Branchen | Australien | Elektromobilität
Absatz von Elektroautos zu gering, um Klimaziele zu erreichen
Der Markt für Elektrofahrzeuge in Australien wächst — aber nicht schnell genug für die Erreichung der Klimaziele. Neue Emissionsgrenzwerte sollen dem Absatz Dynamik verleihen.
22.08.2023
Von Heiko Stumpf | Sydney
Die Absatzentwicklung von Elektrofahrzeugen in Australien wirkt zunächst positiv: im 1. Halbjahr 2023 stiegen die Verkaufszahlen um 269 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode an. Mit über 46.600 Einheiten wurde sogar der Gesamtabsatz des Jahres 2022 übertroffen.
Trotzdem bleibt Down Under ein Nachzügler in Sachen E-Mobilität. Mit dem von Elektroautos erreichten Marktanteil von 8,4 Prozent (gemessen am Kfz-Absatz des 1. Halbjahres 2023) hinkt Australien den führenden Nationen deutlich hinterher. Deutschland erreichte in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 bereits einen Wert von 21,5 Prozent. Im EU-Durchschnitt betrug der Elektroanteil rund 20 Prozent.
Der Antriebswende fehlt die erforderliche Dynamik
Auch der weitere Fortschritt dürfte ohne grundlegende Marktreformen nur schleppend verlaufen. Der Electric Vehicle Council (EVC) erwartet, dass Elektrofahrzeuge bei gleichbleibenden Bedingungen bis 2030 lediglich einen Marktanteil von etwa 21 Prozent erobern werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Marktforschungsinstitut Fitch Solutions. Für das Jahr 2032 wird eine Verkaufszahl von rund 247.600 elektrischen Pkw prognostiziert, was einer Marktdurchdringung von etwa 18 Prozent entspräche (im Verhältnis zum erwarteten Pkw-Absatz).
Das geringe Tempo bei der E-Mobilität reicht für die versprochenen Klimaschutzbemühungen nicht aus. Bis 2030 will die Regierung einen Rückgang der Treibhausgasemissionen um 43 Prozent gegenüber dem Wert von 2005 erreichen. Dem Verkehrssektor kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu. Dessen Beitrag zum jährlichen Treibhausgasausstoß lag zuletzt bei rund 17 Prozent, wovon über 60 Prozent auf den motorisierten Straßenverkehr entfielen. Nach Ansicht von Marktexperten müssen mehr als die Hälfte aller im Jahr 2030 verkauften Neuwagen elektrisch fahren, damit Australien seine Klimaziele erreichen kann.
Neben Russland ist Australien das einzige industriell entwickelte Land, das bisher keine gesetzlichen Vorgaben für die Emissionswerte von Kraftfahrzeugen erlassen hat. Der durchschnittliche Ausstoß von Kohlendioxid (CO₂) neu zugelassener Pkw ist in Australien deshalb um bis zu 40 Prozent höher als in der EU. Zur Jahresmitte 2023 waren zwar 91 elektrische Pkw-Modelle erhältlich, viele jedoch nur in geringer Menge, was zu Wartezeiten führt.
Neue Emissionsgrenzen sollen den Markt in Gang bringen
Mit der im April 2023 vorgestellten "National Electric Vehicle Strategy" will die Regierung nun Abhilfe schaffen. Kernpunkt ist die Einführung von sogenannten "Fuel Efficiency Standards" bis zum Jahresende 2023. Die geplanten Regelungen sollen dabei CO₂-Grenzwerte auf der Basis von Flottendurchschnittsemissionen enthalten. Neben Pkw werden auch leichte Nutzfahrzeuge erfasst.
"Die konkrete Ausgestaltung der Standards ist für die zukünftige Marktentwicklung von entscheidender Bedeutung", meint Jafari. Der EVC plädiert deshalb für möglichst strenge Vorgaben, die bis 2030 mit den Emissionsgrenzen der EU gleichziehen. Für neue Pkw würde dies einen rechnerischen CO₂-Grenzwert von 43 Gramm je Kilometer bedeuten (Durchschnittlicher Emissionswert 2022: 140 Gramm CO₂ pro Kilometer). Erreichbar wäre dies nur durch einen weitgehenden Umstieg auf Elektroantriebe. Dadurch könnte der Anteil von Elektrofahrzeugen an den Neuverkäufen auf 54 Prozent steigen.
Ein erster Gesetzentwurf für die geplanten Emissionsgrenzwerte könnte im September oder Oktober 2023 veröffentlicht werden. Ein Inkrafttreten dürfte frühestens 2024 erfolgen.
Kaufprämien für Elektroautos sind Sache der Bundesstaaten
Direkte finanzielle Zuschüsse für den Kauf von Elektroautos plant die nationale Regierung in Canberra hingegen nicht. Um die Preise erschwinglicher zu machen, werden importierte Fahrzeuge im Rahmen des "Electric Car Discount" jedoch von Einfuhrzöllen befreit.
In Deutschland gebaute Elektroautos sind damit zwischenzeitlich gegenüber Verbrennern besser gestellt. Die Verhandlungen über ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen Australien und der EU könnten bis Ende 2023 abgeschlossen werden. Bis zum Inkrafttreten dieses Abkommens sind auf deutsche Verbrennerautos noch Einfuhrabgaben fällig.
Zudem entfällt seit Juli 2022 die mit 47 Prozent sehr hohe "Fringe Benefits Tax". Mit dieser wird ein vom Arbeitgeber gewährter geldwerter Vorteil besteuert. Durch die Besserstellung dürfte insbesondere der Markt für elektrische Firmenwagen angekurbelt werden. Beide Maßnahmen gelten jedoch nur für Fahrzeuge mit einem maximalen Listenpreis von bis zu 84.619 Australischen Dollar ($A). Die Clean Energy Finance Corporation vergibt zudem zinsvergünstigte Darlehen für den Erwerb von Elektroautos.
Einzelne australische Bundesstaaten gehen einen Schritt weiter und vergeben Kaufprämien. In Queensland wird seit dem 1. Juli 2023 ein Betrag von 6.000 $A (entspricht circa 4.170 US-Dollar) gewährt. Auch in New South Wales, South Australia und Western Australia werden Zuschüsse gezahlt. Victoria stellte die Kaufprämie überraschend zum 30. Juni 2023 ein.
Flottenbetreiber arbeiten an der Elektrifizierung
Verstärkte Anstrengungen gibt es zur Umrüstung großer Kfz-Flotten. Im Rahmen des "Electric Vehicle Fleet Incentive" stellt der Bundesstaat New South Wales interessierten Betreibern Fördermittel in Höhe von umgerechnet rund 73 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Bis 2030 wird auch die aus insgesamt 12.000 Pkw bestehende Regierungsflotte elektrifiziert. Durch die "Zero Emission Bus Strategy" sollen bis 2030 auch die rund 4.000 Busse des Nahverkehrs im Großraum Sydney emissionsfrei unterwegs sein.