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Markets International 6/24 I Chile I Markterschließung

Ihr Fahrplan ins Ausland

Die Expansion in neue Märkte ist jedes Mal eine Herausforderung: Erfolge sind nicht garantiert, lassen sich aber beschleunigen, wie die Unternehmensbeispiele auf den folgenden Seiten zeigen.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Schritt eins: Informationen einholen, erledigt. Schritt zwei: Vertriebskanal sichern, Häkchen dran. Schritt drei: Transport planen, check. Und schon öffnet sich der neue Auslandsmarkt! Schön wäre es. Doch Unternehmer wissen: Die Wirklichkeit ist anders, weniger stringent. Bei der Erschließung eines neuen Marktes geht es oft vor und zurück. Ständig tauchen neue Herausforderungen auf. Entscheidungen sind zu treffen, Flexibilität ist gefragt. Einige zentrale Themen wie etwa Informationsbeschaffung oder der Aufbau und die Pflege von Beziehungen sind nie ganz abgeschlossen. 

Markets International Ausgabe 6/24

Markets International 05/24 Markets International 05/24 | © GTAI

Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 6/2024. Erfahren Sie, welche weiteren Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.

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Auf dem Weg in ein fremdes Land hilft ein Fahrplan bei der Strukturierung, was abgearbeitet werden muss, speziell wenn es darum geht, verschiedene Aufgaben an sein Team weiterzugeben. Das ist die Erfahrung von Tim Boeltken, CEO des Start-ups Ineratec: „Solche Konzepte kann man gut nachlesen – sei es im Internet oder in der Fachliteratur.“ Nach wie vor aber gehen viele Firmen blauäugig an die Internationalisierung heran, weiß Christian Kastner. Er ist Vertriebsleiter beim Maschinenbauer Vautid aus Ostfildern und Sachbuchautor zum Thema Markteintrittsstrategien. 

Bis ein Häkchen gesetzt werden kann, braucht es viel Kärrnerarbeit, Stehvermögen und die richtige Hilfestellung. Als Einstiegs­hilfen dienen zum Beispiel Markterschließungsreisen, Exportinitiativen oder Partnerschaften. Welchen Beitrag können solche mit Steuergeldern finanzierten Initiativen leisten? GTAI hat, exemplarisch und stellvertretend für andere Auslandshandelskammern weltweit, bei einigen Kunden der AHK Chile nachgefragt. 

Tatsächlich fokussiert sich ein erfolgreicher Markteinstieg in einem neuen Land zunächst auf drei Aspekte. Dies gilt speziell für kleine und mittelgroße Unternehmen, die zumeist mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen haushalten müssen. 

Der erste Aspekt 

Der erste Schritt betrifft die wichtigsten Fragen, die es zu klären gilt, bevor es mit der internationalen Expansion überhaupt losgeht: 

Was will ich mit meinem Unternehmen überhaupt im Ausland erreichen? Verkaufen, produzieren, beschaffen oder an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen? Klären Sie, ob Sie dafür zwingend einen lokalen Partner benötigen oder ob Ihr Produkt spezielle Zulassungen vorweisen muss. Diese Faktoren sind für das einzukalkulierende Zeit- und Geldbudget sehr wichtig.

Habe ich die personellen Kapazitäten, um über einen längeren Zeitraum den Einstieg in einen neuen Auslandsmarkt stemmen zu können? „Selbst wenn Sie eine Person vor Ort haben, die sich im Land und auf dem Markt auskennt, müssen Sie diese intensiv von zu Hause aus betreuen, damit sie erfolgreich arbeiten kann und nicht nach ein paar Monaten wieder abspringt“, sagt Sachbuchautor Kastner. Er hat zudem beobachtet, dass sich manche Vertriebspartner gern mit einem deutschen Namen im Portfolio schmücken. Da deutsche Produkte aber meist relativ beratungsintensiv und hochpreisig sind, haben de facto nur wenige lokale Vertriebler ein primäres Interesse daran, sie tatsächlich zu verkaufen. Kein Wunder: „Sie leben besser von billigeren, leichter verkäuflichen Schnelldrehern“, so Kastner. 

Best Practise: Neuman & Esser

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Das Familienunternehmen Neuman & Esser aus dem nordrhein-westfälischen Übach-Palenberg gewann 2024 die Ausschreibung der nationalen chilenischen Erdölgesellschaft Enap (Empresa Nacional del Petróleo) über die Installation, den Bau und den Betrieb einer Anlage für grünen Wasserstoff in Chile. Die Vorgeschichte dazu ist lang. Ganz am Anfang stand vor Jahren für Andres Rolandelli, verantwortlich für die Geschäftsentwicklung von Neuman & Esser in Südamerika, die strategische Entscheidung, das Geschäftsfeld Wasserstoff und Kreislaufwirtschaft auszubauen. Dank der guten natürlichen Voraussetzungen zur Herstellung von grünem Wasserstoff und weiteren günstigen Rahmenbedingungen fiel die Wahl 2020 auf den Andenstaat. 

Alexander und Stefanie Peters, Geschäftsführende Gesellschafter von Neuman & Esser Alexander und Stefanie Peters, Geschäftsführende Gesellschafter von Neuman & Esser | © Neuman & Esser

„Wir hatten in Chile über unser Kompressorengeschäft schon eine Reihe von Kunden, darunter auch Enap. Das Land war uns also nicht fremd“, erklärt Rolandelli. „Aber die Geschäftsreise zum Thema Wasserstoff, die die AHK Chile damals organisiert hat, bot uns die Möglichkeit, uns in diesem Marktsegment bekannt zu machen und zielgerichtet neue, persönliche Kontakte zu knüpfen.“ Selbstverständlich könne er auch selbst auf Messen gehen und Konferenzen besuchen, „aber bis ich dort die richtigen Ansprechpartner finde, dauert das natürlich viel länger“, so Rolandelli. 

Durchgeführt wurde die Geschäftsreise im Rahmen der Exportinitiative Energie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. „Für Neuman & Esser haben wir während dieser Reise 14 Termine vereinbart und die Gespräche begleitet, eines davon mit Enap“, erinnert sich Annika Schüttler, Project Leader Energy and Sustainability bei der AHK Chile. Für das Unternehmen war die damalige Wasserstoffreise der Startschuss, um die Aktivitäten auf dem Markt in Chile zu intensivieren. 

Kann ich mir die Erschließung eines neuen Marktes finanziell leisten? Mit anderen Worten: Kalkulieren Sie, mit wie viel Euro Ihr Unternehmen in den drei bis fünf Jahren in Vorleistung gehen kann, bis Sie erste Umsätze verbuchen. Diese Summe darf auf keinen Fall das Kerngeschäft beeinträchtigen. In Chile – und nicht nur dort – sind schon viele Firmen aufgeschlagen, „nur weil etwas Geld übrig war und man irgendetwas machen und dem Bauchgefühl folgend, sich jetzt mal in Lateinamerika umtun wollte“, weiß Philip Bartsch, stellvertretender Leiter der AHK Chile. Seine Beobachtung: In diesen Fällen produzieren die Unternehmer viel Papier und machen die ein oder andere nette Reise. Ein Geschäftserfolg kommt aber letztlich nur selten dabei heraus.

Der zweite Aspekt 

Im zweiten Schritt geht es vor allem um eines: die Informationsbeschaffung. Experten wissen: Eine solide Marktstudie hilft! Je nach Umfang sind hierfür Kosten zwischen 6.000 und 14.000 Euro und ein Zeitraum von 8 bis 24 Wochen einzukalkulieren. 

Dafür erfahren Sie dann beispielsweise, dass in Chile Reis in größeren Gebinden als in Deutschland üblich, verkauft wird. Und eine Marktstudie liefert eine gute Basis bei der Preisgestaltung: Können Sie Reis vor Ort zu dem Preis verkaufen, den Sie brauchen, um rentabel zu bleiben? Darüber hinaus klärt eine gute Marktstudie über rechtliche und steuerliche Aspekte auf: Wie wollen oder können Sie auf den Markt kommen – mit einer Tochterfirma oder einer eigenständigen Ländergesellschaft? Über Distributoren oder als Franchising? Zwischen Deutschland und Chile gibt es kein Doppelbesteuerungsabkommen. Viele Unternehmen nutzen daher für den Gewinnabfluss ihre Filialen in den USA, Spanien oder den Niederlanden – alles Länder, mit denen Chile und Deutschland jeweils Doppelbesteuerungsabkommen unterhalten. „Aber das muss man erst einmal können“, gibt Bartsch zu bedenken. Nicht jedes KMU hat eine Tochter in den Niederlanden oder in den USA oder in Spanien. Auch Fragen des intellektuellen Eigentums oder der patentrechtlichen Anmeldungen sollten Sie vor einem Markteintritt klären. 

Der dritte Aspekt 

Beim dritten Schritt dreht sich alles um Präsenz. Essenziell für den Erfolg auf einem Auslandsmarkt sind die Mitarbeitenden vor Ort. Für die weitere Marktbearbeitung brauchen Sie zum Beispiel in Lateinamerika jemanden, der die Sprache spricht, sich auskennt, Termine persönlich wahrnimmt und das Netzwerk ausbaut. 

Bei aller guten Vorbereitung sollten Sie nicht vergessen: Es gibt immer wieder Auslandsprojekte, die auf der Strecke bleiben. Wie beispielsweise bei einem deutschen Ingenieurdienstleister, der schon seit vielen Jahren in Chile im Bergbausektor unterwegs ist. Aber abgesehen von ohnehin bestehenden Beziehungen zu einzelnen internationalen Bergbaukonzernen gab es bisher noch keine handfesten Abschlüsse – trotz der Teilnahme an Markterschließungsreisen, an Vorträgen auf Rohstoffforen und an Wirtschaftstagen. Dabei hat man doch eigentlich alles richtig gemacht, oder?

Best Practise: Ineratec GmbH

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Ineratec wurde im Jahr 2016 gegründet und 2018 mit dem Deutschen Gründerpreis ausgezeichnet. Das Karlsruher Unternehmen baut Anlagen für synthetische Treibstoffe, sogenannte E-Fuels. 2024 konnten die Karlsruher den chilenischen Kraftstoffhändler Copec als Großinvestor mit rund 1,5 Millionen Euro gewinnen. Ziel ist die gemeinsame Herstellung von synthetischen E-Fuels in Chile für den lokalen Markt und für den Export. 

Dem solventen Geschäftspartner hat das Start-up seine Teilnahme an der Energy Challenge Germany zu verdanken. Der Wettbewerb fand im Rahmen der Energiepartnerschaft Chile-Deutschland statt. „Ineratec war 2022 unter den drei Gewinnerteams“, erzählt AHK-Chile-Vertreterin Annika Schüttler. „Der Preis war die kostenlose Teilnahme an unserem Acceleration-Programm 2023 einschließlich 13 Business-to-Business-Terminen vor Ort – unter anderem haben wir Ineratec zu Copec begleitet.“ 

Tim Boeltken, CEO von Ineratec Tim Boeltken, CEO von Ineratec | © Ineratec

Ineratec-CEO Tim Boeltken beschreibt die Reise als Initialzündung für die Chileaktivitäten seines Unternehmens. „Vor Ort kann ich meine Hypothesen prüfen: Ist es wirklich so, dass ich Kunden finde oder dass genügend Strom preiswert zur Verfügung steht? Dafür muss ich mit den richtigen Menschen reden.“ Die AHK habe dafür gesorgt, dass sich sein Unternehmen präsentieren konnte und dabei auch den neuen Investor Copec kennengelernt habe.

Vom Erstkontakt bis zur Millioneninvestition habe es nur anderthalb Jahre gedauert. „Das ist superkurz und nur möglich, wenn man an den richtigen Stellen platziert wird“, urteilt Boeltken. „Für uns war die Kombination aus AHK und unserem lokalen Partner Ferrostaal Chile der Schlüssel.“ Auch im Nachlauf erlebte er die AHK als hilfreiche Anlaufstelle, etwa bei der Suche nach bestimmten Expertinnen und Experten oder einem Anwalt. 

„Für uns waren es gute Plattformen, um unsere Dienstleistungen vorzustellen und ein Netzwerk mit potenziellen Partnern und Kunden aufzubauen“, sagt eine Vertreterin des Unternehmens. Ihr Resümee: „Wir haben komprimiert viel gelernt – über die lokalen Aktivitäten von Unternehmen, die politischen Rahmenbedingungen sowie über die Fördermöglichkeiten.“ Doch sei trotz freundlicher Gespräche und des bekundeten Interesses bislang nichts Nachhaltiges daraus erwachsen. Woran das liegt? Schwer zu sagen, vielleicht liegt es an den kulturellen Unterschieden. Nicht selten ist die chilenische Seite zu höflich für eine direkte Absage, und der deutsche Vertreter vertraut mit dem Gefühl, einen guten Termin gehabt zu haben, darauf, der Gesprächspartner werde sich wie zugesichert melden. Nur E-Mails zu schreiben, womöglich noch auf Englisch, ist eben nicht genug. 

Dass eine einzelne Reise noch keinen Businessabschluss bringt, weiß auch Ineratec-CEO Tim Boeltken. Entscheidend sei die gute Vor- und Nachbereitung. „Es kommt immer nur so viel heraus, wie man selbst hineinsteckt“, sagt er und hat noch einen Tipp: „Die AHK ermöglicht einem eine höhere Effizienz.“ Will sagen: in kurzer Zeit mit den richtigen Ansprechpartnern in den Dialog zu treten. Nicht erst lange suchen zu müssen, wer zuständig ist. Schnell Termine zu bekommen. „Sie war für uns jedenfalls ein typischer Katalysator.“ 

 

Hilfestellung auf dem Weg ins Ausland

Hilfestellung auf dem Weg ins Ausland Hilfestellung auf dem Weg ins Ausland | © KammannRossi

 

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