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Branche | Afrika | Solarenergie

Offgrid-Strombranche sucht mehr Markt in Afrika

Technikanbieter für die dezentrale Stromversorgung profitieren vom steigenden Preis für Netzstrom. Ein Beispiel aus Äthiopien zeigt die Herausforderungen bei der Vermarktung.

Von Ulrich Binkert | Bonn

"Eigentlich wollten wir unsere ersten Anlagen ja in Afrika verkaufen". Nun aber bekam Simon Zimmermann vom Stuttgarter Start-up Solarbakery vielversprechende Anfragen aus Leipzig und auch für das polnisch-ukrainische Grenzgebiet. Der Jungunternehmer will zwar nach wie vor in Senegal seine ersten Fotovoltaik (PV)-betriebenen Anlagen installieren, die Brot unabhängig von einem Netz-Stromanschluss – offgrid – backen können. Die Energiekrise hat jetzt aber unvermutet seinen Markt erweitert. Solarbakery ist damit ein Beispiel für die guten Aussichten einer Branche, die sich Anfang Dezember in Augsburg zur Messe "Off-Grid" traf.

Energiekrise fördert den Absatz

Auch Bob Hopman, Sales Manager Germany von Victron Energy aus den Niederlanden, spricht von einem stark wachsenden Markt und einem größeren Andrang an seinem Messestand. Jens Jaeger von der Alliance for Rural Electrification in Brüssel (ARE) bestätigt das: "Wir beobachten ein enormes Interesse an netzunabhängigen erneuerbaren Energien seitens Unternehmen, Investoren und Regierungen“. Die ARE betrachtet sich mit ihren 200 Mitgliedsunternehmen als weltweit größter und ältester Branchenverband für netzunabhängige Lösungen mit erneuerbaren Energien.

Zahlen und Fakten laut Branchenverband Alliance for Rural Electrification
  • 733 Millionen Menschen sind ohne Stromzugang; 2,8 Milliarden ohne zuverlässige Versorgung
  • Netzunabhängiger und Back-Up-Strom (DRE, decentralised renewable energy) ist die kostengünstigste Option für über die Hälfte aller Anschlüsse, um bis 2030 nachhaltigen Strom für alle bereitzustellen
  • 17,5 Milliarden US-Dollar (US$) jährlicher Investitionsbedarf für DRE, davon 12 Milliarden US$ in Subsahara-Afrika


Ihre Auslandsmärkte sehen die Anbieter bisher eindeutig im globalen Süden mit großen Bevölkerungsteilen, die noch nicht ans Stromnetz angeschlossen sind. Typisch dürfte der PV-Systemintegrator Asantys Systems aus der Nähe von Offenburg sein, der rund 90 Prozent seines zweistelligen Millionenumsatzes in Afrika tätigt.

Augenscheinlich ist allerdings auch die Abhängigkeit der Branche von Gebern und der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Es finden sich eher wenige Beispiele, wo Kunden Offgrid-Anlagen aus kommerziellen Überlegungen beschaffen und auch selbst finanzieren.

Technik meist von Gebern finanziert

Boreal Light, dessen "Wasserkioske" Schmutzwasser durch autonom erzeugten Solarstrom in Trinkwasser umwandeln, gibt den Umsatzanteil solcher kommerziell finanzierten Projekte mit immerhin 40 Prozent an. "Wir bekamen hier auch Anfragen aus Südeuropa wie die eines griechischen Hoteliers", sagte Geschäftsführer Ali Al-Hakim während der Messe. Zur Zeit bemüht sich die Berliner Firma um die Finanzierung ihres bisher größten Projektes, und da spielen Geber wieder eine Hauptrolle: Es geht um die flächendeckende Ausstattung der tansanischen Insel Sansibar mit Wasserkiosken.

"Bei einem Branchentreffen in Ruanda neulich waren alle Projekte mehr oder weniger durch Geber oder die Entwicklungszusammenarbeit finanziert", sagt auch Sonja Mettenleiter von der Memminger Firma Solar Cooling Engineering. Deren kleiner, einfacher Kühlapparat mit Offgrid-PV-Stromversorgung passt bestens in ein Dorf ohne Netzanschluss. Auch dort will man Lebensmittel oder Medikamente kühlen, kann sich die Technik aber ohne finanzielle Hilfe oft nicht leisten. Der Supermarktbetreiber wiederum, der über Mittel für Investitionen verfügt, eröffnet kaum Läden in Gegenden mit niedriger Kaufkraft. Und für seine Geschäfte in den Städten braucht er vor allem effiziente, leitungsgebundene Kühltechnik.

Mit steigenden Preisen für fossile Energien gibt es allerdings zunehmend Beispiele, dass auch kapitalkräftige Kunden in – die meist solarbetriebenen – Offgrid-Lösungen investieren. "Wir haben in Afrika hauptsächlich private Kunden wie Lebensmittelproduzenten, Hotels oder Agrarunternehmen", sagt Benedikt Böhm in einem Interview. Seine Firma Dhybrid kombiniert Dieselgeneratoren und Fotovoltaikanlagen mithilfe von Batterien so, dass der Strom daraus "offgrid" verlässlich fließt.

"Hochhäuser in Addis Abeba haben Strom-Backup"

Chancen und Probleme der Vermarktung von Offgrid-Lösungen im kommerziellen Bereich zeigen sich an der Firma Lydeco in Addis Abeba. Geschäftsführer Dereje Walelign baute in seinem sechsstöckigen Haus in der äthiopischen Hauptstadt so ein System ohne Netzanschluss ein. Neben chinesischen Solarpaneelen beschaffte er dafür auch niederländische Steuerungselektronik von Victron und deutsche Hoppecke-Batterien.

Die Anlage erzeuge genügend Strom für den Eigenverbrauch, sagt Dereje Walelign, der seit 20 Jahren in der Solarbranche tätig ist, auch während der Regenzeit und wenn das Gebäude einmal voll mit Büros belegt sei. Zwar kostet Netzstrom in Äthiopien im Schnitt nur gut 4 Eurocent pro Kilowattstunde, aber: "In Addis Abeba gibt es tägliche, teils mehrstündige Stromausfälle." Deshalb habe dort jedes Haus ab vier, fünf Stockwerken jenseits einfacher Wohnsiedlungen eine eigene Notstromversorgung.

Mit seinem "Pilotprojekt" will Dereje Walelign vor allem herausfinden, ob und wie sich so ein PV-Inselsystem erfolgreich in Äthiopien vermarkten lässt. Ob also die potenziellen Kunden, die seine Anlage bereits heute interessiert begutachten, so eine Anlage für die Eigenerzeugung von Strom auch kaufen würden. Eine Einspeisung ins Netz kommt dabei angesichts der niedrigen Tarife und des Fehlens einer Einspeiseregelung in Äthiopien kaum in Frage.

Geschäft ist vielen zu mühselig

Ein Hindernis für die Erschließung des äthiopischen Marktes ist der Mangel an qualifizierten Partnern. Auch deutsche Techniklieferanten sind auf solche Leute angewiesen, die Systeme nach Kundenanforderungen entwerfen und integrieren können. So eine Tätigkeit ist aber anspruchsvoll und erfordert angesichts der unsicheren Erfolgschancen viel – auch finanzielles – Durchhaltevermögen. Auch Dereje Walelign verdient sein Geld "viel einfacher" mit seinem wesentlichen Standbein, dem Großhandel mit Taschenlampen, Ladesteckern und anderen Elektro-Standardprodukten aus China.

Der PV-Experte glaubt trotzdem an ein starkes Wachstum des Marktes für Offgrid-Lösungen in Äthiopien. Haupttreiber sei derzeit allerdings das staatliche, von der Weltbank unterstützte Programm zur Elektrifizierung. Die Geberfinanzierung ist im Falle Äthiopiens auch deshalb so wichtig, weil es angesichts des gravierenden Devisenmangels im Land kaum Dollar für die Beschaffung ausländischer Technik gibt.

Die Messe Off-Grid Expo + Conference

Die "Off-Grid" entstand aus einer Hausmesse des Memminger Systemintegrators Phaesun. "Wir brachten da ab 2011 Unternehmen mit ähnlicher Ausrichtung zusammen, um uns auszutauschen und für die Branche zu werben", sagt Geschäftsführer Tobias Zwirner. 2019 erfolgte der Umzug zur Messe Augsburg, wo die Veranstaltung auf neutralem Grund und in größerem Rahmen stattfinden konnte. Zur Fachmesse plus Konferenz Anfang Dezember 2022 trafen sich 62 Aussteller aus zwölf Ländern mit rund 900 Teilnehmern aus 27 Ländern. Angesichts der niedrig anmutenden Zahlen betont Nadja Katnani von der Messegesellschaft, dass man nirgendwo sonst zu dem Fachthema so viele Spezialisten auf einem Fleck finde.


Kontakte und Informationen

Bezeichnung

Anmerkung

Off-Grid Expo

Messe

Alliance for Rural Electrification

Branchenverband


2022 Tracking SDG7 Report


Energy Progress Report 2022

Global Electrification Platform

länderspezifische Daten für netzunabhängige und Notstromversorgung

Mini Grids for Half a Billion People: Market Outlook and Handbook for Decision Makers

Report

Off-Grid Solar Market Trends Report 2022

Report zu Solarlaternen und Solar Home Systems

Productive Use of Energy 2.0

Report mit Fokus auf ländliche Stromversorgung

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