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Wirtschaftsumfeld | Iran | Konjunktur

Was wird, wenn die Sanktionen bleiben?

Die iranische Wirtschaft zeigt seit Herbst 2020 wieder eine Wachstumstendenz. Aber ein Scheitern der Wiener Atomverhandlungen könnte einen Rückfall in die Rezession bringen.

Von Robert Espey | Dubai

Die seit elf Monaten in Wien laufenden Verhandlungen über eine Reaktivierung des ursprünglich im Juli 2015 von Iran, den USA, den E3-Ländern (Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich), China und Russland unterzeichneten Atomvertrages pausieren erneut. Einen Termin für eine Fortsetzung der Gespräche gibt es bislang nicht.

Das 2018 von den USA einseitig aufgekündigte Abkommen (offizielle Bezeichnung: Joint Comprehensive Plan of Action/JCPOA) zielte auf eine Beschränkung des iranischen Atomprogramms. Im Gegenzug erfolgte eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen. Zudem sollten die Wirtschafsbeziehungen zu Iran ausgebaut werden.

Verhandlungen könnten scheitern

In einer am 12. März veröffentlichten Erklärung warnen die E3-Länder vor einem Scheitern der Gespräche. Die Kritik richtet sich gegen die russische Forderung nach einer schriftlichen Garantie, dass die Russland-Sanktionen keine Folgen für die russisch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen haben dürfen. Die USA wollen eine solche Erklärung nicht abgeben. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem JCPOA und den Russland-Sanktionen, so die amerikanische Haltung.

Aber auch mit Iran gibt es noch keine abschließende Einigung über eine Wiederbelebung des JCPOA. Es liegt seit Mitte Februar ein über 20-seitiger Vertragsentwurf vor. Nach Darstellung europäischer Diplomaten sind nur noch einige technische Details zu klären. Teheran und Washington bestätigen zwar, dass die Verhandlungen weit fortgeschritten sind, aber weisen darauf hin, dass in einigen zentralen Fragen noch keine Übereinstimmung erzielt werden konnte. Hier dürfte es sich unter anderem um das Ausmaß der Sanktionslockerungen sowie um die von Teheran geforderte Absicherung gegen eine erneute einseitige Aufkündigung des JCPOA durch die USA handeln.

US-Sanktionen verursachen wachsende Verluste

Die iranische Regierung betont, wirtschaftliches Wachstum sei auch ohne Aufhebung der US-Sanktionen möglich. Gleichzeitig wird aber auf die schweren Schäden hingewiesen, die durch die Sanktionen verursacht werden. Forderungen nach Kompensationen sind in Teheran immer wieder zu hören.

Angesichts des jetzt sehr hohen Ölpreises sind die Einnahmeverluste stark gewachsen. Trotz noch geltender US-Sanktionen hat Iran seine Ölexporte seit Ende 2020 erhöhen können. Aber ohne die US-Sanktionen lägen Irans Ölexporte heute vermutlich um mehr als 2 Millionen bpd (barrel per day) über dem aktuellen Exportniveau.

Bei einem Ölpreis von 121 US-Dollar (US$) pro Barrel (OPEC Basket Price; Wochendurchschnitt: 4. bis 11. März 2022) bedeutet dies einen Einnahmeverlust in Höhe von monatlich 7,3 Milliarden US$. Zusätzliche Verluste muss Iran bei den realisierten Ölexporten hinnehmen, weil iranisches Öl in der Regel nur mit Abschlägen zu verkaufen ist.

Statistikbehörde meldet Wachstumsbeschleunigung

Als Folge der reaktivierten US-Sanktionen ist die iranische Wirtschaft 2018/2019 (iranisches Jahr 1397; 21. März bis 20. März) und 2019/2020 deutlich geschrumpft. Den Daten der Statistikbehörde zufolge konnte sich die Wirtschaft 2020/2021 – trotz Coronakrise – wieder stabilisieren. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg real (preisbereinigt) um 1,0 Prozent. Der Öl- und Gassektor expandierte um 5,6 Prozent, die Nichtölwirtschaft nur um 0,3 Prozent.

Die jetzt von der Statistikbehörde veröffentlichen vorläufigen Daten für die ersten drei Quartale 2021/2022 (21. März bis 20. Dezember 2022) weisen gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum ein BIP-Plus von 5,1 Prozent aus. Der Öl- und Gassektor konnte um 13,2 Prozent zulegen, der Rest der Wirtschaft immerhin um 3,8 Prozent.

Die verarbeitende Industrie soll in den ersten neun Monaten 2021/2022 um 3,4 Prozent gewachsen sein, die Bauwirtschaft um 6,3 Prozent und der Dienstleistungssektor um 5,1 Prozent. Die landwirtschaftliche Erzeugung ist hingegen um 3,9 Prozent geschrumpft.

Rückkehr der Rezession möglich

Ein Scheitern der Gespräche in Wien würde die noch vorsichtig optimistische Stimmung der iranischen Wirtschaft stark dämpfen. Das aktuell kräftige Wachstum des Öl- und Gassektors könnte sich deutlich abschwächen, da der seit Ende 2020 steigende iranische Ölexport vor dem Hintergrund der erwartenden Reaktivierung des Atomabkommens zu sehen ist. Es wäre allerdings auch denkbar, dass die derzeitige  Knappheit auf den internationalen Ölmärkten die iranischen Exporte stützt oder sogar wachsen lässt. Der weitere Verlauf des Russland-Ukraine-Konflikts dürfte hier einen erheblichen Einfluss haben.

Die Economist Intelligence Unit (EIU) geht in ihrer jüngsten Iran-Prognose (Februar 2022), die mögliche Effekte des Krieges gegen die Ukraine noch nicht berücksichtigt, davon aus, dass bei fortbestehenden US-Sanktionen das BIP im laufenden Jahr 2021/2022 nur um 2 Prozent zulegt, für 2022/2023 und 2023/2024 werden 1,2 und -0,3 Prozent kalkuliert.

Die EIU-Prognose für 2021/2022 dürfte zu pessimistisch sein. Aber ohne Sanktionslockerungen wäre eine deutliche Konjunkturabkühlung ab 2022/2023 wahrscheinlich realistisch. Unter der Voraussetzung einer Aufhebung der US-Sanktionen im 1. Quartal 2022 hatte die EIU im November 2021 für 2022/2023 einen BIP-Anstieg um 8,9 Prozent prognostiziert.

Deutsche Iran-Ausfuhren weiter gesunken

Sanktionslockerungen würden zu einer signifikanten Steigerung der deutschen Ausfuhren nach Iran führen. Ob ohne Lockerungen ein weiterer Rückgang der Lieferungen verhindert werden könnte, ist fraglich. Die deutschen Exporte sind 2021 mit 1,45 Milliarden Euro (2020: 1,54 Milliarden US$) auf das niedrigste Niveau seit 1999 gefallen. Mehr als ein Drittel der Lieferungen entfiel auf Getreide und Getreideerzeugnisse (SITC 04) sowie medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse (SITC 54).

Nach Angaben des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sind die deutschen Maschinenlieferungen nach Iran 2021 um weitere 19,8 Prozent auf 271 Millionen Euro gesunken. Gegenüber 2018 ergibt sich ein Minus von 74,3 Prozent.

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