Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Bulgarien | Wirtschaftsstruktur

Bulgariens Wirtschaftsstruktur wandelt sich langsam

Das Land muss parallel gleich zwei Entwicklungsprozesse meistern: die Verbesserung des Lebensstandards in den strukturschwachen Regionen und die Energiewende.  

Von Dominik Vorhölter | Sofia

Zwar landet Bulgarien in vielen sozioökonomischen Vergleichen unter den EU-Mitgliedstaaten auf dem letzten Platz, das damit einhergehende Entwicklungspotenzial wissen deutsche Unternehmen und andere ausländische Investoren jedoch zu schätzen. Die Wirtschaft des Landes wächst dynamischer als die der westeuropäischen EU-Mitgliedsstaaten. Der Investitionsbedarf in Straßen-, Schienen- und Energieinfrastruktur ist hoch. Für diese Vorhaben stehen EU-Fördermittel bereit.

Bulgarien bewältigt mehrere Transformationsprozesse gleichzeitig

Das Land muss politische Reformen im Bildungs-, Justiz- und Gesundheitswesen angehen sowie den Ausbau der Infrastruktur vorantreiben. Letzteres ist nötig, um Wertschöpfungsketten besser an den europäischen Binnenmarkt anzubinden. Die größten Herausforderungen aber sind der Kohleausstieg und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung. All dies bietet Unternehmen Beteiligungschancen. 

Allerdings bremst ein strukturelles Problem die langfristige Wirtschaftsentwicklung aus: Bulgariens demografische Situation. Die Bevölkerung altert und schrumpft zusätzlich. Viele, vor allem junge Menschen, verlassen Bulgarien, um stattdessen im Ausland zu arbeiten. Damit sich das ändert, muss die Regierung dafür sorgen, dass sie im eigenen Land attraktive Arbeitsplätze finden.

6,8 Mio.

Personen lebten 2022 in Bulgarien.

Quelle: UN 2022

84,6 Mrd.

Euro betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 in Bulgarien.

Quelle: Eurostat 2023

12.400

Euro machte das BIP pro Kopf damit 2022 aus.

Quelle: Eurostat 2023

Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt

Unternehmen schätzen die günstigen Steuern

"Investoren aus Deutschland schätzen an Bulgarien dessen Mitgliedschaft in der EU und die vergleichsweise niedrigen Steuern und Lohnkosten", sagt Mitko Vassilev, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Bulgarischen Industrie- und Handelskammer über die Bedeutung Bulgariens für die deutsche Wirtschaft. In einzelnen Bereichen wie etwa der IT-Industrie werde es schwieriger, gut ausgebildetes und hochqualifiziertes Personal zu den vergleichsweise günstigen Lohnkosten zu finden, wie aus Unternehmerkreisen zu hören ist. 

SWOT-Analyse Bulgarien

S

Stärken Strengths

  • Niedrige Löhne im EU-Vergleich
  • Geringe Steuersätze gegenüber anderen EU-Mitgliedsstaaten
  • EU-Fördermittel in Höhe von 29 Milliarden Euro verfügbar bis 2027
  • Mitglied im europäischen System fester Wechselkurse
  • Arbeitskräfte mit teilweise guten Deutsch- und Englischkenntnissen
W

Schwächen Weaknesses

  • Unsicheres wirtschaftliches Umfeld, Mangel an Berechenbarkeit
  • Langsames Reformtempo wegen politischer Krisen
  • Mängel in der Infrastruktur
  • Ineffiziente öffentliche Verwaltung, EU-Fördermittel werden zum Teil nicht abgerufen
  • Berufsausbildung nicht am Bedarf der Wirtschaft orientiert
O

Chancen Opportunities

  • Günstige geostrategische Lage zwischen Europa, Nahost und Asien
  • Nachholbedarf bei Energieeffizienz von Gebäuden und Industrie
  • Staatliche Investitionsanreize für Unternehmen
  • Nähe zu Rumänien als Wachstumsmarkt für E-Mobility-Technologien
  • Innovativer IT-Sektor
T

Risiken Threats

  • Starker Einfluss der Politik auf Rechtssprechung
  • Korruption im EU-Vergleich sehr hoch
  • Unternehmen zahlen häufig verspätet
  • Demografische Krise, Abwanderung von Arbeitskräften
  • Preiskampf bei Ausschreibungen und häufig langwierige Anfechtungen öffentlicher Auftragsvergaben

Automobil- und Elektroindustrie bringen Innovation und Wettbewerb ins Land

Besonders eng verflochten sind die bulgarische Automobil- und Elektroindustrie, die Kfz-Teile und andere Vorprodukte an europäische Abnehmer liefern. Heimische und international agierende Unternehmen betreiben moderne Produktionsstätten. Das macht Bulgarien zu einem attraktiven Absatzmarkt für deutsche Ausrüstung und Maschinen. 

Bulgarien entwickelt sich schrittweise von einem Outsourcing-Standort der Textilindustrie hin zu einem Hochtechnologiestandort. Besonders Sofia hat Investitionen im Bereich Software-Industrie sowie Forschung und Entwicklung angezogen. Bulgariens verarbeitende Industrie liefert elektronische und hydraulische Komponenten für den Maschinenbau sowie Aluminiumwannen für die Automobilindustrie.  

Einen starken Beitrag zum wachsenden Dienstleistungssektor trägt neben der IT-Industrie auch der Tourismus bei. Bulgarien positioniert sich als Destination für Kuren und möchte damit das Image vom Billigtourismus loswerden. Die Regierung fördert den Gesundheitstourismus und versucht, Investoren und auch Gäste anzulocken.

Das Ministerium für Tourismus unterstützt nach eigenen Angaben 20 einschlägige private und öffentliche Projekte im Wert von rund 175 Millionen Euro, unter anderem neue Spa- und Wellenesszentren, Hotelanlagen und Golfplätze. Für das deutsche Tourismusgewerbe bieten sich auf dem Markt neue Möglichkeiten, denn seit 2020 übernehmen Krankenkassen in Deutschland Kosten für Kuraufenthalte in Bulgarien. Ob dies reicht, um mehr Gäste aus Deutschland anzulocken, ist schwer zu sagen. Im Jahr 2022 waren es 788.000, 25 Prozent weniger als im Jahr 2019. Die Tourismusbranche trägt dennoch rund 12 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. 

Bedeutung der Wirtschaftszweige in Bulgarien (Anteile in Prozent)

Sektoren

Anteil an Bruttowertschöpfung 2021

Anteil an den Beschäftigten 2021

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

5,0

1,2

Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung)

1,6

0,1

Verarbeitendes Gewerbe

20,1

11,3

Energieversorgung

4,7

0,4

Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen

0,7

0,7

Baugewerbe

3,8

6,0

Dienstleistungen (Handel und Gastgewerbe)

23,3

20,3

Quelle: Eurostat 2023

Regionen sind ungleich entwickelt 

Die meisten ausländischen Direktinvestitionen fließen nach Sofia. Weitere Wirtschaftszentren sind die Region Stara Zagora mit überwiegend Maschinen- und Bergbau sowie die Schwarzmeerhafenstädte Varna und Burga. Im Norden und Süden des Landes gibt es strukturschwache Regionen. Diese sind von mangelhaften Verkehrsanbindungen und Bevölkerungsabwanderung in die umliegenden Wirtschaftszentren geprägt.  

Eckdaten der EU-Planungsregionen in Bulgarien (2021)

Gebiet

Anteil am BIP (in %) 

BIP pro Kopf (in Euro)

Bevölkerung (in Mio.) 

Sofia, Blagojewgrad, Pernik, Kjustendil (BG41)

50,5

17.300

30,3

Plowdiw, Chaskowo, Pasardschik, Smoljan, Kardschall (BG42)

13,4

6.800

20,3

Burgas, Sliwen, Jambol, Stara Sagora (BG34)

11,6

8.100

14,8

Varna, Dobritsch, Schumen, Targowischte (BG33)

10,0

7.700

13,4

Garbrowo, Ruse, Radgrad, Silistra, Veliko Tarnovo (BG32)

7,6

7.100

11,0

Vidin, Montana, Vraza, Pleven, Lovetch (BG21)

7,0

7.100

10,2

Quelle: Eurostat 2023

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.