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Branchenbericht Europa, übergreifend Wasserkraft

"Ein Projekt ohne Umwelt- und Sozialstandards gehen wir nicht an"

Die Wasserkraft produziert zwar Strom ohne laufende Treibhausgasemissionen, der ökologische Fußabdruck kann jedoch groß sein. Projektentwickler müssen Nachhaltigkeit sicherstellen.

Von Lukas Latz | Berlin

Mario Ledic, Leiter des Bereichs Governmental Affairs bei ANDRITZ Hydro, einem Ravensburger Turbinenherstellen, spricht im Interview über ökologische Chancen und Risiken der Wasserkraft.

Herr Ledic, wie trägt die Wasserkraft zum Klimaschutz bei?

Wasserkraft ist die älteste Erzeugungstechnologie für erneuerbare Energie. Ende 2020 betrug die installierte Leistung an erneuerbaren Energien weltweit knapp 3.000 Gigawatt. Der Anteil der Wasserkraft daran beträgt etwa 45 Prozent. Der Anteil an der weltweit erzeugten erneuerbaren Energie liegt jedoch bei rund 57 Prozent. Dieser kann jedoch regional sehr unterschiedlich ausfallen. Aber auch als Speichertechnologie, mit sogenannten Pumpspeicherkraftwerken, leistet die Wasserkraft wertvolle Dienste.

Pumpspeicherkraftwerke? Was ist das?

Dazu müssen Sie sich bildlich ganz einfach vorstellen: zwei Seen mit einem Höhenunterschied von mehreren hundert Metern werden durch Turbinen und Generatoren verbunden. So kann überschüssige Energie beispielsweise aus Wind und Solar gespeichert werden, indem Wasser hochgepumpt wird. Bei fehlender Sonneneinstrahlung oder in Schwachwindphasen wird die Energie mittels Turbinenbetrieb wieder abgegeben. Pumpspeicherkraftwerke machen 97 Prozent der weltweiten Stromspeicherung aus. Durch die Energiewende merken wir international eine steigende Nachfrage, da größere Energiemengen nicht wirtschaftlich in Batterien gespeichert werden können.

Trotzdem ist Wasserkraft umstritten. Wie bewerten Sie Risiken bei Ihren Projekten?

Wenn Wasserkraftwerke nach international geltenden Standards gebaut werden, sind die Risiken für Mensch und Umwelt minimal. Wenn Standards bei Projekten nicht erfüllt sind, sind diese Projekte für uns nicht interessant. Konkret heißt das, dass es zu jedem Neubauprojekt eine Studie zu den ökologischen und sozialen Folgen und zu Umsiedlungen geben muss. Diese sogenannte ESIA-Studie (Environmental and Social Impact Assessment) erfolgt nach international vereinbarten Standards. Das ist eine Grundvoraussetzung, ehe wir uns überhaupt mit einem Projekt detailliert beschäftigen. Ich bin der Auffassung, dass die Themen Nachhaltigkeit und vor allem Klima-Impact künftig eine größere Rolle bei der Bewertung von Energieprojekten spielen wird.

In Zentralasien und im Kaukasus waren die Erträge aus der Wasserkraft zuletzt geringer als kalkuliert. Das hängt wohl mit Hitze und höherer Verdunstung zusammen. Senkt der Klimawandel die Erträge der Wasserkraft?

Fließt weniger Wasser, wird weniger Strom erzeugt. Weltweit gibt es zahlreiche Studien zu den möglichen Effekten des Klimawandels auf die Ertragssituation der Wasserkraft und die Ergebnisse sind regional und sogar lokal sehr unterschiedlich. So ist in manchen Regionen sogar eine positive Auswirkung auf die Erzeugung zu erwarten, etwa durch vermehrten Niederschlag. Der Faktor Klimawandel ist also ein wichtiger Punkt, sowohl bei der Berechnung künftiger Erträge also auch bei der technischen Auslegung der Anlagen.

Der Bau von großen Staudämmen erfordert eine Menge Zement, den man nicht klimaneutral herstellen kann. Sind Sie verpflichtet, die CO2-Emissionen von Projekten zu messen?

Wir sind aktuell nicht verpflichtet, die CO2-Emissionen von Projekten zu messen. Das ist Aufgabe der Projektwerber im Zuge der Genehmigungsverfahren. Wir sind aber durchaus in der Lage, an konkreten Projekten der Wasserkraft die Einsparung von CO2 im Vergleich zu anderen Erzeugungstechnologien zu berechnen. Die deutsche Zementindustrie will bis 2050 klimaneutral werden und hat damit aus unserer Sicht eine richtige Entscheidung getroffen. Wichtig ist natürlich noch einmal zu bemerken, dass der Betrieb eines Wasserkraftwerks weder CO2-Emissionen noch zusätzliche schädliche Emissionen mit sich bringt.

Wenn sich Treibholz in einem Stausee ansammelt, können große Mengen Methan ausgestoßen werden.

Das ist so nicht richtig. Treibholz kann keine Methanemissionen verursachen. Aber verrottende Biomasse in Stauseen – vor allem im warmen, sauerstoffarmen Wasser tropischer Stauseen – kann sehr wohl erhöhte Methanwerte verursachen. Dafür gibt es Lösungen. In natürlichen Becken sollte vor der Flutung eine vernünftige Reinigung des Bodens dem vollständig entgegenwirken. Bei künstlichen Becken hingegen besteht dieses Problem von Anfang an nicht. Man sollte an dieser Stelle auch erwähnen, dass Staudämme sehr oft Multifunktionsprojekte sind. Das heißt, neben der Stromerzeugung dienen sie dem Hochwasserschutz, der Bewässerung, Flussregulierung, Trinkwasserversorgung oder zu Erholungszwecken.

Die EU hat gerade ihre Taxonomie vorgestellt, einen Katalog von Wirtschaftszweigen, die unter dem Label "nachhaltig" finanziert werden können. Was heißt das für die Wasserkraft?

Die EU-Taxonomie ist der Versuch, nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu definieren und stellt somit einen bedeutenden regulatorischen Schritt zur Förderung der Transparenz im Bereich der Nachhaltigkeit dar. Weil das für Projektentwickler zusätzlichen bürokratischen Aufwand mit sich bringt, haben wir uns im Laufe des Entstehungsprozesses sowohl auf Landes- als auch auf europäischer Ebene aktiv eingebracht. Die Taxonomie ist unter anderem die Weichenstellung dafür, unter welchen Bedingungen ein Projekt künftig finanziert werden kann und wird uns sicher in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen.

Um als nachhaltig zu gelten, muss ein Wasserkraftwerk entweder ohne künstlichen Stausee auskommen, eine hohe Effizienz haben oder nachweisen, dass die Treibhausgas-Emissionen über die gesamte Lebenszeit des Wasserkraftwerks unter einem bestimmten Wert bleiben. Vor allem die europäischen Entwicklungsbanken wie EIB und EBRD müssen ihre Kreditvergabe an der EU-Taxonomie orientieren. Was heißt das für Sie?

Dass sich Projekte der Wasserkraft künftig an den Kriterien der EU-Taxonomie messen lassen müssen. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, bedeutet aber Mehraufwand.

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