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Äthiopien kündigt Öffnung des Handelssektors für Ausländer an
Bisher dürfen in Äthiopien nur einheimische Firmen importieren, exportieren oder handeln. Das soll sich ändern. An der Umsetzung gibt es aber Zweifel.
31.05.2024
Von Ulrich Binkert | Bonn
Diese Reform wäre ein echter Einschnitt: Mit der Direktive 1001/2024 verfügte die Ethiopian Investment Commission im März 2024 die Öffnung von Groß- und Einzelhandel sowie Im- und Exportgeschäften für ausländische Unternehmen. Auflagen gibt es relativ wenige. Sie sollen dem erklärten Ziel der Maßnahme dienen, Qualität und Effizienz im Handel und in der gesamten Wirtschaft zu steigern.
Ausländer sollen endlich direkt importieren dürfen
Bisher kann ein Unternehmen wie BASF in seinem Büro in Addis Abeba Importe und andere Handelsgeschäfte im Land nur vermitteln. Künftig sollen die Transaktionen selbst möglich sein. Dies gilt für die Produkthersteller oder deren Vertreter sowie für alle Güter außer Mineralöl und Dünger. Die Einschränkung für Dünger gilt auch im Großhandel. Weitere wesentliche Auflage ist lediglich, eine "moderne Marketinginfrastruktur" und eine gute Logistik aufzubauen.
Die Direktive öffnet sogar den Einzelhandel. Bislang gibt es davon im zweitbevölkerungsreichsten Land Afrikas noch kaum moderne Formate, und große Geschäfte fehlen weitgehend. Hier sind die Hürden allerdings höher. Die Regierung will den Zuzug offenbar auf kapitalkräftige Investoren beschränken. Die Firmen müssen Großmärkte mit mindestens 10.000 Quadratmetern eröffnen oder, bei kleineren Flächen, mehrere Geschäfte einrichten. Die Untergrenze liegt bei 2.000 Quadratmetern.
Eine Wirtschaftskanzlei in Addis Abeba, die schwerpunktmäßig ausländische Firmen berät, registriert auf die Direktive hin bereits Interesse aus dem Ausland. So wolle sich ein gewichtiger Berater des US-Groß- und Einzelhandels "sehr ernsthaft" die Vorleistungsstrukturen in Äthiopien anschauen. Ähnliche Avancen gebe es auch von Seiten des Onlinehandels – den die Direktive nicht abdeckt – sowie von einem europäischen Anbieter von Fahrzeugen für den Bergbau.
Umsetzung bleibt abzuwarten
Wann und wie die amtlichen Ankündigungen umgesetzt werden, bleibt allerdings abzuwarten. Äthiopien hat seine lange Zeit geschlossene Wirtschaft zwar nach und nach geöffnet, zum Beispiel in der Telekommunikation. Häufig sind diese Liberalisierungen aber nur sehr zäh vorangekommen. Kaum etwas zu spüren ist zum Beispiel von der "Öffnung des Finanzsektors" im September 2022. Für die Liberalisierung der Logistikbranche gibt es zwar konkrete Gesetze und Verordnungen, deren Umsetzung hakt aber ebenfalls.
Die Direktive, so eine Kritik, sei noch zu ungenau und lasse viele Fragen offen. Bis zu einer präziseren Fassung lasse sich kaum etwas zu den konkreten Auswirkungen sagen. Im Großhandel inklusive den – für deutsche Firmen wichtigen – Importgeschäften könnten Lockerungen relativ zügig erfolgen, so erste Einschätzungen. Komplizierter werde es im Einzelhandel. Dort sind naturgemäß viel mehr Interessengruppen direkt berührt und sei mehr Opposition zu erwarten.
Auch rechtlich gibt es noch Fragezeichen
Hinzu kommt, dass die Direktive Juristen zufolge rechtlich noch gar nicht in Kraft ist. Sie müsste dafür auf der Webseite des Justizministeriums veröffentlicht worden sein. Stand Ende Mai 2024 findet sie sich aber erst auf der Seite der Ethiopian Investment Commission. Ebenso wenig gebe es ein übergeordnetes Gesetz samt Regulierung, das im Amtsblatt (Negarit Gazette) stehen müsste.
Die befragte Kanzlei wundert sich auch über die Art der Veröffentlichung des Erlasses. "Da gab es zuerst nur einen Post in den sozialen Medien", und dies bei unklarer Quelle. Zuständig ist eigentlich das Investment Board der Regierung, dem der Premierminister vorsitzt. Dessen Name steht zwar unter der Direktive, nicht aber dessen Unterschrift. Diese etwas unkonventionelle Art der Bekanntmachung von Direktiven komme zwar durchaus vor in Äthiopien, nicht aber bei solch gewichtigen Dingen. Die Ethiopian Investment Commission gab Mitte April eine Presseerklärung zu dem Vorgang, doch das mache die Sache auch nicht amtlicher, so die Juristen.
Einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen in Äthiopien bietet der Länderbericht Recht kompakt Äthiopien von Germany Trade & Invest.
Regierung möchte WTO-Beitritt und Deal mit dem IWF
Zeitlicher Hintergrund ist Äthiopiens Bemühen um Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation WTO. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Regierung den gesamten Handelssektor öffnet", gibt die Wirtschaftszeitung Capital die Ansicht von Experten wieder.
Ein weiteres Motiv sehen Beobachter in den Verhandlungen der Regierung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Bei den seit Langem laufenden Gesprächen über neue Kredite und Reformen gab es auch bei der letzten Runde im April 2024 keine Ergebnisse. Den Einschätzungen zufolge will die Regierung dem IWF nun Entgegenkommen zeigen, auch wenn seitens des Fonds keine konkreten Forderungen der Liberalisierung bekannt seien.
Äthiopien ist für private Investoren aus dem In- und Ausland oft ein schwieriges Pflaster. So lassen die Behörden in Addis Abeba derzeit viele Gebäude und halbe Stadtviertel abreißen, um Platz für neue Quartiere und moderne Verkehrsachsen zu schaffen. Um Eigentumsrechte oder auch nur eine angemessene Information der Betroffenen scheren sie sich dem Vernehmen nach nicht immer.
Hoffen auf Modernisierungsschub
Gleichwohl gilt das Interesse der Regierung an einer Öffnung des Handelssektors als echt. Gleich in den einleitenden Worten der Direktive nehmen die Autoren eine Art Abrechnung mit der bisherigen Politik vor. Von "nicht erreichten" Zielen ist dort die Rede und von "begrenzten Ergebnissen". Bisher habe man "ausgewählte Teile des Handels" schützen wollen, mit dem Ziel einer größeren Wertschöpfung der heimischen Wirtschaft. Aber auch nach vielen Jahren mangele es dem Sektor noch an Qualität, Effizienz und Wettbewerb. Dies will die Regierung offenbar ändern.
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