Wirtschaftsumfeld | Brasilien | Investitionsförderung
Praxischeck
Bei der Verbesserung des Investitionsklimas kommt Brasilien kaum voran. Die politische Unsicherheit nimmt im Vorfeld der Wahlen im Herbst 2022 weiter zu.
08.07.2022
Von Johannes Dimas | Rio de Janeiro
Im Ranking zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit des International Institute for Management Development (IMD) von Juni 2022 liegt Brasilien auf Platz 59 von 63 Ländern weltweit. Das sind zwei Ränge schlechter als 2021. Positiv entwickelten sich die Kriterien "Wirtschaftliche Effizienz" und "Infrastruktur". Doch zeigt das Ranking von IMD klar, dass in vielen Bereichen weiter großer Nachholbedarf besteht.
Die Einschätzungen der Unternehmen in Brasilien zur aktuellen Lage und zu den Erwartungen haben sich seit Anfang 2022 verbessert. Darauf deutet die Entwicklung der Indizes der brasilianischen Stiftung Getulio Vargas (FGV) hin. Die Verbraucher bewerten ihre Lage hingegen negativ und zeigen sich pessimistisch. Im regionalen Index zum Wirtschaftsklima in Lateinamerika liegt Brasilien aktuell auf einem der hinteren Ränge.
Faktor / Unterfaktoren (Auswahl) | Brasilien | Deutschland |
---|---|---|
Gesamtrang unter 63 Ländern | 59 | 15 |
Wirtschaftliche Leistung | 48 | 5 |
Inländische Wirtschaft | 41 | 11 |
Internationaler Handel | 48 | 8 |
Internationale Investitionen | 28 | 7 |
Effizienz der Regierung | 61 | 21 |
Steuerpolitik | 43 | 54 |
Gesetzgebung für Unternehmen | 58 | 18 |
Wirtschaftliche Effizienz | 52 | 21 |
Infrastruktur | 53 | 9 |
Politik sendet gegenläufige Signale
Viele Hoffnungen auf bessere Rahmenbedingungen im Zuge des wirtschaftsliberalen Kurses der aktuellen Regierung wurden enttäuscht. Allerdings haben die Privatisierung und die Vergabe von Konzessionen zum Betrieb von Verkehrs- und anderen Infrastruktureinrichtungen seit 2021 an Fahrt gewonnen. Die größte Auktion betraf im April 2021 die Wasserwirtschaft im Bundesstaat Rio de Janeiro. Die zugesagten Investitionen der nunmehr privaten Investoren eröffnen neue Anknüpfungspunkte für deutsche Unternehmen.
Dagegen nähern sich die öffentlichen Investitionen historischen Tiefstständen. Laut FGV lagen sie 2021 - ohne staatliche Unternehmen - bei 1,4 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Dabei erreichte der Anteil des Bundes nur einen Wert von knapp 0,3 Prozent im Verhältnis zum BIP.
Die Handelsbeziehungen in Südamerika auf Grundlage des Mercosur entwickeln sich nur mühsam. Das Freihandelsabkommen zwischen Mercosur und der EU liegt auf Eis. Mit Deutschland besteht weder ein bilaterales Investitionsabkommen (CFIA) noch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Die Beziehungen auf Regierungsebene sind teils schwierig.
Brasilien muss mehr für Umweltschutz und Bildung tun
Der Trend zu nachhaltigen Investitionen fordert Brasilien heraus. Soziale, ethische und ökologische Aspekte gewinnen für Investoren an Bedeutung. Die aktuelle Politik Brasiliens hinsichtlich Minderheiten, Bildung, Klima und Umwelt ist damit nur schwer in Einklang zu bringen. Der Bildungssektor, ein Schlüsselfaktor für die Steigerung der Produktivität, wird vernachlässigt.
Im Jahr 2021 erreichten die Rodungen im Amazonasgebiet ein 15-Jahreshoch. Die Landwirtschaft gräbt sich das Wasser ab: Die Entwaldung fördert Dürren. Die zunehmende Trockenheit gefährdet die bislang mögliche doppelte Ernte pro Jahr. Diese ist aber maßgeblich für den Erfolg der Landwirtschaft.
Entwicklungen in der Politik verunsichern Investoren
Die Eingriffe des Präsidenten Jair Bolsonaro in die Preisbildung beim Öl- und Gaskonzern Petrobras Anfang 2021 haben die Märkte verunsichert. Das zeigte sich eindrücklich an dem Absturz der Aktienkurse der teilstaatlichen Unternehmen Petrobras, Banco do Brasil und Eletrobras an der Börse in São Paulo.
Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, rechter Populismus, die politische Instrumentalisierung der Armee und Machtkämpfe um die staatlichen Institutionen untergraben den Erfolg der Reformen. Der Reformkurs könnte letztlich einem extrem polarisierten Wahlkampf zum Opfer fallen. Brasiliens Wahlen im Herbst 2022 werden eine Wegmarke sein. Für Unternehmen führen die Unwägbarkeiten auf Bundesebene dazu, dass die Zusammenarbeit mit den Bundesstaaten an Bedeutung gewinnt.
Deutsche Unternehmen halten sich bei Zukunftsthemen zurück
Deutsche Firmen sind in der brasilianischen Industrie seit Jahrzehnten stark vertreten. Gerade bei Zukunftsthemen wie der Wasserstoffwirtschaft verblasst das Engagement aber hinter dem der internationalen Konkurrenz. Die Firmenzentralen in Deutschland stellen Entscheidungen zurück oder nehmen andere Märkte in den Blick.
Kriterien | Brasilien | Deutschland |
---|---|---|
Gesamtrang | 71 | 7 |
1 Institutionen (Sicherheit, Transparenz, Recht) | 99 | 18 |
2 Infrastruktur | 78 | 8 |
3 Adaption von Informations- und Kommunikationstechnologien | 67 | 36 |
4 Makroökonomische Stabilität | 115 | 1 |
5 Gesundheit | 75 | 31 |
6 Bildung und Ausbildung | 96 | 5 |
7 Produktmärkte | 124 | 9 |
8 Arbeitsmarkt | 105 | 14 |
9 Finanzsystem | 55 | 25 |
10 Marktgröße | 10 | 5 |
11 Dynamik des Geschäftsumfeldes | 67 | 5 |
12 Innovationsfähigkeit | 40 | 1 |