Der Großteil der Stromerzeugungskapazitäten in Ägypten basiert auf Erdgas. Der Wandel in Richtung erneuerbarer Energien vollzieht sich – allerdings langsam.
Stromerzeugung
In den Jahren 2013 und 2014 befand sich Ägypten in einer Energiekrise. Tägliche Stromausfälle plagten Industrie und Haushalte. Unter diesem Eindruck hat die ägyptische Regierung den Ausbau neuer Kapazitäten zur Stromerzeugung entschieden vorangetrieben. Diese neuen Kapazitäten basieren vor allem auf Erdgas als Energieträger. Das hat zwei Gründe: Im Jahr 2015 entdeckte der italienische Ölkonzern Eni das Zohr-Gasfeld vor der ägyptischen Mittelmeerküste. Parallel zur Erschließung dieses bis heute größten Gasfeldes im Mittelmeer baute Siemens drei neue Gaskraftwerke, die mit 14,4 Gigawatt die installierte Stromkapazität in Ägypten um 40 Prozent gesteigert haben.
Überkapazitäten bremsen Ausbau der erneuerbaren Energien
Da die Wirtschaft insbesondere während der Coronapandemie langsamer wuchs als erwartet, steht Ägypten mittlerweile vor dem Luxusproblem von Überkapazitäten. Ende Juni 2020 betrug die installierte Stromkapazität 59 Gigawatt. Diesen Kapazitäten stand ein Verbrauch von gerade einmal 32 Gigawatt während des Fiskaljahrs 2019/2020 gegenüber. Bei einem Ausbau der erneuerbaren Energien wäre das ägyptische Stromnetz physisch kaum in der Lage, weitere Kapazitäten aufzunehmen. Die Energiewende, die sich auch Ägypten auf die Fahne geschrieben hat, wird also nicht so schnell vonstattengehen wie gedacht. Insbesondere das Ziel, ab 2022 den Anteil erneuerbarer Energien am Strommix auf 20 Prozent zu heben, konnte nicht erreicht werden.
Die Tendenz geht in Richtung Solar- und Windkraft
Die gegenwärtige Ausgangslage der Überkapazitäten hat auch Auswirkungen auf die Förderpolitik der ägyptischen Regierung. Hat diese zuvor noch die Einspeisung erneuerbarer Energien mit großzügigen Tarifen bedacht, werden mittlerweile neue Kapazitäten nur noch auf der Grundlage des niedrigsten Preises pro Kilowattstunde hinzugefügt. Aber auch unter diesen Bedingungen ziehen gerade die großen Wind- und Solarenergieprojekte wie in Ras Ghareb oder Benban mit jeweils mehreren Hundert Megawatt installierter Kapazität private Investoren an. Das liegt an den naturräumlichen Gegebenheiten, die mit hohen und konstanten Windstärken sowie einer nahezu ganzjährigen Sonneneinstrahlung als vorzüglich gelten.
Stromabnahmeverträge mit einer Laufzeit von 20 bis 25 Jahren garantieren privaten Investoren, dass sich deren Projekte lohnen. Die Tendenz in Ägypten geht also, wenn auch nur sehr schwerfällig, in Richtung erneuerbarer Energien. Die neuen Stromkapazitäten der letzten zwei Jahre basieren nahezu vollständig auf Solarenergie und Windkraft. Dagegen ging der Zubau fossiler Kapazitäten in diesem Zeitraum gegen null.
Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Solarprojekte gefährdet
Kleine und mittelgroße Solarstromprojekte haben es dagegen schwerer auf dem ägyptischen Strommarkt. Gemeint sind zum einen Selbstversorger und zum anderen diejenigen, die Solarstrom für den Eigen- und Fremdbedarf produzieren – sogenannte Net-Metering-Modelle (Nettomessung). So verordnete die Aufsichtsbehörde für den Strommarkt, die Egyptian Electric Utility & Consumer Protection Agency (Egyptera), während der Coronakrise Obergrenzen für die Menge des Stroms, den Net-Metering-Produzenten in die Verteilungsnetze einspeisen durften. Zugleich reduzierte Egyptera die Vergütung für diesen Strom. Insbesondere die Begrenzung der Einspeisemenge war eine Antwort auf die gestiegenen Stromüberschüsse, die durch den geringeren Verbrauch in der Pandemie entstanden.
Anfang 2022 beschloss Egyptera, dass Solarproduzenten (Net-Metering und Selbstversorger) eine Gebühr für die Integration ihrer Anlagen in das nationale Stromnetz entrichten müssen. Beobachter sehen in dieser Gebühr eine weitere empfindliche Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Solarindustrie. Bereits zwei Monate zuvor war erstmalig ein Zoll in Höhe von 5 Prozent auf importierte Komponenten für Solaranlagen verabschiedet worden.
Seit März 2022 schlägt die Egyptera mit dem Dekret Nr. 6/2022 wieder einen Kurs ein, der aus Sicht der Solarenergie freundlicher ist. Zunächst hoben die Aufseher die im Jahr 2020 verhängte Obergrenze für die Einspeisung auf. Von der Gebühr für die Integration in das Stromnetz befreit sind jetzt auch Anlagen, die bis zu 1 Megawatt Energie erzeugen. Zuvor war die Gebühr bereits ab einer Stromerzeugung von 500 Kilowatt fällig. Unter dem Net-Metering-Modell dürfen nun auch Produzenten abrechnen, deren Anlagen zusammenaddiert eine installierte Kapazität von bis zu 1 Gigawatt erreichen. Zuvor lag die Obergrenze dafür bei gerade einmal 300 Megawatt.
Stromexport und Wasserstoff zum Abbau der Überschüsse
Eine Besserung der Rahmenbedingungen (nicht nur) für Solarstrom wird sich einstellen, sobald Ägypten seine Stromüberschüsse abgebaut hat. Zu diesem Zweck setzt Ägypten darauf, Strom über Interkonnektoren in Nachbarländer zu exportieren. Daneben stehen mittlerweile die ersten Projekte für "grünen" und "blauen" Wasserstoff an, ebenso für "grünen" Ammoniak.
Für den Erneuerbare-Energien-Sektor sind das positive Entwicklungen. Allerdings hat die Branche nach wie vor einen schweren Stand gegenüber der fossilen Konkurrenz auf dem ägyptischen Strommarkt. Das liegt an den Subventionen, die sowohl Stromproduzenten als auch Stromkonsumenten (noch) erhalten.
Energieversorgung
Neben der Stromerzeugung benötigt in Ägypten vor allem die Industrie Energie für die Erzeugung von Prozesswärme. Anders als in Deutschland spielt das Thema Wärmeenergie in ägyptischen Haushalten kaum eine Rolle, da Wohnungen selten geheizt werden. Der Benzinpreis wurde im April 2022 um lediglich 0,014 US-Dollar erhöht, für Diesel blieb er unverändert. Angesichts der gestiegenen Ölpreise liegt es nahe, dass es sich um subventionierte Preise handelt.
Von Sherif Rohayem
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Kairo