Aufhebung der Beschränkungen gerechtfertigt sind. Da sich die aktuelle Lage jederzeit ändern kann, ist es besonders wichtig, einen Überblick über die bereits erfolgten und anstehenden Änderungen zu behalten. Diese Beitragsreihe behandelt unter anderem Fragen der Einschränkungen im Zahlungsverkehr, vertragsrechtliche Fragen und die Frage nach dem Arbeitsmodus der staatlichen Stellen.

  • Zahlungsverkehr und Steuerrecht

    Kraft der Geltung des Kriegsrechts ist mit Einschränkungen bei Geschäften mit ukrainischen Geschäftspartnern zu rechnen wie beim Zahlungsverkehr in Fremdwährung.

    Geltung des Kriegsrechts

    Das Kriegsrecht wird durch das Gesetz Nr. 389-VII zur rechtlichen Regelung des Kriegsrechts geregelt und etabliert einen besonderen Rechtsstatus in der Ukraine. Es verleiht der Regierung erweiterte Rechte. Während der Geltung des Kriegsrechtes können Grundrechte wie das Recht auf Eigentum oder das Recht auf Arbeit eingeschränkt werden, auch Wahlen dürfen nicht durchgeführt werden. 

    Was ist bei Zahlungen zu beachten?

    Für Zahlungen aus dem Ausland in die Ukraine bestehen keine Beschränkungen. Für Zahlungen aus der Ukraine ins Ausland in Fremdwährung bestehen jedoch nach wie vor Einschränkungen.

    Überweisungen in Fremdwährung sind möglich, aber mit Einschränkungen

    Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine beschloss die ukrainische Nationalbank (Ukrayinsʹkyy natsionalʹnyy bank - NBU) die Durchführung von Operationen mit Fremdwährungen einzuschränken. Per Erlass vom 24. Februar 2022 führte die NBU Beschränkungen und Änderungen der Fristen für die Abwicklung von Aus- und Einfuhrgeschäften im Zahlungsverkehr mit Fremdwährungen ein. Bis zum 1. Juli 2022 konnten ukrainische Unternehmen nur solche Waren bezahlen, die auf der Liste der kritischen Importgüter standen.

    Mit der Zeit lockerte die NBU die Beschränkungen, um das Wirtschaftsleben aufrecht zu erhalten und Zahlungen ins Ausland zu ermöglichen. Seit dem 9. Juli 2022 ist es Unternehmen wieder möglich, ohne Einschränkungen für Waren in Fremdwährungen zu bezahlen. Dies gilt allerdings nicht für Dienstleistungen: Nach wie vor können nur solche Dienstleistungen in Fremdwährung bezahlt werden, die auf der Liste der kritischen Importgüter stehen. 

    Im Verlauf des Jahres 2023 kamen weitere Lockerungen der Beschränkungen dazu. So erlaubte die NBU für bestimmte Geschäfte grenzüberschreitende Überweisungen in Hrywnja auf ein Korrespondenzkonto einer ausländischen Bank zu tätigen, wenn dieses ein Wertpapierkonto der NBU unterhält. Darüber hinaus können ukrainische Unternehmen Versicherungszahlungen an Nichtansässige und Rückzahlung von Auslandskrediten leisten.  

    Sind Zahlungsfristen zu beachten?

    Unternehmen sollten beachten, dass Export-Import-Transaktionen innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen müssen. Das umfasst sowohl die Bezahlung der Ware als auch die Lieferung. Derzeit gilt eine Frist von 180 Tagen. Die Nichteinhaltung dieser Anforderungen zieht Strafen in Höhe von 0,3 Prozent des entgangenen Betrags für jeden Tag der Verspätung nach sich.

    Vor Beginn des Krieges galt eine Frist von 365 Tagen. Zu Beginn des Krieges beschränkte die NBU die Frist zunächst auf 90 Tage. Am 7. Juni 2022 wurde die Frist zunächst auf 120 Tage und per Erlass vom 9. Juli 2022 auf 180 Tage verlängert. Gleichzeitig mussten Export-Import-Transaktionen, die nicht vor dem 5. April 2022 abgewickelt wurden, innerhalb von 365 Tagen ab dem Datum der Abwicklung beendet werden. 

    Hinweis: Für ausgesuchte Transaktionen gelten Ausnahmen von den kürzeren Fristen:

    • Wenn der Wert der Export-Import-Transaktionen (Waren oder Dienstleistungen) zum Zeitpunkt der Transkationen 400.000 Hrywnja (ca. 10.986 Euro) nicht überschreitet;
    • Wenn der Saldo für Import-Export-Transaktionen zum Zeitpunkt des Ablaufs der Abrechnungsfrist ca. 400.000 Hrywnja (ca. 10.986 Euro) nicht überschreitet.

    Weitere Ausnahmen werden mit dem Erlass Nr. 67 der NBU vom 14. September 2019 geregelt für unter anderem:

    • Waren, die für die Zwecke der Produktionsvereinbarung exportiert und/oder importiert werden und in einer solchen Vereinbarung vorgesehen sind;
    • beschaffungspflichtige Waren und Dienstleistungen wie Arzneimittel, Medizinprodukte;
    • Export von Dienstleistungen, Bauleistungen, geistige Eigentumsrechte und Nicht-Eigentumsrechte.

    Zudem kann die 180-Tage-Frist für bestimmte Transaktionen verlängert werden. Diese werden durch die NBU Richtlinie Nr. 104-2017 festgelegt. So zum Beispiel, wenn der Fall der höheren Gewalt vorliegt und dies durch ein Zertifikat bestätigt ist.

    Aktuelle Entwicklungen des Steuerrechts

    Im Bereich des Steuerrechts verabschiedete die ukrainische Regierung eine Reihe von Gesetzen. Diese sollen Unternehmen während der Geltung des Kriegsrechts entlasten. Die Gesetze aus dem Jahr 2022 haben Entlastungen eingeführt, wie unter anderem Steuerreduzierung, vereinfachte Abgabe von Steuerunterlagen sowie verlängerte Fristen. Allerdings beschloss die Regierung am 1. August 2023 eine Rückkehr zum Vor-Kriegs-Steuersystem. Durch das Gesetz Nr. 3219-IX wurden einige Erleichterungen abgeschafft:

    • Die im März 2022 eingeführte Einheitssteuer in Höhe von 2 Prozent;
    • Teilweise Wiedereinführung von Betriebsprüfungen;
    • Wiedereinführung der ursprünglichen Fristen für Steuerprüfungen, Einreichung von Steuerdokumenten und Zahlungen an die Steuerbehörde.

    Ausführliche Informationen hierzu bietet der GTAI-Rechtsbericht Aktuelle Änderungen des ukrainischen Steuerrechts. Die ukrainische Steuerbehörde (Derzhavna podatkova sluzhba) veröffentlicht die planmäßigen Prüfungstermine jeweils am letzten Tag des Monats. 

    Hinweis: Unternehmen, die aufgrund der aktuellen Situation nicht in der Lage sein sollten, die Fristen für die Berichtspflichten und Steuerzahlungen einzuhalten, können diesen Verpflichtungen nach der Beendigung des Kriegszustandes nachkommen.

    Von Yevgeniya Rozhyna | Bonn

  • Vertragsrecht und Schadensersatz

    Im Fokus des nachfolgenden Beitrages steht das Vertrags- und Mietrecht sowie die Erfassung von Schäden an Immobilien.

    Erfüllung von Verträgen

    Der Krieg in der Ukraine beeinträchtigt die Geschäftsbeziehungen. Die Auswirkungen sind so weitreichend, dass teilweise vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden konnten beziehungsweise immer noch nicht erfüllt werden können. Daher stellt sich die Frage nach der Erfüllung und Anpassung der Verträge. In solchen Fällen kommen sogenannte Höhere-Gewalt-Klauseln (force-majeur-Klauseln) in den Verträgen zur Anwendung. Für den Fall, dass solche Klauseln nicht vertraglich vereinbart sind, greifen gesetzliche Regelungen. Das ukrainische Recht enthält Vorschriften zur höheren Gewalt sowohl im Zivilgesetzbuch als auch im Wirtschaftsgesetzbuch. Für Unternehmen bleibt die Frage zu klären, wann ein Fall von höherer Gewalt vorliegt. Die ukrainische Industrie- und Handelskammer gibt ein entsprechendes "allgemeines“ Zertifikat heraus. Das Zertifikat wird allerdings nur für ukrainische Unternehmen erteilt. Ausländische Unternehmen sollten sich hierzu bei ihren lokalen Industrie- und Handelskammern informieren. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass sich in den letzten Monaten eine Gerichtspraxis herausgebildet hat:

    • Das Vorliegen von höherer Gewalt befreit zwar von der Haftung für Nichterfüllung wie Schadensersatz oder Vertragsstrafen, aber nicht von der Erfüllung der vertraglichen Verbindlichkeit. Der Vertrag ruht bis zum Wegfall der höheren Gewalt. Für Vertragsparteien bedeutet dies, dass sie den Vertrag erfüllen müssen und diesen auch nicht kündigen können.
    • Das Zertifikat der Handelskammer reicht für den Beweis des Vorliegens von höherer Gewalt nicht aus. Die betroffene Partei muss nachweisen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Ereignis, das zur Unmöglichkeit der Erfüllung geführt hat, und dem eingetretenen Schaden besteht. 
    • Kann die vertragliche Verpflichtung nicht erfüllt werden, weil Zahlungsunfähigkeit besteht, stellt dies keinen Fall von höherer Gewalt dar.

    Die Gerichtspraxis zeigt, dass vertragliche Beziehungen, nicht statisch sind und von ukrainischen Gerichten aktiv gestaltet werden. Daher ist es für Unternehmen wichtig, sich über aktuelle Gerichtspraxis auf dem laufenden zu halten. Der Oberste Gerichtshof der Ukraine (Verkhovnyy Sud) stellt eine Übersicht der Rechtsprechung für das Jahr 2023 zur Verfügung.  

    Miet- und Pachtverträge

    Für Unternehmen stellt sich die Frage, was mit angemieteten oder gepachteten Objekten passiert, die nicht genutzt werden können. Nach ukrainischem Recht können Miet- beziehungsweise Pachtverträge gekündigt oder die Miete gemindert werden. Die Rechtsgrundlage findet sich im Zivilgesetzbuch der Ukraine sowie im Handelsgesetzbuch. Die Regelungen dieser Gesetzbücher ermöglichen es, die Miete herabzusetzen oder vollständig von der Miete befreit zu werden. Hierfür muss die Nutzung infolge von Kriegsschäden oder anderen Umständen, die der Mieter nicht zu vertreten hat, von der Zahlung befreit werden. Zu solchen Umständen zählt die Unmöglichkeit der Nutzung wegen Beschädigung oder Zerstörung des Mietobjektes oder wenn das Objekt sich in besetzten Territorien befindet.

    Update: Der Oberste Gerichthof hat im Jahr 2023 eine Rechtsprechungspraxis herausgebildet, die insbesondere die Verpachtung von staatlichem Eigentum betrifft. So urteilte das Gericht, dass während des Kriegsrechts staatliche und kommunale Mietverträge automatisch verlängert werden, unabhängig von der Weigerung des Vermieters solche zu verlängern.

    Die Rechtsprechungspraxis zur Anwendung höherer Gewalt in Bezug auf Verpflichtungen aus Mietverträgen wurde fortgeführt: Eine Partei, die sich auf höhere Gewalt beruft, muss im Einzelfall beweisen, dass die Umstände für sie unüberwindbar waren. Denn die Bescheinigung der Handelskammer reiche für den Beweis der höheren Gewalt und die daraus resultierende Unmöglichkeit der Verpflichtungserfüllung nicht aus. Zudem steht es der Partei frei das Vorliegen relevanter Umstände mit anderen Beweismitteln nachzuweisen, sofern gesetzlich oder vertraglich nichts anderes vorgesehen ist. 

    Besonders großes Interesse zeigten Parteien in Gerichtsverfahren an der Möglichkeit die Miete gemäß Art. 762 des Zivilgesetzbuches zu mindern oder die Miete ganz einzubehalten: Das Gericht stellte fest, dass die Befreiung von der Mietzahlung nur unter außergewöhnlichen Umständen angewendet werden kann, zum Beispiel beim fehlenden Zugang zu den Mieträumlichkeiten. Die Beweispflicht obliegt der Mietpartei, die sich darauf beruft. 

    Erfassung von Schäden an Immobilien und an Böden 

    Aufgrund von Kriegshandlungen könnten an Böden und Immobilien Schäden entstehen. Für Unternehmen könnte es interessant sein, entstandene Schäden auszugleichen. Hierzu genehmigte die ukrainische Regierung (Werchowna Rada) ein Verfahren zur Ermittlung von Schäden und Verlusten an Immobilien und Böden. Die rechtliche Grundlange bildet der Erlass vom 20. März 2022 über die Genehmigung des Verfahrens zur Bestimmung der Schäden und Verluste, die der Ukraine infolge der bewaffneten Aggression der Russischen Föderation entstanden sind. Das ukrainische Ministerium der Justiz (Ministerstvo yustytsiyi) veröffentlichte eine Zusammenstellung von Informationen zu besonders häufig gestellten Fragen bezüglich des Vorgangs. Die Informationen können auf der Webseite des Ministeriums abgerufen werden. Das Ministerium der Justiz empfiehlt Beweise für kriegsbedingte Schäden zu sammeln. 

    Das Ministerium der Infrastruktur und das Ministerium für digitale Transformation haben ein Register für beschädigtes und zerstörtes Eigentum vorgestellt. Dort werden Informationen über Gebäude gespeichert, die zerstört wurden. In das Register können auch Meldungen über zerstörtes Eigentum eingereicht werden. In einer späteren Phase sollen diese Daten zur Bemessung der Entschädigung und Bemessung der Kosten zum Wiederaufbau genutzt werden.

    Von Yevgeniya Rozhyna | Bonn

  • Die Arbeit staatlicher Stellen in der Ukraine

    Im Fokus des nachfolgenden Beitrages steht die Arbeit von Gerichten und staatlichen Stellen wie dem Handelsregister.

    Arbeit von Gerichten und Notaren

    Die öffentlichen und privaten Notare sowie Gerichte arbeiten während der Dauer des Kriegsrechts weiter. Während dieser Zeit sind allerdings Besonderheiten bei Gerichtsverfahren in der Ukraine zu beachten: Es gilt das Gesetz Nr. 389-VII vom 15. Juni 2022 über die Rechtsordnung des Kriegsrechts für Gerichtsverfahren in der Ukraine. Das Gesetz sieht vor, dass die Arbeit und die Befugnisse der Gerichte nicht ausgesetzt werden. Die Verfahrensdauer soll eingehalten werden: Eine Beschleunigung oder Reduzierung der Dauer von Gerichtsverfahren ist untersagt. Gleichzeitig ist die Justizverwaltung von Folgen des Krieges betroffen, sodass Geschäftsabläufe an die aktuelle Lage angepasst werden müssen.

    Die Notare nehmen weiterhin dringende notarielle Aufgaben wahr, wie zum Beispiel die Beglaubigung von Vollmachten. Gleichzeitig durften bestimmte notarielle Aufgaben nur von ausgewählten Notaren vorgenommen werden. Diese Notare mussten in einer vom Ministerium der Justiz (Ministerstvo yustytsiyi) zugelassenen Liste eingetragen sein und notarielle Handlungen in Bezug auf Wertgegenstände im Rahmen des Kriegsrechts vornehmen. Dies betraf vor allem Beglaubigungen von geschäftlichen Transaktionen wie Beurkundung von Vereinbarungen über die Veräußerungen von Immobilien. Update: Zum 1. Januar 2024 wurde die Liste der Notare abgeschafft, die notarielle Handlungen in Bezug auf Immobilien durchführen durften.

    Arbeit von staatlichen Registrierungsstellen 

    Mit dem Beginn des Krieges wurden Besonderheiten in Bezug auf die Arbeit von staatlichen Registern eingeführt. Dies betrifft die staatliche Registrierung von juristischen Personen sowie das Register, das dingliche Rechte an beweglichem und unbeweglichem Vermögen führt. Der Erlass Nr. 480 vom 19. April 2022 über die Änderung einiger Erlasse des Ministerkabinetts der Ukraine über die Tätigkeit der Notare und die Funktionsweise der einheitlichen und staatlichen Register, deren Träger das Justizministerium ist, während des Kriegsrechts nahm einige Beschränkungen zurück. Zum Teil wurde der Zugang zu ausgewählten Registern wieder gewährt, wie zum Register der Rechte an unbeweglichen Vermögen. Allerdings wird der Zugang nur unter spezifischen Voraussetzungen gewährt: So erhalten nur staatliche Registerstellen, Beschäftigte des Ministeriums der Justiz und Notare Zugang zu diesem Register. Zu beachten ist, dass nicht alle Register freigegeben wurden. Die Arbeit von Registern, die sich in besetzten oder umkämpften Territorien befinden, ist nach wie vor blockiert. Das Handelsregister arbeitet ebenfalls im Teilmodus. Es ist jedoch möglich, die notwendigen Registrierungsaktionen durchzuführen, wie zum Beispiel: Gründung von juristischen Personen, Wechsel von Gesellschaftern, Änderung des Gesellschaftssitzes. Welche Register funktionsfähig sind, kann auf der Internetseite des Ministeriums der Justiz eingesehen werden.

    Update: Die Ukraine öffnete zum 1. Januar 2023 den Zugang zum einheitlichen staatlichen Register. Das Register steht Unternehmen wieder zur Einholung von Informationen bereit.

    Von Yevgeniya Rozhyna | Bonn

  • Sanktionen der Ukraine gegenüber Russland und Compliance

    Neben den zahlreichen internationalen Sanktionen hat die Ukraine ebenfalls Sanktionen gegenüber Russland eingeführt. Der nachfolgende Beitrag widmet sich diesem Thema.

    Sanktionen der Ukraine gegenüber Russland

    Mit der Einführung des Kriegsrechts in der Ukraine wurde die Möglichkeit für Unternehmen, Geschäfte mit russischen oder belarussischen Unternehmen oder Staatsbürgern zu tätigen, erheblich eingeschränkt. Zu Unternehmen unter russischem oder belarussischem Einfluss zählen alle in der Ukraine tätigen juristischen Personen sowie ihre Niederlassungen und Repräsentanzen, bei denen eine natürliche oder juristische Person oder eine staatliche russische Organisation direkt oder indirekt als Gründer oder Begünstigter oder in einer anderen Form mit mehr als zehn Prozent beteiligt ist. Das Gesetz Nr. 2116 über die Grundprinzipien der zwangsweisen Beschlagnahme von Eigentum der Russischen Föderation und ihrer Einwohner in der Ukraine eröffnet die Möglichkeit der Enteignung und Nationalisierung von Eigentum und weiteren Vermögenswerten wie Wertpapieren.

    Des Weiteren ist es ukrainischen Finanzinstituten nicht gestattet, Abbuchungen von Konten oder Einzahlungen auf Konten von ukrainischen Unternehmen vorzunehmen, die einen Bezug zu Russland oder Belarus aufweisen. Die Konten sind damit praktisch gesperrt. Diese Unternehmen können keine Gelder von Konten abheben oder Transkationen in russischem oder belarussischem Rubel abwickeln. Eine Ausnahme gilt unter anderem für die Zahlung von Löhnen und Steuern. 

    Zudem wird geplant die Steuern auf Einkünfte aus Russland oder von in Russland registrierten Niederlassungen zu erhöhen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf Nr. 7323 vom 30. März 2022 zur Änderung des Steuergesetzes der Ukraine bezüglich der Besteuerung von Wirtschaftssubjekten mit wirtschaftlichen Beziehungen zum Aggressorstaat liegt vor. Bisher liegt das Gesetz zur Überprüfung der Werchowna Rada vor. Das Gesetz richtet sich nicht nur an ukrainische Unternehmen, sondern auch an internationale Unternehmen:

    • deren Geschäftssitz in Russland ist oder die als Endbegünstigte einen Wohnsitz in Russland haben,
    • die Einkünfte aus Russland beziehen,
    • die zu einer Unternehmensgruppe gehören, deren Teilnehmer Einkünfte aus Russland beziehen oder Russland wirtschaftlich unterstützen.

    Update: Das zuvor genannte Gesetz ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Publikation nach wie vor nicht angenommen worden. Dennoch sollten international agierende Unternehmen vor der Aufnahmen der Geschäfte in der Ukraine ihre Geschäftsbeziehungen überprüfen. Denn eine Geschäftsbeziehung mit einem russischen oder belarussischen Unternehmen kann zu erheblichen Reputationsschäden und Verstößen gegen die nationale Gesetzgebung führen. In diesem Fall drohen Sanktionen oder sogar strafrechtliche Verantwortung wegen Terrorfinanzierung. Um dies zu vermeiden, sollten Unternehmen anhand des ukrainischen Sanktionsregisters und anderer staatlicher Register die Unternehmensstruktur des Vertragspartners prüfen.

    Compliance-Anforderungen ukrainischer Banken

    Die Ukraine verhängte bereits im Jahr 2014 aufgrund russischer Militäraktionen in der Ukraine, insbesondere wegen der Annektion der Krim, Sanktionen gegen Russland beziehungsweise russische Staatsbürger. In diesem Zusammenhang verhängte auch der EU-Rat schrittweise Sanktionen gegen Russland. Angesichts der hohen Anzahl der Sanktionen und der Tiefe teils langjähriger wirtschaftlichen Verflechtungen können juristische Personen eine russische Präsenz in ihrer eigenen Unternehmensstruktur beziehungsweise Geschäftsbeziehungen nicht gänzlich ausschließen. Solche Geschäftsbeziehungen können zu einer Reihe von Risiken führen wie dem Abbruch von Geschäftsbeziehungen oder der Nicht-Durchführung einer Finanztransaktion. Dies bedeutet, dass auch bereits (langjährige) bestehende Beziehungen von ukrainischen Geschäftspartnern beziehungsweise ukrainischen Banken wiederholt auf eine mögliche Beteiligung eines russischen Staatsbürgers beziehungsweise Unternehmens überprüft werden müssen.

    Die Anwendung von Sanktionen und anderer beschränkender Maßnahmen wird durch das Gesetz Nr. 1644 - VII vom 14. August 2018 über Sanktionen (Pro sanktsiyi) geregelt. Das Gesetz bezweckt den Schutz der nationalen Interessen der Ukraine und die Verhinderung von Verstößen. Es definiert konkrete Sanktions- und Wirtschaftsmaßnahmen gegenüber Personen und/oder Wirtschaftszweigen beziehungsweise Unternehmen. Ferner sieht es vor, dass weitere restriktive Maßnahmen Anwendung finden können, sofern sie den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Hiervon macht die ukrainische Nationalbank (NBU) in Form von Erlassen Gebrauch. So regelt der Erlass Nr. 65 vom 11. Mai 2023 über die Billigung der Verordnung über die Durchführung wirtschaftlicher und anderer restriktiver Sondermaßnahmen (Sanktionen) unter anderem die Durchführung von Finanztransaktionen. In diesem Zusammenhang verlangt die NBU von ukrainischen Banken eine umfassende Überprüfung von Personen beziehungsweise Unternehmen, die möglicherweise Sanktionen unterliegen könnten. Die Überprüfung wird anhand von der Bank vorliegenden Informationen vorgenommen. Dazu gehören unter anderem solche Informationen wie Daten der Personen oder Angaben über Finanzinstitute, die an grenzüberschreitenden Transaktionen beteiligt sind. 

    Für deutsche Unternehmen bedeutet es, dass sie sich auf eine Überprüfung einstellen müssen. Dabei werden unter anderem die geschäftlichen Aktivitäten und/oder Gesellschafter überprüft. In diesem Zusammenhang können Nachweise angefordert werden, dass keine Geschäftstätigkeit mit Russland besteht. Zu beachten ist, dass auch ein Versuch, Sanktionen zu umgehen, als ein Verstoß gegen das ukrainische beziehungsweise europäische Recht gewertet werden kann. 

    Von Yevgeniya Rozhyna | Bonn

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