Special | Aserbaidschan | Start-ups
Frischer Wind für Start-ups
Die aserbaidschanische Start-up-Szene verfügt über ein großes, aber noch wenig genutztes Ausbaupotenzial. Eine neue Innovationsagentur soll Schwung in Firmengründungen bringen.
03.02.2022
Von Uwe Strohbach | Baku
Aserbaidschans Gründerszene befindet sich noch im Aufbau. Sie hinkt der Entwicklung in vielen anderen GUS-Republiken noch ein gutes Stück hinterher. Doch es gibt Anzeichen für einen Aufholprozess. Hiervon zeugen:
- neue öffentliche Förderinitiativen für Start-ups, die ein breiteres Branchenspektrum abdecken,
- eine zunehmende Zahl von lokalen Teilnehmern an nationalen und internationalen Gründerwettbewerben und Acceleratorprogrammen,
- ein wachsendes Interesse ausländischer Start-up-Förderer und -Geldgeber am lokalen Gründerpotenzial und
- feste Zusagen für bessere Rahmenbedingungen für Jungunternehmer einschließlich klarer Regeln für die Gründung und Geschäftstätigkeit von Venture Capital Fonds.
Gegenwärtig gibt es im Land schätzungsweise um die etwa 200 aktive Start-ups. Die meisten Gründer in Aserbaidschan sind zwischen 20 und 35 Jahre alt und haben einen Hochschulabschluss.
Start-ups befinden sich größtenteils in der Seed-Phase
Von den aktiven Start-ups befindet sich der weit überwiegende Teil in zwei Anfangsstadien:
- Ideenfindung und Entwicklung eines Geschäftsmodells oder
- in der Minimum-Viable-Product-Phase (kleinstes realisierbares Produkt).
Nur einige wenige Akteure haben die Wachstumsphase erreicht. Eine der Hauptgründe sind mangelnde finanzielle Ressourcen für eine Weiterentwicklung und Expansion.
Hauptfelder der Start-up-Industrie sind die Sektoren:
- FinTech (digitale Zahlungsdienste, Internet und Open Banking Services)
- E-Commerce (B2B-Software, B2C-Anwendungen und Retail)
- Lieferdienste, EduTech (digitale Bildungsplattformen)
- digitale Produkte für die Tourismus-, Freizeit- und Kreativwirtschaft,
- AgroTech (inklusive Smart Farming)
- MedTech (E-Health)
Aserbaidschans Gründungsszene konzentriert sich fast ausschließlich auf die Hauptstadt Baku mit ihren offiziell 2,3 Millionen Einwohnern. Nur wenige Start-ups gibt es in den jeweils rund 340.000 Bewohner zählenden Städten Gandscha (Gəncə) und Sumgait (Sumqayıt).
Digitalisierungsoffensive kurbelt Start-up-Projekte an
Die Anzahl der Unternehmensgründungen, die sich im Querschnitt der Digitalisierung bewegen, zeigt besonders dynamisch nach oben. Die Firmen und Projektentwickler profitieren von Konzepten der Regierung für den Ausbau der Digitalwirtschaft. Die Zentralbank Aserbaidschans will neue Plattformen für das Open Banking unterstützen. In den kommenden vier bis fünf Jahren sollen in allen nationalen Kreditinstituten sichere Systeme für ein offenes und kundenzentriertes Ökosystem eingeführt werden.
Drei Fünftel der lokalen Unternehmen wollen mittelfristig mehr in die digitale Transformation investieren. Dies zeigt die jüngste Neuauflage der Studie CEO Survey Azerbaijan von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) Azerbaijan. Die Untersuchung aus dem Jahr 2021 basiert auf einer Befragung unter 120 CEOs (Geschäftsführern) bedeutender lokaler privater und staatlicher Unternehmen.
Neue Investitionsagentur will innovative Geschäftsmodelle voranbringen
Im Kompetenzbereich des im Herbst 2021 neu aufgestellten Ministeriums für digitale Entwicklung und Transport sind Agenturen für die Geschäftsbereiche Digitalisierung, Innovation sowie Informations- und Kommunikationstechnologien gestartet. Die Agentur für Innovation und digitale Entwicklung vereint drei zuvor eigenständige staatliche Förder- und Entwicklungsinstitute (Innovationsagentur, Forschungszentrum für Hochtechnologie und Nationales Zentrum für Atomforschung).
Ihr wichtigster Geschäftsbereich ist die Unterstützung und Finanzierung von innovativen und technologieorientierten Forschungs- und unternehmerischen Projekten. Mit der Agentur für Informations- und Kommunikationstechnologien hat Aserbaidschan erstmals eine staatliche Regulierungsbehörde für die Überwachung der mobilen und kabelgebundenen Breitbandkommunikation und von IKT-Diensten in entfernten Regionen. Sie ist auch für die Zertifizierung und Qualitätskontrolle der Telekommunikationsanbieter zuständig.
Inkubator- und Acceleratorprogramme unterstützen Start-ups
In Aserbaidschans Hauptstadt gibt es eine überschaubare Anzahl an Acceleratoren und Inkubatoren, die Start-ups in ihrer Frühphase unter die Arme greifen. Das Bakuer Inkubator- und Acceleratorzentrum Innoland zählt zu den führenden Einrichtungen, die Jungunternehmen mit innovativen Geschäftsideen unterstützen. Es wurde 2018 gegründet und ist bei der Staatlichen Agentur für öffentliche Dienste und soziale Innovationen angesiedelt. Jungen Projektentwicklern und Firmen bietet es ein breites Spektrum an Fördermaßnahmen.
Anlaufstelle/Förderprogramm | Profil/Anmerkungen |
---|---|
Inkubator- und Acceleratorzentrum Innoland Baku und regionale Zweigstellen (Start-up-Förderzentrum des Innovationszentrums der Staatlichen Agentur für öffentliche Dienste und soziale Innovationen/ASAN) | mehrmonatige Accelatorprogramme (auch für im Ausland ansässige Gründer/Azerbaijan Innovation House/Silicon Valley, USA), Inkubator, Mentoring, Workshops, Hilfe bei der Suche nach Finanzierungsquellen |
Inkubator- und Acceleratorzentrum SABAH.lab (Start-up-Förderzentrum des Instituts für Bildung Aserbaidschan) | mehrmonatige Acceleratorprogramme, Inkubator, Mentoring, Workshops, Hilfe bei der Suche nach Finanzierungsquellen |
Social Innovation Lab (Sil.VC) | Programme Newspace Accelerator und Campus Ambassador, Monitorig, Workshops, Partner internationaler Gründerwettbewerbe (Creative Business Cup, Climate Launchpad, Future Agro Challenge) |
mehrmonatige Acceleratorprogramme, Inkubator, Mentorig, Workshops, Hilfe bei der Suche nach Finanzierungsquellen, Programmdauer 2 bis 6 Monate | |
mehrmonatige Acceleratorprogramme, Mentoring, Workshops, Partner der Young Transatlantic Innovation Leaders Initiative | |
FasterCapital (virtueller Accelerator und Inkubator mit Hauptsitz in der Dubai Internet City/VAE, aserbaidschanische Niederlassung) | mehrmonatige Acceleratorprogramme, Inkubator, Beratung mit Fokus auf die Sektoren FinTech, EduTech, Software, B2B, KI, Medien und Entertainment |
Barama Innovation and Entrepreneurship Center des Telekommunikationsunternehmens Azercell | Startup Inkubator, seit 2018 unter dem Dach der Agentur für Innovation und digitale Entwicklung |
Innovationsprogramm für Unternehmen, Behörden und Universitäten (Acceleratorprogramme) | |
Health & Science Initiatives Center | Unterstützung von Start-ups in der Gesundheitswirtschaft |
Startup Grind Baku hub, Startup Grind Gandscha/Gəncə | Filialen der globalen Gründer-Community Startup Grind, Fachveranstaltungen/Workshops, Mentoring |
Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) unterstützt mit Geldern aus dem e-Asia and Knowledge Partnership Fund im Zeitraum 2021 und 2022 ein Projekt für die Ausweitung der Inkubator- und Accleratordienste von Innoland in den Regionen Aserbaidschans. Die Mittel fließen in die Förderung von Start-ups in zwei Universtäten in Gandscha/Gəncə (Staatliche Universität Gandscha und Aserbaidschanische Staatliche Landwirtschaftliche Universität) und in eine regionale Innoland-Zweigstelle in Scheki (Şəki).
Unter den neuen Akteuren der Start-up-Förderung ist vor allem das im Herbst 2021 mit Unterstützung des Bildungsministeriums unter dem Dach des Instituts für Bildung Aserbaidschans gegründete Accelerator- und Inkubatorzentrum Sabah Lab zu nennen. Hauptpartner der sechsmonatigen Bildungs- und Projektentwicklungsprogramme ist die IE Business School, Madrid/Segovia (Spanien). Die Auswahl der Programmteilnehmer erfolgt über ein Onlinebewerbungsverfahren. Die Teilnehmer können mit einer Finanzspritze für ihre Entwicklungsprojekte rechnen (umgerechnet etwa 15.000 US$).
Der Ausbau bestehender und die Errichtung neuer Kontaktstellen für Innovations- und Start-up-Services hat in den letzten zwei Jahren spürbar zugenommen. Der Weg zu einem effizienten Fördersystem ist allerdings noch weit. Unter den aktuellen Förderinitiativen sind unter anderem zu nennen:
|