Wirtschaftsumfeld | Taiwan | Investitionsklima
Direktinvestitionen leiden unter Coronakrise
Die ausländischen Investitionen in Taiwan gingen 2021 insgesamt zweistellig zurück. Aus Deutschland floss aber mehr Kapital. Eine Branche dürfte künftig besonders profitieren.
11.02.2022
Von Alexander Hirschle | Taipei
Trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung musste Taiwan 2021 rückläufige ausländische Direktinvestitionen (FDI, Foreign Direct Investment) registrieren. Während das Ergebnis des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2021 Ende Januar noch einmal auf real 6,3 Prozent nach oben korrigiert wurde, sanken die genehmigten FDI in dem Jahr um 18,2 Prozent. Die Insel konnte sich in diesem Bereich nicht dem globalen Negativtrend entziehen.
Insgesamt wurden 2021 nach Angaben der zum taiwanischen Wirtschaftsministerium gehörenden „Investment Comission“ ausländische Investitionen im Wert von 7,5 Milliarden US$ freigegeben. Die Zahl der Projekte belief sich dabei auf 2.711, entsprechend einem Rückgang von 20,7 Prozent.
Die Verantwortlichen führten den Negativtrend in erster Linie auf die Coronakrise und damit einhergehende sinkende Investitionsvorhaben rund um den Globus zurück. Allerdings zeigt sich die Behörde auch optimistisch, dass es im laufenden Jahr wieder nach oben geht - falls sich die Covid-Situation stabilisiert und auch Reisbeschränkungen wieder zurückgefahren werden.
FDI aus Südostasien steigt an
Trotz der allgemein negativen Tendenz des Vorjahres, gab es einige positive Überraschungen. So schossen die Investitionen aus Ländern, die unter der "New Southbound Policy“ Taiwans subsummiert sind, um 162 Prozent auf 1,1 Milliarden US$ nach oben. Der überwiegende Teil stammt dabei aus Singapur, Taiwan und Australien.
Mithilfe der Strategie will Taiwan seine starke wirtschaftliche Abhängigkeit von China reduzieren und seine Handels- und Investitionsbeziehungen zu insgesamt 18 Märkten in Süd- und Südostasien sowie Ozeanien stärken. Die Investitionen aus China sanken im Gegenzug um 8 Prozent auf 116 Millionen US$.
Deutschland investiert deutlich mehr
Starke Zuwächse verzeichneten im vergangenen Jahr die FDI aus Südkorea, die um mehr als 800 Prozent in die Höhe schossen. Auch Unternehmen aus den USA investierten wertmäßig deutlich mehr. Bereits in den vergangenen Jahren hatten vor allem die großen IT-Gesellschaften ihre Aktivitäten auf der Insel ausgeweitet. Aus beiden Herkunftsländern war trotz der starken wertmäßigen Steigerungen die Zahl der Projekte rückläufig.
Land | Wert | Veränderung 2021/20 | Anzahl Projekte | Veränderung 2021/20 |
---|---|---|---|---|
Britische Überseegebiete in der Karibik | 2.040,9 | 6,0 | 232 | -7,9 |
Niederlande | 744,5 | 85,8 | 30 | -21,1 |
Japan | 728,7 | -24,4 | 230 | -18,7 |
USA | 703,8 | 172,6 | 250 | -4,9 |
Singapur | 418,7 | 72,7 | 178 | -9,6 |
Thailand | 418,7 | 7010,5 | 29 | 11,5 |
Samoa | 369,3 | 11,0 | 136 | 24,8 |
Großbritannien | 332,2 | -47,0 | 87 | -5,4 |
Hongkong, SVR | 307,1 | -44,5 | 681 | -42,6 |
Südkorea | 257,6 | 831,0 | 80 | -40,3 |
Deutschland | 252,6 | 67,2 | 35 | -27,1 |
Summe | 7.471,8 | -18,2 | 2.696 | -20,6 |
Das gleiche Phänomen zeichnet sich im Falle Deutschlands ab. Die Direktinvestitionen "Made in Germany“ legten 2021 wertmäßig um fast 70 Prozent auf 252 Millionen US$ zu. Gemessen an der Zahl der Projekte musste allerdings ebenfalls ein Rückgang von 27 Prozent hingenommen werden. Deutsche Firmen haben zuletzt großes Interesse an Engagements in den Lieferketten der florierenden Elektronik- und Halbleiterindustrie auf der Insel entwickelt.
Deutsche Firmen zufrieden
So kündigte Merck Ende 2021 eine Investition in Höhe von mehr als 600 Millionen US$ in Taiwan an, um künftig die Produktion von Materialien für die Halbleiterherstellung nach oben zu schrauben. Auch das Feedback in der jährlichen Umfrage des Deutschen Wirtschaftsbüros Taipeis (AHK) ist positiv. Der überwiegende Teil der befragten Firmen würden demzufolge wieder in Taiwan investieren.
Deutschland erreichte 2021 Platz elf im Ranking der größten Investoren Taiwans, war damit aber gleichzeitig zweitwichtigstes Herkunftsland aus der Europäischen Union (EU). Die Liste der ausländischen Investoren in Taiwan wird 2021 angeführt von den Britischen Überseegebieten, auf die 27 Prozent der Investitionen entfielen. Auf den Plätzen folgten die Niederlande (10 Prozent) und Japan mit ebenfalls 10 Prozent vor den USA (9 Prozent).
IuK und Elektrogeräte mit hohem Wachstum
Finanzen und Versicherungswesen machen mit 31 Prozent wertmäßig den größten Teil der FDI nach Sektoren aus. Auf den Plätzen folgen der Groß- und Einzelhandel mit 12 Prozent, Immobilien mit 9 Prozent sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK, 8 Prozent).
Dieser Bereich wies 2021 mit einem Plus von 73 Prozent ein starkes Wachstum auf, während überraschenderweise die internationalen Investitionen in die Herstellung elektronischer Teile und Komponenten um fast 30 Prozent nach unten zeigten. Allerdings stieg in diesem Segment die Anzahl der Projekte um mehr als 30 Prozent an.
In Zukunft dürften diese beiden Branchen – elektronische Komponenten und IuK – ein wichtiges Zugpferd der FDI in Taiwan werden. Denn die großen Halbleiterhersteller der Insel haben gigantische Investitionsprojekte in der Schublade. Allein TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company Ltd) plant bis 2024 Ausgaben von 100 Milliarden US$ in den Ausbau der Produktionskapazitäten. Im Schlepptau dieser Investitionen erwägen immer mehr Zulieferfirmen entlang der "Supply Chain“, ebenfalls Fabriken neu zu errichten oder zu erweitern.
Die Regierung erhofft sich nach dem großen Erfolg eines 2019 aufgelegten Reshoringprogramms eine zweite Welle von internationalen Investitionen im Zuge der Umstrukturierung globaler Lieferketten. Die Insel will dabei von ihrem verbesserten Image aufgrund des sehr guten Covid-Managements profitieren. Taiwan will sich künftig als globale Drehscheibe für die digitale Transformation positionieren.
Taiwan steigt in Standortrankings auf
Die Zeichen dafür stehen nicht schlecht: Taiwan konnte zuletzt in mehreren Rankings Plätze gut machen. So kletterte die Insel im World Talent Ranking des Schweizer Instituts IMD (Institut for Management Development) um vier Plätze auf Rang 16, was gleichzeitig der drittbesten Position in Asien entsprach. Im ebenfalls von IMD erhobenen World Competetiveness Ranking stieg Taiwan um drei Ränge auf den achten Platz.
Der sogenannte BERI- (Business Environment Risk Intelligence-)Report weist die Insel sogar auf Rang vier aus hinter der Schweiz, Norwegen und Südkorea. Im Corruption Perception Index von Amnesty International verbesserte sich die asiatische Volkswirtschaft im vergangenen Jahr um drei Plätze und rangiert auf Platz 25. In der Region weisen nur Japan, Hongkong und Singapur eine bessere Position auf.
Sektor | Wert | Veränderung 2021/20 | Anzahl Projekte | Veränderung 2021/20 |
---|---|---|---|---|
Finanzen und Versicherungen | 2.291,0 | -17,8 | 303 | 3,1 |
Groß- und Einzelhandel | 904,3 | -18,4 | 981 | -28,6 |
Immobilien | 653,5 | 38,1 | 45 | -30,8 |
Information und Kommunikation (IuK) | 622,2 | 72,6 | 284 | -21,1 |
Herstellung elektronischer Teile und Komponenten | 570,5 | -29,3 | 59 | 31,1 |
wissenschaftliche, technische und sonstige Dienstleistungen 1) | 411,7 | -68,4 | 392 | -18,8 |
Herstellung von Elektrogeräten | 307,4 | 353,0 | 11 | -42,1 |
Support-Services 2) | 304,2 | 1221,0 | 39 | -48,0 |
Bau | 282,9 | 230,4 | 74 | 72,1 |
Herstellung von Metallprodukten | 213,4 | 762,7 | 14 | 7,7 |
Summe | 7.471,8 | -18,2 | 2.696 | -20,6 |