Branchen | Chile | Bergbau und Rohstoffe
Chile bietet Einstiegschancen ins Lithiumgeschäft
Chiles neue Lithiumstrategie bedeutet mehr Staat, aber auch neue Projektabschlüsse. Anders als globale Wettbewerber haben sich deutsche Firmen bisher nicht in Position gebracht.
26.05.2023
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Lithium ist ein Schlüsselrohstoff für Elektromobilität und das Gelingen der globalen Energiewende. Chile besitzt die größten Lithiumreserven der Welt. Unter den Förderländern steht das Land nach Australien auf Rang zwei, so der US Geological Survey. Allerdings verliert es an Boden, beispielsweise gegenüber seinem Nachbarn Argentinien. Grund sind fehlende Neuprojekte. Hintergrund war die von der Regierung schon im Wahlkampf versprochene – und deshalb von der Branche und der chilenischen Öffentlichkeit mit großem Interesse erwartete – Neuausrichtung der staatlichen Lithiumpolitik. In der Folge wurden alle Vorhaben auf Eis gelegt.
Am 20. April 2023, ein gutes Jahr nach seinem Amtsantritt, war es endlich soweit. Präsident Gabriel Boric legte die neue nationale Lithiumstrategie vor. Trotz der Möglichkeit öffentlich-privater Partnerschaften ist die Marschrichtung klar. Der chilenische Staat will deutlich stärker am Lithiumabbau beteiligt sein.
Chiles Sechs-Säulen-Strategie kann nicht ohne die Privaten
Basis der künftigen Lithiumpolitik bildet eine Sechs-Säulen-Strategie. Als Herzstück sieht die Regierung die öffentlich-private Zusammenarbeit. Allerdings sollen Privatfirmen an "strategisch wichtigen" Lithiumprojekten nur einen Minderheitsanteil halten können; sonst sind Mehrheitsbeteiligungen möglich. Bisher ist unklar, welche Kriterien Vorhaben zu strategisch wichtigen machen oder welche Projekte konkret dazugehören. Der Staat erwartet von privaten Investoren Kapital, Know-how und die Entwicklung von neuen Technologien, um Produktion und Wertschöpfung zu steigern. Gefragt sich auch umweltfreundlichere – sprich wassersparende – Fördertechnologien und eine Ausweitung der Wertschöpfungskette. Des Weiteren sollen mehr Akteure im chilenischen Lithiumgeschäft den Wettbewerb stärken.
Zugleich ist aber weiterhin offen, welche Funktion und welche Kompetenzen die angekündigte nationale Lithium-Gesellschaft haben wird. Für die Verabschiedung der dafür notwendigen Gesetze fehlt ein Zeitplan. Für das weitere Prozedere ist aber Klarheit über den zeitlichen Rahmen existenziell. Selbst nach Gründung der Gesellschaft dürften mindestens Monate vergehen, bis diese handlungsfähig ist. Auch zur angedachten Rolle des weltweit größten Bergbau-Kupferproduzents, der staatlichen Codelco (Corporación Nacional del Cobre de Chile), sowie des ebenfalls staatlichen Bergbaukonzerns ENAMI (Empresa Nacional de Minería) gibt es viele Fragezeichen. Einige Firmen klagen daher über weitere Zeitverluste.
Dagegen wurde noch im Mai 2023 unter dem Vorsitz der chilenischen Bergbauministerin Hernando das geplante CORFO-Komitee für Lithium und Salare etabliert. Pressemeldungen zufolge will Hernando im Juni den politisch heiklen, "partizipativen Prozess" mit lokalen Gemeinden aufnehmen. Ebenfalls noch 2023 soll ein öffentliches Institut für Lithium und neue Technologien gegründet werden.
Fehlt es deutschen Unternehmen an Weitblick?
Generell braucht Chile internationale Kooperationen, um seinen Lithiumabbau voranzutreiben. Schon jetzt haben sich Firmen anderer Länder massiv in Vorkommen im Land eingekauft. Nach dem Salar de Atacama wird wohl der Salar von Maricunga zum zweiten Standbein der chilenischen Lithiumproduktion:
- Dort hat bereits beispielsweise Lithium Power International aus Australien ein Bein in der Tür, der in Chile die Minera Salar Blanco gehört. Das ist laut der chilenischen Tageszeitung La Tercera das am weitesten fortgeschrittene Projekt in Maricunga.
- Ein weiteres Explorationsprojekt verfolgt dort Simco, ein Joint Venture der chilenischen Cominor-Gruppe (in der Hand der Familie Errázuriz) und dem Simbalik-Fond aus Singapur.
Ebenfalls in den Startlöchern stehen unter anderem SQM-Anteilseigner Tianqi Lithium, die bereits in Argentinien im Lithiumabbau aktive Eramet aus Frankreich sowie Wealth Minerals und Lithium Chile, beide aus Kanada. Auch die australische Talison Lithium (kontrolliert von Tianqi und Albemarle), Clean Tech Lithium aus London, Sorcia Minerals und Tesla aus den USA sowie der Elektroautohersteller BYD und der größte Lithiumbatterieproduzent der Welt CATL, beide aus China, stehen bereit.
Deutsche Unternehmen treten bisher jedoch nur vereinzelt in Erscheinung. Warum? Branchenexperten vermuten eine Kombination aus zu großem Unternehmensrisiko, Desinteresse aufgrund vermeintlich starker Einkaufsposition sowie durchaus auch fehlende Kompetenz und Weitblick. Des Weiteren stößt die chilenische Ankündigung, der Staat würde die Kontrolle haben, bei einigen Firmen auf Stirnrunzeln. Tatsächlich sorgte die Ankündigung der nationalen Lithiumstrategie durchaus für Nervosität. Signalwirkung hat sie aber auch im Sinne einer größeren Berechenbarkeit.
„Ein klarer Rechtsrahmen, der für alle Teilnehmer gleichermaßen gültig ist, ob Produzenten oder Projektentwickler, ist längst überfällig und positiv zu bewerten.“
Das meint Michael Schmidt, Lithiumexperte der Deutschen Rohstoffagentur DERA. Das erlaube der Industrie, bei entsprechender Umsetzung der Ankündigung, sich mit einer gewissen Sicherheit im Land zu engagieren. Außerdem brauche Chile ausländische Investoren im Bereich Lithium, so Schmidt. Ohne diesen sicheren Rechtsrahmen würde der Marktanteil Chiles in den kommenden Jahren von aktuell 26 Prozent auf unter 13 Prozent sinken.
Dabei hätten deutsche oder europäische Firmen durchaus für den chilenischen Staat einen Mehrwert zu bieten: „Ein europäisches Engagement in Chile könnte in einem "Gesamtpaket" auch Komponenten wie Ausbildung von Fachkräften, akademische Zusammenarbeit und technologischen Austausch neben reinen Investitionen beinhalten“, meint Michael Schmidt. „So etwas bieten chinesische Firmen, bisher zumindest, eher nicht.“ Die EU hat angekündigt, die Entwicklung der lokalen Wertschöpfungskette von Lithium im Rahmen ihrer Global-Gateway-Initiative als Leuchtturmprojekt zu unterstützen. Das würde auch zum Anspruch der chilenischen Regierung passen, das Land stärker im Bereich der weiteren Wertschöpfung zu etablieren. Aber dabei darf es nicht bleiben. „Wenn beispielsweise China große Investitionen zusagt, würde es der Regierung vermutlich schwerfallen, das zu ignorieren.“
Land | Anteil |
---|---|
Chile | 35,8 |
Australien | 23,8 |
Argentinien | 10,4 |
China | 7,7 |
USA | 3,8 |
Land | Anteil |
---|---|
Australien | 46,9 |
Chile | 30,0 |
China | 14,6 |
Argentinien | 4,8 |
Brasilien | 1,7 |