Wirtschaftsumfeld | Australien | Verhandlungspraxis
Regeln für den Geschäftskontakt
In Australien ist die Arbeitsatmosphäre sehr freundlich und entspannt. Die weite Verbreitung virtueller Kommunikationsmittel erleichtert den Kontakt zum anderen Ende der Welt.
20.01.2023
Von Heiko Stumpf | Sydney
Die australischen Umgangsformen sind für deutsche Verhältnisse ausgesprochen locker. Schon beim ersten Treffen oder beim ersten Mailkontakt wird man mit dem Vornamen angesprochen. Die australische Geschäftskultur ist eine Mischung aus förmlichen, konservativen britischen Gepflogenheiten gepaart mit den egalitären Prinzipien skandinavischer Länder und der dynamischen, innovativen Herangehensweise in den USA. Dazu kommt die allen Australiern innewohnende Freundlichkeit.
Genauso wichtig ist die Bereitschaft, Teil des Teams zu sein und mit den Kollegen einen respektvollen Umgang auf Augenhöhe zu pflegen. Die Hierarchien in australischen Unternehmen sind flach. Führungskräfte vermeiden den Eindruck, über den Mitarbeitern zu stehen. Jeder im Team ist gleich wichtig für den Erfolg der Gruppe und wird ermuntert, regelmäßig seine Meinung zu äußern.
Antidiskriminatorische Verhaltensweisen am Arbeitsplatz sind per Gesetz geregelt. Sensibilität ist wichtig. Es sollte niemals in Bezug auf Herkunft, Religion oder sexuelle Orientierung geurteilt werden.
Kontaktaufnahme kann virtuell erfolgen
Aufgrund der weiten Entfernung und langen Reisezeiten eignen sich elektronische Kommunikationsmittel wie E-Mail für die Kontaktaufnahme. Videokonferenzen sind fest im Arbeitsalltag etabliert und können gut für die Anbahnung und Pflege von Geschäftsbeziehungen genutzt werden.
Eine telefonische Kontaktaufnahme mit bisher unbekannten Gesprächspartnern führt nicht immer zum Erfolg, denn oft kommt man nicht am Office Manager vorbei. Sollte der Erstkontakt per E-Mail erfolgen und nicht innerhalb einer Woche beantwortet werden, sollte telefonisch nachgehakt werden. Der E-Mailverkehr ist in Australien unverbindlicher als in Deutschland – bleiben schnelle Antworten aus, wurde das Anliegen vielleicht übersehen oder missverstanden.
Geschäftstermine können etwa einen Monat im Voraus vereinbart und einige Tage vor dem Termin bestätigt werden. Insgesamt ist der Geschäftsalltag in Australien kurzfristiger organisiert als in Deutschland. Eine nur knappe Antwort bedeutet kein Desinteresse.
Gerne nutzen Australier Social-Media-Plattformen wie LinkedIn, um sich beruflich zu vernetzen und auszutauschen. Diese bieten eine gute Möglichkeit, um direkt mit Entscheidungsträgern in Kontakt zu treten. Ebenso eignet sich der Besuch von Fachmessen und -kongressen zur ersten Kontaktaufnahme mit Unternehmen. Beim Herstellen eines ersten Kontakts zu potenziellen Geschäftspartnern kann die Deutsch-Australische Industrie- und Handelskammer (AHK) Hilfestellung leisten.
Ablauf von Besprechungen
Gespräche beginnen meist mit Small Talk, wobei es oft um Sport geht. Im sportbegeisterten Australien werden vier unterschiedliche Arten von "Football" gespielt. In Melbourne, Adelaide und Perth ist Australian Football ("Aussie Rules") beliebt. In Sydney und Brisbane konzentriert sich das Interesse hingegen auf Rugby League ("Footy") und Rugby Union. Auch Soccer erfreut sich einer wachsenden Anhängerschaft. Es kann nicht schaden, sich im Vorfeld von Besprechungen über aktuelle Sportereignisse zu informieren.
Auf Pünktlichkeit wird Wert gelegt. Meetings am Freitagnachmittag sind nicht gerne gesehen. Geschenke sind nicht notwendig und werden auch nicht erwartet. Visitenkarten sind immer am Anfang des Gesprächs zu verteilen. Das ist hilfreich, damit Australier deutsche Namen und Adressen korrekt wiedergeben können.
In der Regel gelten Businessmeetings als eine Art offenes Forum, in dem Gedanken ausgetauscht werden. Wenn man zu sehr versucht, seine Agenda abzuarbeiten, kann der Eindruck entstehen, dass man anderen seine Meinung aufzwingen möchte. Man sollte alle beim Gespräch anwesenden Mitarbeiter wenigstens einmal direkt ansprechen.
Australier arbeiten mit Fakten, sind preisbewusst und kalkulieren genau. Deutsche Unternehmen sollten den lokalen Wettbewerb kennen und Vorteile des eigenen Angebots oder eine langfristige Kosten-Nutzen-Kalkulation klar aufzeigen können. Auch ein After-Sales-Service vor Ort ist oft entscheidend, um einen Auftrag zu gewinnen. In der Regel werden schnelle Ergebnisse erwartet, der Planungshorizont ist kurzfristig. Es besteht aber auch die Bereitschaft, Risiken einzugehen und Dinge auszuprobieren.
Aufträge werden häufig über Referenzen und persönliche Kontakte im geschäftlichen Netzwerk vermittelt. Daher sind bestehende lokale Referenzen Gold wert. Diese sollte man unbedingt im Gespräch erwähnen, wenn sie relevant für den Gesprächskontext sind.
Unbedingt ist ein schriftliches Follow-up zu machen, um Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit zu signalisieren. Die eigenen Firmenunterlagen sollten im Nachgang des Gesprächs am besten digital weitergeleitet werden. Falls von australischer Seite konkretes Feedback versprochen wurde, kann man dieses im Anschluss noch einmal schriftlich anfragen.
Geschäftsessen
Geschäftsessen gelten als gute Gelegenheit, bestehende Kontakte zu vertiefen. Sie finden häufig zur Mittagszeit statt und können zwei Stunden oder länger dauern. Alkohol zum Lunch ist nicht verboten, man sollte es jedoch bei einem Glas Wein oder Bier belassen.
Beim gemeinsamen Essen sollte man zumindest bis zur Vorspeise keine geschäftlichen Details besprechen, sondern Gemeinsamkeiten abstecken. Es kommt nicht gut an, wenn man direkt nach dem Hinsetzen zum Punkt kommt. Denn dann bekommt der Gesprächspartner den Eindruck, dass man diesen Termin schnell hinter sich bringen möchte.
Die Rechnung wird in der Regel von dem Einladenden bezahlt. Getrennte Rechnungen sind unüblich. Wer die Rechnung komplett übernehmen möchte, sollte dies vorher ankündigen, um eventuelle Diskussionen später zu vermeiden. Freizeitlook ist nicht angebracht, Australier kleiden sich im beruflichen Alltag gut und konservativ.
Trinkgeld ist nicht zwingend notwendig, liegt jedoch meist bei etwa 10 Prozent der Rechnungssumme. Im Pub oder in einer Bar wird abwechselnd eine Runde ("Shout") bezahlt. Australier gehen regelmäßig mit den Kollegen aus, das gehört zur entspannten Arbeitsatmosphäre.