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Äthiopiens Energiewirtschaft sucht private Investoren
Bei neuen Kraftwerken setzt Äthiopien ganz auf die Energie von Wind, Sonne und Erdwärme. Bisher dominiert die Wasserkraft. Bei Öl und Gas tut sich außer Ankündigungen nicht viel.
26.05.2023
Von Ulrich Binkert | Bonn
Für deutsche Firmen dürfte Äthiopiens Energiesektor die meisten Geschäftschancen in der Stromwirtschaft bieten. Beim neuen großen Wasserkraftwerk am Blauen Nil (GERD) zum Beispiel kommen acht der 13 Turbinen von Voith. Bei einem Vergleich unter 18 Märkten in Subsahara-Afrika platzierte der Marktbeobachter Fitch Äthiopiens Stromsektor auf dem sechsten Rang.
Der Staat finanziert nur ein Fünftel der Investitionen, so eine grobe Schätzung des Staatsunternehmens Ethiopian Electric Power (EEP), das für Erzeugung und Übertragung von Strom zuständig ist. Der Rest kommt zu einem guten Teil von Gebern wie der Weltbank. Deren Internetseiten sind deshalb wichtige Informationsquellen für mögliche Geschäfte. So basiert der aktuelle Ausbau der Verteilnetze maßgeblich auf dem laufenden Weltbankprojekt Adele, das schwerpunktmäßig solarhybride Mini-Netze auf dem Land einrichtet.
Überkapazitäten an Strom vergrößern sich
Laut Weltbank hatten im Jahr 2020 nur 52 Prozent der äthiopischen Bevölkerung Zugang zu Elektrizität, auf dem Land sogar nur 39 Prozent. Selbst in der Hauptstadt gibt es wegen schwacher Verteilnetze häufig Stromausfälle. Dabei existieren im nationalen Netz Überkapazitäten, die trotz eines steigenden Verbrauchs zunehmen dürften. Derzeit sind rund 5.300 Megawatt (MW) installiert, während der Spitzenbedarf 2022 nur gut 3.000 MW entsprach. Mit dem GERD und dem Wasserkraftwerk Koysha kommt in den nächsten Jahren über das Doppelte des aktuellen Bedarfs an zusätzlicher Leistung ans Netz.
Im November 2022 begann Äthiopien offiziell mit dem Export von Strom nach Kenia. Die Lieferungen sollen 200 MW umfassen und sich nach drei Jahren verdoppeln, bei einer Kapazität der neuen Leitung von 2.000 MW. Äthiopien verkauft Elektrizität auch nach Dschibuti (80 MW Kapazität) und Sudan (240 MW). Weitere Leitungen in diese Länder sowie nach Somalia und Südsudan sind geplant.
Windparks recht weit
EEP hofft nach aktuellem Plan in den nächsten drei Jahren auf Investitionen von 2,6 Milliarden US-Dollar (US$). Knapp 1,5 Milliarden davon sind für die Erzeugung vorgesehen, der Rest für die Übertragung. Unter den noch nicht im Bau befindlichen Projekten sieht Ashenafi Girma relativ viel Bewegung bei Windfarmen. "Aysha I und Debre Birhan sind da am weitesten fortgeschritten", sagt der Ingenieurberater von Tractebel Engie in Addis Abeba. Neue Projekte der Wasserkraft, die derzeit gut 90 Prozent der Erzeugerkapazitäten beisteuern, tauchen in der aktuellen Planung gar nicht mehr auf. Der Plan beziffert auch keine Ausgaben für die laufenden Geothermieprojekte.
Bereich | Mio. US$ |
---|---|
Erzeugung | 1.450 |
Wind | 1.062 |
Solar | 388 |
Übertragung | 1.161 2) |
Verstärkung | 569 |
Erweiterung | 294 |
Andere 3) | 56 |
Private Erzeuger in schwierigem Umfeld
Neue Kraftwerke sollen laut Plan ausschließlich durch private Stromerzeuger (IPP) entstehen. Ein Problem für die Privaten ist die billige Konkurrenz der Großwasserkraft. Zwar ist seit dem Jahr 2018 ein IPP-Gesetz in Kraft, der Einspeisetarif bleibt aber auszuhandeln mit dem Monopol-Netzbetreiber EEP, der außerdem Konkurrent in der Erzeugung ist.
Die Zentralregierung möchte das faktische Staatsmonopol bei Erzeugung, Übertragung und Verteilung zwar seit Jahren mit Reformen aufbrechen, nachgeordnete Behörden können oder wollen dies aber oft nicht umsetzen. Das System basiert auf staatlichen Zuschüssen. Strom kostet, selbst nach einer Verdoppelung des Preises Ende 2022, umgerechnet nur 0,04 US$ pro Kilowattstunde ("General Tariff"). Die tatsächlichen Kosten sind nur ansatzweise bekannt, EEP nennt für die Erzeugung "0,03 bis maximal 0,07 US$" pro Kilowattstunde. EEP sprach 2022 außerdem von 25 Prozent "Gesamt-Stromverlusten" durch Technikmängel sowie Diebstahl und stellte fest, dass von den Kraftwerkskapazitäten rund 700 MW nicht nutzbar seien.
Projekt | Megawatt | Anmerkungen 1) 2) | Unternehmen |
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Wasserkraftwerk GERD (Grand Ethiopian Renaissance) | 5.150 | Mai 2023: Bau fertig, zwei Turbinen in Betrieb (insgesamt 750 MW); von 13 Turbinen kommen 8 von Voith und 5 von GE/Alstom | |
Wasserkraftwerk Koysha | 1.800 | im Bau | EPC: Webuild |
Geothermiekraftwerk Tulu Moye | 600 | IPP-Projekt; zunächst 150 MW in 2 Phasen; März 2022: EPC-Vertrag über Phase I (50 MW, 100 Mio. US$); Mai 2023: im Bau; 3 Löcher gebohrt und 2 im Test | EPC: Mitsubshi/SEPCO (China) |
2 Solarfarmen plus Übertragungsleitung | 500 | Abkommen von Masdar (VAE) vom Januar 2023; Orte noch nicht festgelegt, umfassen u.U. Gad und Dichato (davor mit je 125 MW ausgelegt) | |
Windfarmen Adama I und II sowie Archagoda | 357 | in Betrieb | |
Windprojekt Aysha III | 300 | AMEA (VAE) verhandelt aktuell und würde Projekt selbst entwickeln | |
Geothermiekraftwerk Corbetti, Phase I (50 MW) | 200 | PPA unterzeichnet | IPP: u.a. Berkeley Energy/Reykjavik Geothermal |
Windprojekte Adigala, Dire Dawa | je 150 | Beratung/Studien: Expertise France, Gopa | |
Windprojekte Aysha I und Debre Birhan | je 125 | IFC: Scaling Wind Program; Ausschreibungen geplant | |
Windkraftwerk Aysha II | 120 | in Betrieb | |
Assela, Wind | 100 | Februar 2023 laut EEP: Baufortschritt 38%; Siemens (EPC) liefert Turbinen; Finanzierung: Danida, Danske Bank (Dänemark) |
Projekt | Mio. US$ | Anmerkungen | Unternehmen |
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Ausbau der Stromversorgung – Access to Distributed Electricity & Lighting in Ethiopia (ADELE) | 500 | Beschaffungen laufen; Finanzierung: Weltbank; Fokus auf Solar Mini Grids | Ministry of Water and Energy of Ethiopia, Ethiopian Electric Utility (EEU) |
Übertragungsnetze im Süden (420 km) | 178 | Finanzierung: Korean Exim Bank; Vergabe an Hyosung im September 2022 | Ethiopian Electric Power (EEP), Hyosung |
138 | Finanzierung: African Development Bank (AfDB); April 2022: AfDB stellt weitere 55 Mio. US$ zur Verfügung | EEP, Électricité de Djibouti |
Pläne für grünen Wasserstoff
Ein Teil des überschüssigen Stroms aus Wasserkraft und künftigen Geothermieanlagen soll ab 2026 in die Erzeugung von "grünem Wasserstoff" fließen. Fortescue Future Industries (FFI) aus Australien vereinbarte Mitte 2022 mit der Regierung den Bau entsprechender Anlagen. Daneben erwägt CWP Global die Errichtung von Wind- und Solarkraftwerken nahe der Grenze zu Dschibuti, so Informationen aus dem dortigen Energieministerium. Das Unternehmen will in dem kleinen Nachbarland mit einer zweistelligen Milliardeninvestition ebenfalls grünen Wasserstoff herstellen und einen Teil der benötigten Energie womöglich aus Äthiopien beziehen.
Wenig Bewegung bei Öl und Gas
In Äthiopiens Öl- und Gaswirtschaft tut sich bislang nicht viel. Eine Produktion oder Förderung findet nicht statt, abgesehen von täglich 450 Barrel Öl aus einem Testfeld (Hilaba). Die nachgewiesenen Reserven sind gering, Erfolge von Explorationen halten sich in Grenzen. Zuletzt nannte das Bergbauministerium Anfang 2023 die Entdeckung von über 2 Milliarden Barrel Öl im Einzugsgebiet des Blauen Nils, nordöstlich von Addis Abeba (Wara Illu). Im Jahr 2022 hatte die US-Firma NSAI Hinweise auf größere Gasvorkommen im Ogaden-Gebiet gemeldet. Diese und andere Ergebnisse früherer Erkundungen gelten jedoch nicht als gesichert.
Projekt/Feld | Anmerkungen |
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LNG aus Gasfeld bei Calub/Hilala (nahe Somalia): Produktion, Pipeline nach Dschibuti, Verflüssigungsanlage und Terminal dort | Gut 4 Mrd. US$ Kosten; Äthiopiens Regierung entzog aber Poly-CGL (China) im September 2022 die Konzession |
Öl- und Gasvorkommen El Kuran (Öl, Gas), Ogaden (nahe Somalia) | Lizenznehmer New Age |
South Omo (Öl, Gas), Chew Bahir (nahe Kenia) | Exploration teils aufgegeben durch Tullow Oil, Africa Oil u.a. Firmen |
Ein vielzitiertes Milliardenprojekt, die Produktion und der Export von Flüssiggas durch die chinesische Firma Poly-GCL, hat die Regierung 2022 nach langem Zuwarten durch Lizenzentzug gestoppt. Neue Investoren für dieses oder andere Vorhaben im Öl- und Gassektor sind nicht bekannt, Kosten und Risiken sind hoch: Für eine Förderung und Verarbeitung fehlt die Infrastruktur, in den Gegenden mit möglichen Vorkommen gibt es teils - auch bewaffnete - Konflikte, und die globale Anbindung ist abhängig vom Hafen Dschibuti und Plänen der dortigen Behörden.
Erdgas spielt im inländischen Energieverbrauch nach Ansicht von Beobachtern auf absehbare Zeit keine Rolle. Investitionen dafür seien deshalb nicht absehbar. Erdölprodukte muss Äthiopien gänzlich importieren, da es keine Raffinerie im Land gibt. Treibstoffe machten im Fiskaljahr 2021/22 wegen der gestiegenen Preise fast ein Fünftel der Importrechnung aus, was die große Devisenknappheit im Land verschlimmerte.
Organisation | Anmerkungen |
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Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Portal der Exportinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz | |
Branchenministerium | |
Ausschreibungen zu Stromerzeugung und -übertragung | |
Staatlicher Stromversorger | |
Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) | Deutsch-Äthiopische Energiekooperation |