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Auf der Suche nach dem richtigen Mix

Bangladesch produziert mehr Strom als es benötigt, allerdings aus fossilen Brennstoffen. Die Solarkraft soll ausgebaut werden, dafür werden maßgeschneiderte Lösungen benötigt.

Von Boris Alex | New Delhi

Bangladesch hat bei der Stromerzeugung in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte erzielt. Die 2008 auf den Weg gebrachten Reformen ebneten den Weg für einen raschen Ausbau der Energieversorgung. Vor allem die Öffnung für private Investoren hatte für einen gewaltigen Schub beim Bau neuer Kraftwerke gesorgt. Beliefen sich die Stromkapazitäten 2009 noch auf knapp 5 Gigawatt, waren im Mai 2022 Anlagen mit einer technischen Leistung von 22 Gigawatt am Netz - bis 2030 dürften es mehr als 40 Gigawatt sein. Etwas mehr als 1 Gigawatt entfallen auf Importstrom; das Land hat seit 2013 einen Einfuhrvertrag mit Indien. Bangladesch erzeugt seinen Strom fast ausschließlich aus Gas, Öl und Kohle.

Regierung setzt noch auf Kohle und Gas

Die Regierung hatte sich 2016 in ihrem überarbeiteten Masterplan für den Energiesektor (Power System Master Plan) zum Ziel gesetzt, die Kapazitäten bis 2041 auf mindestens 50 Gigawatt auszubauen, um mit dem wachsenden Bedarf Schritt halten zu können. Bis dahin soll der Strombedarf auf mehr als 80 Gigawatt in der Spitze steigen, prognostiziert das Ministry of Power, Energy and Mineral Resources. Mehr als 130 Milliarden US-Dollar will die Regierung bis 2041 in den - hauptsächlich schnellen und kostengünstigen - Ausbau des Sektors stecken. Klimaschutz spielt bislang keine Rolle.

Zurzeit befinden sich sieben Kohlekraftwerke mit einer Leistung mit insgesamt 7 Gigawatt sowie acht Gas- und Flüssiggaskraftwerke mit 1,6 Gigawatt im Bau. Der Großteil davon dürfte bis Ende 2024 fertiggestellt werden. Darüber hinaus wird voraussichtlich 2025 Bangladeschs erster Atomreaktor mit einer Kapazität von 1,2 Gigawatt ans Netz gehen. Weitere fünf Gaskraftwerke mit fast 9 Gigawatt Leistung sind in Planung. Der Großteil der Vorhaben wird vom Privatsektor in Kooperationen mit China oder Indien realisiert. Ursprünglich hatte die Regierung sogar den Bau von 18 neuen Kohlekraftwerken genehmigt, verkündete dann aber vor der Pariser Klimakonferenz 2015, dass davon nur acht realisiert werden.

Stromproduktion übersteigt Bedarf bei Weitem

Bereits heute produziert das Land viel mehr Elektrizität als benötigt wird. Im Finanzjahr 2020/2021 (1. Juli bis 30. Juni) lag der Bedarf in der Spitze bei knapp 14 Gigawatt. Über die gesamte Periode waren die Kraftwerke im Schnitt nur zu 40 Prozent ausgelastet, so eine Analyse des Institute for Energy Economics and Financial Analysis. Die Denkfabrik geht davon aus, dass die Auslastung bis 2025 um weitere 5 Prozentpunkte sinken wird, falls alle künftigen Kraftwerke ans Netz gehen.

Die Stromnachfrage wird in den nächsten Jahren noch nicht mit dem Kapazitätsausbau Schritt halten. Zwar hat sich seit 2009 die Zahl der Haushalte mit Stromanschluss auf rund 43 Millionen fast vervierfacht - womit etwa 77 Prozent der rund 170 Millionen Einwohner Zugang zu Strom haben. Vor allem in den ländlichen Regionen sind aber viele Haushalte noch nicht an das Netz angeschlossen.

Vom siebten Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals), die Bevölkerung flächendeckend mit Strom zu versorgen, ist das Land noch Jahre entfernt. Der Flaschenhals ist dabei vor allem das Stromübertragungs- und -verteilungsnetz, das in den kommenden Jahren modernisiert und ausgebaut werden muss.

Klimaschutzziele sind eine Herausforderung

Eine weitere Herausforderung sind die 2021 verkündeten Klimaschutzziele "National Determined Contributions". Darin hat sich die Regierung dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Reduktion des CO₂-Ausstoßes zu ergreifen. Dadurch sollen die Emissionen im Jahr 2030 knapp 7 Prozent unter denen eines „Business-as-usual“-Szenarios liegen. Statt 409 Millionen Tonnen würden dann nur 382 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen. Falls Bangladesch finanzielle und technische Unterstützung von Industrieländern erhalten sollte, läge das Reduktionsziel bei 15 Prozent unter „Business-as-usual“ und würde sich damit um weitere 62 Millionen Tonnen CO₂ reduzieren.

Die Energieerzeugung ist mit einem Anteil von 34 Prozent am gesamten CO₂-Ausstoß Bangladeschs der größte Verursacher von Treibhausgasen. Die Emissionen ließen sich beispielsweise durch einen höheren Wirkungsgrad der bestehenden und geplanten Gas- und Kohlekraftwerke sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien verringern. Als konkrete Maßnahmen sollen bis 2030 ineffiziente Kohlekraftwerke durch moderne Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke mit einer Leistung von 3,2 Gigawatt ersetzt werden. Zudem sollen die netzgebundenen Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien auf 912 Megawatt vervierfacht werden.

Mehr Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft

Entsprechend den Vorgaben des Masterplans für den Energiesektor sollten erneuerbare Quellen bereits 2020 einen Anteil von 10 Prozent an den Gesamtkapazitäten haben. Im Juni 2022 war es aber gerade einmal 1 Prozent. Das 10-Prozent-Ziel wurde nun auf 2030 verschoben. Es ist auch nur realisierbar, wenn die Industrieländer dabei technische und finanzielle Unterstützung leisten. Konkret soll bis dahin Strom aus über 2.300 Megawatt Solar, 1.000 Megawatt Wasser, fast 600 Megawatt Wind sowie mehr als 180 Megawatt Biogas, -masse und Abfall erzeugt werden. Im Juni 2022 hingen nicht einmal 230 Megawatt Solarstrom am Netz.

Die Ausbauziele gelten als ambitioniert, sind aber nicht unerreichbar. Allerdings kommt man mit Lösungen von der Stange in Bangladesch nicht weit. Fotovoltaik-Freiflächenanlagen sind mangels verfügbarer Landmasse schwierig zu realisieren. Aufdachanlagen sind eine weit verbreitete und etablierte Technologie - allerdings bislang nur netzunabhängig. Inzwischen wurden Solar-Heimsysteme mit einer Leistung von 350 Megawatt installiert. Die Möglichkeit, größere Anlagen beispielsweise auf Fabrikdächern zu installieren, wird noch kaum genutzt. Auch bei der Windkraft steht das Land am Anfang. Für 2022 hat die Regierung ein Update ihres Masterplans angekündigt, und die Branche hofft auf zusätzliche Anreize für den Ausbau der Wind- und Solarkraft.

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