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Albanien erlebt Tourismusboom
Noch nie strömten so viele Gäste in den Balkanstaat wie in diesem Jahr. Die Regierung will künftig vor allem mit mehr Nachhaltigkeit bei den Reisenden punkten.
23.08.2023
Von Martin Gaber | Belgrad
Albaniens Besucherzahl erlebt ein Rekordhoch. Allein im 1. Halbjahr 2023 reisten 3,4 Millionen ausländische Touristen an. Ein neuer Höchststand und ein Plus von 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, belegen die Zahlen der albanischen Statistikbehörde Instat. Für die Sommermonate erwarten Fachleute einen deutlichen Anstieg. Dabei entwickelt sich die Tourismusbranche erst seit den 2000er-Jahren. Zu diesem Zeitpunkt zählte Albanien nur rund 320.000 ausländische Gäste. Bis in die frühen 1990er-Jahre gab es durch die rigorose Abschottung unter dem kommunistischen Ministerpräsidenten Enver Hoxha fast gar keinen Tourismus. Nun wächst die Branche Jahr für Jahr deutlich.
beträgt der Anteil des Tourismus an der Wirtschaftsleistung Albaniens.
Auch die Umsätze erreichen stetig neue Höchststände: So hat die Branche im Jahr 2022 rund 3,5 Milliarden Euro eingenommen und zählte rund 7,5 Millionen ausländische Gäste. Der Tourismus trägt fast ein Viertel zur Wirtschaftsleistung des Landes bei, belegt die Studie "Tourism and Hospitality in Albania 2022" der Entwicklungsagentur der Vereinten Nationen. Dabei wird Albaniens Tourismus von Kleinst- und Kleinbetrieben gestemmt, die 90 Prozent aller Unternehmen ausmachen und 83 Prozent des Branchenumsatzes generieren.
Nachhaltiger Tourismus soll Albaniens Zukunft werden
Der beliebteste Urlaubsort bei Touristen ist nach wie vor die Küste. Diese erstreckt sich über knapp 480 Kilometer entlang der Adria und des Ionischen Meeres und ist geprägt von Sandstränden. Zu den Hauptstränden gehören Velipoja, Shëngjin, Durrës, Golem, Spille, Divjaka und Vlora. Doch die Begeisterung für Albaniens Strände hat auch Nachteile: Die Touristenströme konzentrieren sich auf nur wenige Hotspots entlang des Meeres und führen zur Überlastung von Infrastruktur, Hotels, Gaststätten und zu überfüllten Stränden in den beiden Hauptmonaten Juli und August.
Wenn es nach Tourismus- und Umweltministerin Mirela Kumbaro geht, soll Albanien in Zukunft vor allem für nachhaltigen Tourismus stehen. Im Fokus stehen Agro- und Ökotourismus. "Strände sind nicht einzigartig. Was einzigartig ist, ist das Unberührte, Unentdeckte", sagte sie gegenüber der britischen Tageszeitung "The Guardian".
Als unberührt und unentdeckt gelten Albaniens Berge. Mithilfe von Entwicklungsorganisationen haben sich vor allem die sogenannten "verwunschenen Berge" im Norden zu einem beliebten Ziel entwickelt. Zu den bekanntesten Regionen gehören die Täler um die Ortschaften Valbona und Theth. Sie sind auch Ausgangspunkt des Peaks of the Balkans Trail. Dieser verbindet auf 192 Kilometern die Länder Albanien, Montenegro und Kosovo. Das Besondere an diesem Weg ist, dass er nachhaltige Tourismuskonzepte fördert und die einheimische Landbevölkerung einbezieht. So wurden Beschäftigungsmöglichkeiten in abgelegenen Bergregionen geschaffen.
Allerdings kommt der Trail gerade in den Sommermonaten an seine Kapazitätsgrenze. Die Besucherzahlen haben sich vervielfacht. Unterkünfte sind teilweise sogar in eher abgelegeneren Dörfern ausgebucht. Damit die lokale Wirtschaft und der ländliche Tourismus weiterwachsen können, sind Alternativen notwendig. Erste sind bereits entstanden. Dazu zählen der High Scardus und der Southern Coastal Trail. Die Infrastruktur ist aber noch nicht so gut ausgebaut wie bei dem Peaks of the Balkans.
Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft
Schon die Tourismusstrategie der Regierung 2019 bis 2023 hatte naturnahe Aktivitäten als wichtige Säule fokussiert. Insbesondere die Berge bieten hierfür großes Potenzial. Neben Wandern und Trekking könnte das touristische Angebot für Bergsteigen, Mountainbiken, Kajakfahren oder Angeln besser ausgebaut werden. Das könnte die Saison vom Frühjahr bis in den Herbst verlängern. Zudem könnten Skilanglauf und Schneeschuhtouren Optionen für den Winter sein. Die vielen natürlichen und künstlichen Seen könnten für Wassersport zugänglich gemacht werden, so eine Analyse der Weltbank.
“Wir wollen umweltfreundlichen, verantwortlichen, nachhaltigen Tourismus. Keinen Tourismus, der sich nur auf wenige Gegenden konzentriert, sondern der sich auf das kulturelle Erbe, Gastronomie, Wandern, Rafting, Natur konzentriert."
Das sagt Tourismusministerin Kumbaro. Auch eine intensivere Nutzung der National- und Naturparks wäre denkbar. Diese verfügen über ungenutztes touristisches Potenzial. Allerdings stellt die fehlende Infrastruktur eine Herausforderung dar: Es gibt zu wenig Transportwege, und es mangelt an Abfallmanagement sowie touristischen Dienstleistungen.
Fahrrad- und Wassertourismus stehen noch am Anfang
Während sich das Wandern in Albanien etabliert hat, steckt der Fahrradtourismus noch in den Kinderschuhen. Mittelmeerdestinationen wie Mallorca hingegen gelten als Hochburgen für Rennradtouristen aus aller Welt. Dabei hat auch die albanische Küste einiges zu bieten: Abwechslungsreiche Landschaften und das mediterrane Klima sind eine gute Grundlage. Mittlerweile werden erste Touren angeboten.
Auch Aktivitäten rund ums Wasser wie Bootstouren, Tauchen, Angeln und andere Wassersportarten könnten der Tourismusbranche zusätzlichen Schwung verleihen und zu einer stärkeren Diversifizierung des Angebotes beitragen. Der Wassertourismus ist in Albanien ebenfalls noch unterentwickelt.
Deutsche Partner unterstützen Albanien
Entscheidende Impulse für die Entwicklung Albaniens zu einem Standort für nachhaltigen Tourismus kommen aus Deutschland. Die Organisation für Entwicklungszusammenarbeit GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) hat die ländliche Tourismusentwicklung schon im Jahr 2005 angekurbelt. Damals sind fünf Projektgasthäuser im Bergdorf Theth entstanden. Aktuell laufen mehrere GIZ-Projekte zur Tourismusentwicklung in ländlichen Regionen.
Die GIZ unterstützt die nachhaltige Tourismusentwicklung in Albanien. Aktuell laufen unter anderem Vorhaben zu folgenden Themen:
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