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Äthiopien-Dschibuti-Bahn sucht neue Investoren
Die Bahn von Addis Abeba nach Dschibuti kommt wirtschaftlich allmählich in Gang. Ob sich Geldgeber für anstehende Investitionen finden, bleibt aber mehr als fraglich.
24.04.2023
Von Ulrich Binkert | Addis Abeba
Die Geschäfte der im Jahr 2016 eröffneten Ethio-Djibouti Railway (EDR) zwischen der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba und dem Hafen Dschibuti ziehen an. Von August bis Dezember 2022 setzte die Bahn mit 2,5 Milliarden äthiopischen Birr (nach offiziellem Wechselkurs 47 Millionen US-Dollar; US$) knapp ein Drittel mehr um als im gleichen Vorjahreszeitraum. Damit deckt die von chinesischen Firmen gebaute, finanzierte und bis Ende 2023 auch betriebene Strecke nach Angaben eines EDR-Sprechers derzeit ihre operativen Kosten. Im Gesamtjahr 2021 konnte sie bei einem Umsatz von umgerechnet rund 40 Millionen US$ nur ein Drittel der Kosten decken.
Steigende Dieselpreise verteuern die Konkurrenz
Hilfreich für das Frachtgeschäft auf der Schiene ist der Kostenanstieg beim konkurrierenden Straßentransport. Für die Beförderung eines 40-Fuß-Containers von Dschibuti zum Güterumschlagplatz Modjo bei Addis Abeba verlangt die Bahn derzeit nach eigenen Angaben 80.000 Birr (1.500 US$). Lkw-Betreiber fordern fast dreimal so viel. Der Zug ist elektrifiziert und Strom ist in Äthiopien günstig. Es gibt große Überkapazitäten und Privatkundentarife von rund 0,04 US$ pro Kilowattstunde.
Zudem versucht die Bahngesellschaft EDR, kundenfreundlicher zu werden. Inzwischen lasse sich der Transport einzelner Container buchen. Bis vor etwa zwei Jahren mussten dafür rund zwei Dutzend Container zusammenkommen, was angesichts der geringen Mengen in Äthiopiens Importgeschäft störte. Zudem begann EDR nach eigenen Angaben, von den 15 wichtigsten Kunden wie Maersk, Bolloré oder Freighters International bei der Buchung nur noch 50 Prozent Anzahlung zu verlangen. Frachtkunden bekämen nach Bestellung innerhalb von 48 Stunden einen Waggonplatz zugewiesen. Wegen steigender Nachfrage und knapper Kapazitäten müssten sie derzeit allerdings rund fünf Tage bis zur Abfahrt "ihres" Zuges warten.
Frachtnachfrage bei der Bahn wächst
Besonders dynamisch wächst die Nachfrage von anderen Firmen als der staatlichen Ethiopian Shipping and Logistics Services (ESLSE). Diese Kunden organisieren Transporte zwischen Dschibuti und Äthiopien "unimodal" mit dem einen Verkehrsträger Bahn. Der Unimodal-Anteil am gesamten Frachtgeschäft würde von aktuell gut 6 Prozent in absehbarer Zeit auf 20 Prozent steigen.
Die restlichen gut 90 Prozent entfallen noch auf ESLSE, die den gesamten Transport eines Importgutes vom Absender im Ausland bis zum Empfänger in Äthiopien managt. Für diesen "multimodalen" Transport mit mehreren Verkehrsträgern hat ESLSE bisher das Monopol. Die Firma schickt ihre gesamte Fracht laut EDR nach Modjo, während die Güter der anderen Kunden noch zwei Stationen weiter nach Indode nahe der Stadtgrenze von Addis Abeba gingen.
Kreditgeber mussten Milliarden abschreiben
Finanziell ist die rund 4,3 Milliarden US$ teure Äthiopien-Dschibuti-Bahn bislang gleichwohl ein Desaster. Die China EximBank verlängerte 2018 die Laufzeiten ihrer Kredite um weitere 20 Jahre. Nach einem Pressebericht aus demselben Jahr musste zudem der chinesische Rückversicherer Sinosure mit 1 Milliarde US$ für das Projekt einspringen.
Von allen Güterbewegungen über den Hafen Dschibuti, der gewichtsmäßig um die 95 Prozent von Äthiopiens Außenhandel abwickelt, transportierte EDR im Jahr 2022 nach eigenen Berechnungen nur rund 12 Prozent. In der Zentrale der Bahngesellschaft hofft man, diesen Anteil auf gut ein Viertel zu steigern. Dabei hätten die Waggons eigentlich noch viel Platz. Selbst im bisherigen Spitzenjahr 2022 nutze EDR mit dem Transport von 1,9 Millionen Tonnen nur einen kleinen Teil ihrer Kapazität.
Kapazität nicht ausgelastet
Ursprünglich war die Kapazität der Bahn nach einer aktuellen EDR-Aussage auf 8 Millionen Tonnen ausgelegt, mehr als 5 Millionen Tonnen pro Jahr seien aber absehbar kaum zu schaffen. Mit einem deutlich dichteren Zugverkehr ließen sich wohl auch die über 20 Millionen Tonnen erreichen, die andere Quellen als Kapazität angeben. Dafür fehlen der Bahn allerdings Anlagen und Technik, welche Investoren aus Geldmangel eingespart haben. Hintergrund sind Analysten zufolge Mängel in der Planung des Gesamtprojektes und in der äthiopisch-chinesischen Zusammenarbeit, die auch auf Partikularinteressen chinesischer Firmen fußen.
Aktuell laufen planmäßig täglich nur drei Güterzüge pro Richtung, mehr als fünf waren es laut EDR noch nie. Hauptgrund ist die niedrige Geschwindigkeit von kaum 50 Stundenkilometern. Dies wiederum hängt letztlich an Konflikten mit Anwohnern, verbunden mit fehlenden Überholmöglichkeiten auf der meist eingleisigen Strecke.
Zudem fährt momentan alle zwei Tage ein Personenzug pro Richtung. An einem Sonntag Anfang März 2023 zählten Beobachter acht Waggons. Die rund 700 Sitz- und Liegeplätze waren dabei geschätzt nur zu einem Viertel belegt, auf dem letzten Stück zwischen der äthiopischen Stadt Dire Dawa nach Dschibuti gab es keine 20 Mitreisenden mehr. Für die gesamte Strecke von Addis Abeba zahlen einheimische Fahrgäste umgerechnet nur etwa 20 US$.
Als größten Flaschenhals der Verbindung sieht das EDR-Management aktuell den Mangel an Diesellokomotiven, den schon eine interne Problemanalyse von 2019 konstatierte. Die Loks werden benötigt, um etwa in Dschibuti die Züge bis in den Hafen zu rangieren. Eigentlich ist die Strecke durchgängig elektrifiziert. Die Oberleitungen enden aber kurz vor den Hafenterminals, die übrigens lange Zeit gar nicht an den Schienenstrang angeschlossen waren. Zudem fehlten überall Kräne für den Güterumschlag sowie Kühlhäuser entlang der Strecke, während EDR selbst immerhin zehn Kühlwaggons in ihren Beständen führt.
Geldgeber für Ergänzungsinvestitionen gesucht
Investitionen von weiteren 800 Millionen US$ bräuchte die Bahn, um "voll betriebsbereit und effizient" zu sein, sagte der EDR-Chef im Februar 2022. Mögliche Geldgeber konnte der Manager, vor dem Hintergrund des bislang mäßigen Betriebserfolgs, allerdings nicht erkennen. Auch nicht in China, von wo inzwischen sehr viel weniger Kredite als früher nach Afrika und auch nach Äthiopien fließen.
Eigentlich möchte die Regierung in Addis Abeba die Zugverbindung nach Dschibuti zu einem Netzwerk von insgesamt 4.000 Kilometern ausbauen, mit Anschlüssen an andere Häfen. Dieses Ziel scheint jedoch in weiter Ferne. Eine milliardenschwere Abzweigung der Bahn nach Norden, maßgeblich finanziert von Credit Suisse, war gemäß Presseberichten schon 2019 "zu 95 Prozent" fertig, ist aber immer noch nicht in Betrieb. Der türkische Generalauftragnehmer Yapi Merkezi geriet unter anderem in den Tigray-Konflikt und soll aktuell nicht am Projekt weiterarbeiten.