Branchenbericht | Aserbaidschan | Erneuerbare Energien
Aserbaidschan setzt auf mehr Ökostrom
Anlagen für erneuerbare Energien sollen bis zum Jahr 2030 rund 30 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten ausmachen. Der Südkaukasusstaat plant Solar- und Windparks.
04.02.2022
Von Uwe Strohbach | Baku
In Aserbaidschan kommt Bewegung in die Erzeugung von grünem Strom. Für die Trendwende sprechen verbesserte Rahmenbedingungen und die forcierte Einbeziehung ausländischer Investoren und Berater. Die Regierung will die Ökostrombranche zügiger als bisher voranzubringen. Bis 2030 erwartet sie landesweit neue Ökostromanlagen mit einer installierten Leistung von 1.500 Megawatt. Die anvisierten neuen Kapazitäten staffeln sich bis 2023 auf 440 Megawatt, in den Folgejahren 2024 und 2025 auf 460 Megawatt und im Zeitraum 2026 bis 2030 auf 600 Megawatt.
Grünes Wachstum steht auf der Prioritätenliste
Initiativen für grünes Wachstum und eine saubere Umwelt zählen seit Anfang 2021 zu den Prioritäten Aserbaidschans sozioökonomischer Entwicklung bis 2030. Der Ausbau regenerativer Energien hat dabei einen hohen Stellenwert. Der Südkasusstaat hat das Pariser Klimaabkommen ratifiziert. Bis 2030 soll Ökostrom ein Kohlendioxid-Äquivalent von 3,9 Millionen Tonnen reduzieren, so die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) . Nach Angaben des neuesten Reports des Global Carbon Project (GCP), eines weltweiten Zusammenschlusses von Klimaforschern, betrugen Aserbaidschans Kohlendioxidemissionen im Jahr 2020 rund 38 Millionen Tonnen.
Installierte Leistung (in MW) | Anteil an der Gesamtleistung (in %) | |
---|---|---|
Kraftwerke, insgesamt | 7.583 | 100,0 |
Konventionelle Energieträger | 6.283 | 82,9 |
Erneuerbare Energien | 1.300 | 17,1 |
Wasserkraft (inklusive 12 | 1.151 | 15,2 |
Wind (an Land) | 63 | unter 0,1 |
Photovoltaik | 42 | unter 0,1 |
Biomasse | 37 | unter 0,1 |
Hybridkraftwerk (Gobustan; Wind-, | 7 | unter 0,1 |
In der Vergangenheit verabschiedete Aserbaidschan bereits Programme für den Ausbau von Photovoltaik-, Wind- und Hybridkraftwerken. In den Jahren 2018 bis 2020 sollten Anlagen mit einer installierten Leistung von 430 Megawatt, einer durchschnittlichen jährlichen Stromerzeugung von 1,2 Milliarden Kilowattstunden und einem Projektwert von 700 Millionen US-Dollar (US$) errichtet werden. Für die Folgejahre bis 2025 war der Zubau einer Leistung von 840 Megawatt geplant.
Die Vorhaben blieben allerdings Makulatur. Ursachen sind unzureichende Regeln für die Erzeugung und Netzeinspeisung von Ökostrom, mangelhafte finanzielle Ressourcen und unzureichendes Know-how. Der Anteil von grünem Strom an der insgesamt installierten Kraftwerksleistung betrug unter Einschluss aller Wasserkraftwerke im Jahr 2020 rund 17 Prozent. Er ist gegenüber 2010 kaum gestiegen. An der landesweiten Stromerzeugung waren regenerative Energien in den Jahren 2020 und 2021 nur mit 6 Prozent beteiligt.
Trendwende für mehr grünen Strom steht bevor
Die heute deutlich verbesserten Aussichten für Ökostrom basieren auf einem Bündel Neuerungen für die Nutzung alternativer Energien.
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Ein Mitte 2021 verabschiedetes Gesetz "Zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen in der Stromerzeugung" regelt die rechtlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Grundlagen. Es ist zugleich Richtschnur für neue Fördermechanismen zur Erzeugung und Netzeinspeisung von grünem Strom. Die Auswahl der Stromerzeuger erfolgt über Ausschreibungen oder Direktvergaben. Deadline zur Festsetzung von Kriterien für garantierte Stromtarife ist das Frühjahr 2022.
Ein Informationssystem für erneuerbare Energien soll in das elektronische Regierungsportal beziehungsweise in das Dienstleistungsangebot der Single-Window-Bürgerämter ASAN (Zentren der Staatlichen Agentur für Bürgerdienste und soziale Innovationen) integriert werden. Wer in die Ökostrombranche investiert, dem winken Entlastungen bei der Einkommen-, Vermögen- und Grundsteuer sowie erlassene Zollgebühren für Technologieimporte.
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) unterstützt die Implementierung privat finanzierter Wind- und Photovoltaikparks in der Stromerzeugung mittels Auktionen. Avisiert sind Vorhaben mit einer installierten Gesamtkapazität von bis zu 1.000 Megawatt. Unter Mitwirkung der International Finance Corporation (IFC) identifizieren Arbeitsgruppen Marktchancen in der Sparte Offshore Windenergie. Erste Projekte werden zurzeit erörtert.
Die nationale Ölgesellschaft SOCAR vereinbarte Mitte 2021 mit dem französischen Energieanlagenbau-Konzern Technip Energies eine Kooperation zur Errichtung einer schwimmenden Offshore-Windkraftanlage für den Strombedarf der Öl- und Gaswirtschaft.
Energiesparte | Potenzial (in MW) | Anteil am Potenzial insgesamt (in %) |
---|---|---|
Erneuerbare Energien 1) | 26.940 | 100,0 |
Solarenergie | 23.040 | 85,5 |
Windenergie 2) | 3.000 | 11,1 |
Wasserkraft (Kleinwasserkraftwerke) | 520 | 1,9 |
Biomasse | 380 | 1,4 |
Laut einem 2019 veröffentlichten Report der Weltbank (Energy Sector Management Assistance Program der Weltbankgruppe/ESMAP und IFC) beträgt das maximale technische Potenzial der Windenergie auf dem Kaspisee 157 Gigawatt. Im Boden verankerte Windräder stehen dabei für 35 Gigawatt (Wassertiefe unter 50 Meter) und schwimmende Anlagen für 122 Gigawatt (Wassertiefe unter 1.000 Meter).
Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) unterstützt die Vorbereitung und Finanzierung eines aserbaidschanischen Pilotprojektes zur Errichtung einer schwimmenden Photovoltaikanlage. Es sieht die Installation einer 100-Kilowatt-Anlage auf dem 1.195 Hektar großen Binnensee Boyukshor (Böyük Şor) vor.
Masterplan für eine grüne Energiezone in Karabach
Ökostromprojekte sollen auch maßgeblich zur wirtschaftlichen Wiederbelebung der Ende 2020 von Armenien zurückeroberten Gebiete in der Region Karabach beitragen. Analysen zeigen, dass dort Solarpaneele mit einer installierten Leistung von bis zu 7.200 Megawatt und Windkraftanlagen mit einer Leistung von 2.000 Megawatt installiert werden könnten.
Auf die Region entfällt mit 2,5 Milliarden Kubikmeter Wasser ein Viertel der inländischen Wasserressourcen. Das Potenzial in der Photovoltaiksparte beträgt 3 bis 4 Gigawatt. Bei Wasser- und Windkraft sind es etwa 700 Megawatt beziehungsweise 500 Megawatt. Auch Geothermie (vorrangig im Landkreis Kalbadschar/Kəlbəcər) und Biomasse bieten Geschäftschancen.