Portal 21 Belgien
Limosa-Erklärung zum Teil europarechtswidrig
Seit 2007 müssen sich selbständige Dienstleistungserbringer, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Belgien niedergelassen sind, in Belgien registrieren und ein Konto einrichten. Sie müssen den belgischen Behörden grundsätzlich jedes Mal, bevor sie eine Dienstleistung in Belgien erbringen wollen, detaillierte Informationen (z.B. Zeitpunkt, Ort und Dauer der Dienstleistung; Art und Identität des Dienstleistungsempfängers) zur Verfügung stellen. Dieses Prozedere ist auch unter dem Namen Limosa-Erklärung bekannt und im Programmgesetz vom 27.12.2006 (Loi-programme (I)) sowie im Königlichen Erlass vom 20.3.2007 (Arrêté royal pris en exécution du Chapitre 8 du Titre IV de la loi-programme (I) du 27 décembre 2006 instaurant une déclaration préalable pour les travailleurs salariés et indépendants détachés) niedergelegt.
Die Meldepflicht soll Sozialbetrug verhindern, insbesondere Scheinselbständigkeit aufdecken und Schwarzarbeit bekämpfen.
Verstöße gegen die Meldepflicht können gemäß Artikel 182 Absatz 2 des belgischen Sozialstrafgesetzbuches (Code pénal social) geahndet werden.
Die Europäische Kommission hielt allerdings die für selbständige Dienstleistungserbringer geltende Pflicht zu dieser vorherigen Meldung aufgrund ihres allgemeinen Charakters für mit der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Artikel 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union unvereinbar. Deshalb erhob sie Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
Am 19.12.2012 erging das Urteil in dem Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich Belgien (Aktenzeichen: C-577/10): Die Meldepflicht für selbständige Dienstleistungserbringer stelle ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr dar. Die vom Königreich Belgien verfolgten Ziele kämen zwar grundsätzlich als Rechtsfertigungsgründe in Betracht. Jedoch sei die Meldepflicht nicht verhältnismäßig. Verhältnismäßig könne sie nur dann sein, wenn sie dazu geeignet sei, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten und nicht über das hinausgehe, was zu dessen Erreichung erforderlich sei. Dies sei hier aber gerade nicht der Fall. Denn ein genereller Betrugsverdacht könne die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht rechtfertigen. Dies wiederum impliziere aber die allgemeine Meldepflicht. Zwar dürfen Dienstleistungserbringer, die in einem anderen Mitgliedstaat als Belgien niedergelassen sind, durchaus steuerlichen und sozialen Verpflichtungen unterworfen werden. Jedoch sei die belgische Meldepflicht nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anlass zur Prüfung bestehe, ob diese steuerlichen und sozialen Verpflichtungen beachtet würden. Darüber hinaus habe das Königreich Belgien nicht hinreichend überzeugend dargelegt, dass die Übermittlung der sehr detaillierten Informationen nicht die Grenze des zur Erreichung der mit der Meldepflicht verfolgten Ziele Erforderlichen überschreite.
Belgien muss jetzt die für selbständige Dienstleistungserbringer – zumindest im bisherigen Umfang – bestehende Meldepflicht abschaffen.
Zum Thema:
- Länderbericht des Portal 21 zu Belgien > Aufnahme und Ausübung von Dienstleistungen > Register > Registrierung zur Sozialversicherung.
- www.limosa.be
Germany Trade & Invest (07.01.2013)