Branchen | Aserbaidschan | Bauwirtschaft & Stadtplanung
Investitionen in Karabach steigen auf gut 2 Milliarden US-Dollar
Aserbaidschan forciert den Wiederaufbau der westlichen Region Karabach. Das breit gefächerte Projektportfolio bietet Liefer- und Kooperationschancen.
12.01.2023
Von Uwe Strohbach | Baku
Die Regierung Aserbaidschans treibt den Neuaufbau der Ende 2020 von Armenien zurückeroberten Gebiete in Karabach (Qarabağ) voran. Ziel ist deren zügige Reintegration in die Wirtschaft des Landes. Dafür soll zunächst die Infrastruktur wiederhergestellt werden, damit mittelfristig zehntausende Vertriebene in ihre Heimat zurückkehren können.
Karabach | Ost-Sangesur | |
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Fläche (in qkm) | 8.990 | 7.470 |
Anteil an der Landesfläche (in %) | 10,5 | 8,7 |
Einwohner (1.1.2022) | 908.000 | 345.000 |
Anteil an der Gesamtbevölkerung (in %) | 8,9 | 3,4 |
Stadtbewohner | 301.000 | 72.000 |
Landbewohner | 607.000 | 273.000 |
Bevölkerungsdichte (Einwohner/qkm) | 101 | 46 |
Kapitalzufluss von mehr als 2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 erwartet
Im Staatshaushalt für 2023 sind 1,8 Milliarden US-Dollar (US$) für den Wiederaufbau eingestellt, deutlich mehr als 2022 und 2021. Staatliche Betriebe und private Investoren könnten 2023 aus Eigenmitteln mindestens 250 Millionen US$ beisteuern. Das Finanzministerium gibt die öffentlichen und privaten Ausgaben für die befreiten Gebiete im Zeitraum 2021 bis 2023 mit insgesamt 5,7 Milliarden US$ an.
Von den öffentlichen Aufträgen für Infrastrukturprojekte profitieren auch ausländische Unternehmen. Die in den befreiten Gebieten registrierten Unternehmen können seit 1. Januar 2023 Rohstoffe und Materialien für die Produktion zollfrei importieren. Zudem übernimmt der aserbaidschanische Staat bis 2026 die kompletten Pflichtbeiträge der Unternehmen an die staatliche Sozialversicherung.
Neues Rückkehrprogramm umfasst viele Projekte
Beim geplanten Neuaufbau der beiden Wirtschaftsregionen Karabach und Ost-Sangesur (Şərqi Zəngəzur) ragt aktuell das "Erste Staatsprogramm für die Rückkehr von Binnenflüchtlingen in die befreiten Gebiete" hervor. Es wurde im November 2022 verabschiedet und läuft bis 2026. In diesem Zeitraum sollen 34.500 Familien in die Regionen zurückkommen und hier ein neues Zuhause erhalten.
Schwerpunkte des Programms sind:
- die Sanierung und der Ausbau von Transportwegen und der Versorgungsinfrastruktur sowie die Errichtung leistungsfähiger Telekommunikationsnetze,
- der Bau sozialer Einrichtungen einschließlich Wohnbauten und
- die Wiederherstellung der Agrar- und Industrieproduktion inklusive der Erkundung und Nutzung von Rohstoffvorkommen (im Landesteil gibt es 167 Lagerstätten von Steinen, Erden, Erzen und Energierohstoffen).
Projekt | Geplante Fertigstellung |
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Straße Ahmedbeyli/Əhmədbəyli-Füzuli-Schuscha/Şuşa (81,6 km) | 2023 |
Straße Chodafarin/Xudafərin-Gubadli/Qubadli-Latschin/Laçın (70,4 km) | 2023 |
Straße Schukurbayli/Şükürbəyli-Dschäbrajil/Cəbrayıl-Hadrut (39,7 km) | 2023 |
Straße Gubadli/Qubadli-Mahmudlu-Grenze zu Armenien (26,4 km) | 2023 |
Regionale Trassen, Landkreise Kalbadschar/Kəlbəcər und Latschin/Laçın (834,1 km) | 2023 |
Straße Horadiz - Dschäbrajil/Cəbrayıl - Sängilan/Zəngilan - Agbend/Ağbənd/Grenze zu Armenien (123,9 km) | 2024/2025 |
Straße Agdam/Ağdam-Füzuli (64,8 km) | 2024/2025 |
Straße Toganali/Toğanali-Kalbadschar/Kəlbəcər-Istisu (81,6 km) | 2024/2025 |
Straße Kalbadschar/Kəlbəcər-Latschin/Laçın (76,3 km) | 2024/2025 |
Innerstädtisches Straßennetz von Agdam/Ağdam | 2026 |
Bahntrasse Horadis-Agbend/Ağbənd/Grenze zu Armenien (110,4 km) | 2023 |
Bahntrasse Barda/Bərdə)-Agdam/Ağda (47,1 km) | 2023 |
Bahntrasse Füzuli-Schuscha/Şuşa (83,4 km) | Projektplanung |
Bahntrasse Dalimammadli/Dəliməmmədli-Kalbadschar/Kəlbəcər (88,8 km) | Projektfrühstadium |
Internationaler Flughafen Latschin (Laçın) | 2024 |
Moderne Städte und Landkreise sollen die Region künftig wiederbeleben: Agdam (Ağdam) wird als Industriezentrum geplant. Dschäbrajil (Cəbrayıl) soll als Handels- und Logistikzentrum auferstehen. Die Städte Schuscha (Şuşa) und Kalbadschar (Kəlbəcər) bieten touristisches Potenzial.
Errichtung eines Fotovoltaikparks in Kooperation mit BP (240 MW, Machbarkeitsstudie in Arbeit) |
Bau eines Windparks (etwa 400 MW, Projektfrühstadium, private Investitionen) |
Fertigstellung der Wasserkraftwerke Xudafərin/Chodafarin und Qiz Qalasi am Fluss Aras bis 2024/2025 (100 MW und 40 MW) |
Bau von 37 Kleinwasserkraftwerken (private Investitionen) |
Sicherung der Stromversorgung von Wohngebieten in elf Landkreisen |
Errichtung von digitalen 35-kV-Unterstationen in sechs Landkreisen |
Bau eines regionalen Gasleitungsnetzes (600 km Leitung, 10 Gasverteilungsstationen) |
Sicherung der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung/Regenwassermanagement in 97 Siedlungen |
Zur Bebauung und Bewirtschaftung der befreiten Gebiete müssen zunächst Sprengkörper entsorgt werden, die die armenische Armee bei ihrem Rückzug hinterlassen hat. Bis 2027 sollen 280.000 Hektar Boden entmint werden (Ist Ende 2022: 60.000 Hektar).
Neubau von 34.500 Wohnungen in Mehr- und Einfamilienhäusern in Städten und Dörfern |
darunter: Wohnquartiere (sozialer Wohnungsbau) und soziale Bauten in den Landkreisen Füzuli und Dschäbrajil/Cəbrayıl unter Federführung der Staatlichen Agentur für Wohnungsbau MIDA (zurzeit 71 Bauten in einer ersten Projektphase) |
weitere smarte Dörfer und smarte City Zangilan/Zəngilan (Fertigstellung des Masterplans: voraussichtlich Mai 2023) |
Sanierung/Neubau von 197 Kindergärten, allgemeinbildenden Schulen, Lyzeen und Gymnasien |
Errichtung von 9 Gebäuden für die Berufs- und Weiterbildung |
Bau eines Fußballstadiums und eines Leistungssportzentrums |
Errichtung von 49 Ärztehäusern nach dem Hausarztprinzip sowie 29 Kliniken in Städten und Dörfern |
Bau von jeweils 8 Landkreis-Krankenhäusern und Zentren für Hygiene und Epidemiologie |
Errichtung jeweils einer Klinik für Psychiatrie und Onkologie, eines regionalen Perinatalzentrums und eines Militärkrankenhauses |
Bau von Spezialkliniken (Tuberkulose/Suchtmedizin), Filialen für Notfallmedizin und Regionalabteilungen für forensische Medizin und pathologische Anatomie |
Lokale Gewerbeparks heißen erste Investoren willkommen
Bewegung kommt in die neuen Gewerbeparks in den Landkreisen Agdam (Ağdam) und Dschäbrajil (Cəbrayıl). Dort genießen Firmen Steuer- und Zollpräferenzen. Die dem Wirtschaftsministerium unterstehende Entwicklungsagentur für Wirtschaftszonen (EZIA) erwartet hier mittelfristig einen Kapitalzufluss von etwa 150 Millionen US$.
Im Industriegebiet Agdam mit einer Fläche von 109 Hektar haben sich bisher elf Unternehmen registriert (Stand: 1. Dezember 2022). Deren Geschäftsfelder sind Automatisierung und Telematik für die Bahn (Rail Trans Service MMC), Stahlbeton- und Betonerzeugnisse (Veliev MMC, Yüksəl Beton MMC), Dachmaterialen (Prof-Dam MMC), Metallprofile/Lageregale (Agah Group MMC), Spezialbekleidung (Ağtekstil MMC) und synthetische Teppiche (Dadaş-N MMC).
Die an der Grenze zum Iran gelegene Wirtschaftszone Aras-Tal umfasst eine Gesamtfläche von 200 Hektar. Hier sind sechs Unternehmen registriert: Die Gesellschaft Prestij Kimya MMC will Desinfektions-, Bleich- und Flüssigwaschmittel produzieren. Das russisch-aserbaidschanische Unternehmen KAMAZ Leasing bietet technische Dienste für Lkws und Landtechnik an.
Regionaler Agrarpark feierlich eröffnet
Im Landkreis Sängilan (Zəngilan) nimmt der neue digitale Agrarpark Dost Konturen an. In dieses private aserbaidschanisch-türkische Projekt sollen bis zu 100 Millionen US$ fließen. Es umfasst die Errichtung einer Wertschöpfungskette in der tierischen Produktion, den Anbau pflanzlicher Kulturen und neue Lagerkapazitäten. Angepeilt ist ein Rinderbestand von bis zu 10.000 Stück Vieh. Der Aufbau weiterer regionaler Agrarparks ist geplant.
Vom 19. bis 21. Oktober 2023 wird in Baku zum dritten Mal die internationale Ausstellung für den Wiederaufbau Karabachs „Rebuild Karabakh“ abgehalten. Veranstalter ist Caspian Event Organisers. Die Ausstellung findet parallel zur aserbaidschanischen Leitmesse für die Bauwirtschaft BakuBuild (28. Jahrgang) und zu den Fachmessen Aquatherm (Heizung, Klima, Sanitär, Bad & Design und erneuerbare Energien; 15. Jahrgang) und Roadtraffic (Straßeninfrastruktur und öffentlicher Transport; 11. Jahrgang) statt. Im Herbst 2022 beteiligten sich am Messetrio BakuBuild/Aquatherm/RebuildKarabakh 323 Firmen aus 17 Ländern. |
Grundlage für Wiederaufbau ist nachhaltige politische Lösung
Voraussetzung für eine stabile sozioökonomische Entwicklung der gesamten Region Karabach ist eine für die aserbaidschanische und die armenische Seite akzeptable politische Lösung. Nur unter dieser Voraussetzung kann verstärkt Auslandskapital in Wiederaufbauprojekte fließen.
Doch die Waffenruhe ist brüchig. Die Spannungen in der Konfliktregion haben sich in den letzten Monaten zugespitzt. Die Friedensverhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan stocken.
Bezeichnung | Anmerkung/Zuständigkeitsbereich |
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Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft | |
Deutsch-Aserbaidschanische Auslandshandelskammer (AHK Aserbaidschan) | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Azerbaijan Export and Investment Promotion Foundation (AZPROMO) | Gesellschaft für Investitions- und Exportförderung, One-Stop-Shop-Dienstleister für potenzielle Investoren |
Agentur für die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen (KOBİA) | Unternehmensförderung einschließlich Unterstützung bei der Projektfinanzierung |
Agentur für Straßenwesen (AAYDA) | Straßenbau |
Gleisbau | |
Aserbaidschanische Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines (AZAL) | Betreiber von zwei neuen Flughäfen in der Region Karabach, dritter Flughafen geplant |
Stromerzeugung und -übertragung (öffentlich finanzierte Projekte) | |
Stromverteilung (vorrangig Installation von Kabeln im Spannungsbereich 0,4 bis 35 Kilovolt und Transformatoren) | |
Gasversorgung | |
Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung | |
Projekte im Agrarsektor einschließlich der Initiative für die Errichtung smarter Dörfer | |
Gesellschaft für Melioration und Wasserwirtschaft Azmelsuteserrüfat AG | Bewässerung und Wasserspeicher |
Staatliche Agentur für Wohnungsbau MIDA | sozialer Wohnungsbau (inklusive Infrastruktur) |
Gesundheitsfürsorge/medizinische Einrichtungen | |
Agentur für die Entwicklung von Wirtschaftszonen EZIA (Struktureinheit des Ministeriums für Wirtschaft) | Ansprechpartner für öffentlich geförderte Wirtschaftszonen, Gewerbegebiete und Agrarparks |