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Branchen | China | Tiefbau

Ausbau der Infrastruktur gerät ins Stocken

Chinas Investitionen in Flughäfen, Bahnstrecken und Straßen wuchsen 2020 und 2021 kaum noch. In diesem Jahr dürften sie sogar sinken. Gefährdet sind auch die Ausbauziele bis 2035.

Von Roland Rohde | Hongkong

Die aktuelle Coronalage in China schlägt sich auf den Tiefbau nieder: In Dutzenden Metropolen kam es in den letzten Wochen und Monaten covidbedingt zu Einschränkungen. Seit vielen Wochen herrscht in Shanghai ein kompletter Lockdown. Fabriken stehen still, Flug- und Containerhäfen fertigen kaum noch Waren ab. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat daher im April 2022 seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 4,8 auf 4,4 Prozent gesenkt.

In derart schwierigen Zeiten greift die Regierung in Beijing auf die üblichen Instrumente zurück: Sie erleichtert die Möglichkeiten zur Kreditaufnahme und lenkt Investitionen in die Infrastruktur. Doch die Wirkung dürfte teilweise verpuffen. Im Hochbausektor herrscht aufgrund der Immobilienkrise rund um den Evergrande-Konzern noch Katerstimmung. Im Tiefbaubereich stoßen die lokalen Regierungen, die für die Umsetzung der Infrastrukturvorhaben verantwortlich sind, zunehmend an Grenzen.

Die lokalen Gebietskörperschaften leiden infolge der Lockdowns unter erheblichen Steuerausfällen. Zugleich sind Landverkäufe, in Vorkrisenzeiten eine beliebte Einnahmequelle, nicht mehr so einträglich. Außerdem sind viele Kommunen hoch verschuldet. Sie müssen die Verbindlichkeiten vergangener Bauvorhaben bedienen. Bei vielen handelte es sich um reine Vorzeigeobjekte. Auch bei Neuplanungen existiert das gleiche Problem: Die lukrativen Vorhaben sind meist schon verwirklicht worden. Zukünftige Schienenwege oder Airports entstehen in immer abgelegeneren Regionen.

Lokalregierungen geht finanziell der Atem aus

Dass die lokalen Regierungen immer knapper bei Kasse sind, lässt sich schon seit geraumer Zeit beobachten. So sind laut dem nationalen Statistikamt NBS die landesweiten Investitionen in die Transportinfrastruktur 2020 und 2021 nur um jeweils rund anderthalb Prozent gestiegen. Real betrachtet gab es damit eine Stagnation. Auch die Investitionen in die Versorgungsinfrastruktur wuchsen 2021 kaum noch. Jedoch gibt es hier jedes Jahr starke Schwankungen, sodass es noch zu früh ist, von einem Trend zu sprechen. 

Im 1. Quartal 2022 zogen die Ausgaben zwar stark an, doch Landeskenner rechnen mit einem Einbruch in den Folgequartalen. Viele Projekte können aufgrund der Coronamaßnahmen nicht starten. Bauarbeiter sind in Quarantäne, bei Maschinen und Baustoffen gibt es Zulieferprobleme. Diese Schwierigkeiten könnten das ganze Jahr anhalten. Beijing klammert sich an die Null-Covid-Politik, die selbst bei kleinen Ausbrüchen auf massive Einschränkungen setzt und ökonomische Aspekte weitgehend außer Acht lässt.

Chinas Investitionen in die Infrastruktur (nominale Veränderung zum Vorjahr in Prozent)

Sparte

2020

2021

Transportinfrastruktur, davon

1,4

1,6

  Eisenbahn

-2,2

-1,8

  Straßenbau

1,8

-1,2

  Schifffahrt (inkl. Häfen)

9,5

17,9

  Flugverkehr (inkl. Flughäfen)

-15,1

18,8

  Rohrleitungen

8,8

-1,4

Versorgungsinfrastruktur, davon

17,6

1,1

  Strom, Fernwärme

17,0

3,2

  Gas

8,6

-2,2

  Wasser

22,4

-4,2

Quelle: National Bureau of Statistics of China (NBS)

Auch nach einem Ende der Pandemie wird China wohl nicht wieder zu den stürmischen Wachstumszahlen der ersten vier Jahrzehnte der nachholenden Entwicklung zurückkehren. Manche Ökonomen sagen dem Reich der Mitte sogar eine längere Schwächephase voraus  - ähnlich wie in Japan in den 1990er-Jahren.

Verschuldungsproblematik verringert Investitionsfähigkeit

Tatsächlich macht sich der langfristige Trend immer stärker negativ bemerkbar. Bezogen auf die Unternehmensverbindlichkeiten war China laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) innerhalb Asiens der am meisten verschuldete Flächenstaat. Alleine die Staatsbahn sitzt auf Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als 900 Milliarden US-Dollar (US$). Das sind dreimal mehr als beim Krisenkonzern Evergrande. Viele Hochgeschwindigkeitsstrecken sind verlustbringend.

Hinzu kommt die rasche Alterung der Gesellschaft. Die Geburtenrate ist in den vergangenen fünf Jahre dramatisch gesunken und liegt seit 2020 sogar unterhalb des deutschen Niveaus. China hat das Wettrennen, schneller reich als alt zu werden, verloren. Künftig fließen immer mehr Gelder in die Stabilisierung des Rentensystems und den Schuldendienst. Sie fehlen dann auf der investiven Seite.

Etliche Bahnprojekte könnten dem Rotstift zum Opfer fallen

Vor diesem Hintergrund sind auch die langfristigen Ausbaupläne zu sehen. Laut der Staatsbahn soll das Hochgeschwindigkeitsnetz bis 2035 um mehr als 80 Prozent wachsen. Gemäß den Planvorgaben sollen bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts alle Städte ab 500.000 Einwohnern einen Zugang erhalten. Etliche Vorhaben dürften aber dem Rotstift zum Opfer fallen, zumal bereits jetzt viele Strecken verlustbringend sind und die Instandhaltungskosten für bestehende Schienenwege rasant steigen werden.

Ausbaupläne für Chinas Transportinfrastruktur (nominale Veränderung in Prozent)

Indikator

2020*

2035

Veränd. 2035/20

Straßenlänge (in km)

5.198.100

k. A.

k. A.

Schienennetz (in km), davon

146.000

200.000

37,0

  Reguläres Netz (in km)

108.000

130.000

20,4

  Hochgeschwindigkeitsnetz (in km)

38.000

70.000

84,2

Anzahl Flughäfen

241

403

67,2

Anzahl Seehäfen

2.592

k. A.

k. A.

*) Stand zum JahresendeQuelle: National Bureau of Statistics of China (NBS); Staatsbahn; 14. Fünfjahresplan

Auch im Luftverkehr ist eine deutliche Expansion vorgesehen. Bis 2035 sollen laut dem 14. Fünfjahresplan (2021 bis 2025), der auch einen längerfristigen Blick in die Zukunft wirft, landesweit 162 neue Airports entstehen. Viele der Flughäfen sind in den weniger entwickelten Regionen geplant. Ebenso ist der Ausbau bestehender Seehäfen anvisiert, der sich aber wesentlich stärker am tatsächlichen Bedarf orientiert.

2021 flossen 1,6 Billionen US$ in die Infrastruktur

Trotzdem fließen immer noch riesige Summen in den Sektor. Im Jahr 2021 beliefen sich die Investitionen für die Verkehrsinfrastruktur laut Hochrechnungen auf Basis älterer Daten auf nahezu 1,1 Billionen US$, wofür etwa zwei Drittel für den Straßenbau verwendet wurden. Alleine die fünf größten Vorhaben kamen 2021 laut der South China Morning Post auf ein Investitionsvolumen von 132 Milliarden US$. Die Aufwendungen für die Versorgungsinfrastruktur summierten sich auf über eine halbe Billion US$, davon waren rund drei Viertel für den Kraftwerksbau bestimmt.

Zwar kann China vieles in Eigenregie umsetzen. Bei Spezialausrüstungen und -maschinen greifen Staat und Unternehmen aber teils auf internationale Expertise zurück. Die Volksrepublik ist kein Mitglied des internationalen Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement; GPA). Die Regierung fährt außerdem zunehmend eine "Buy China"-Politik. Im Mai 2021 wurde laut Pressemeldungen für staatliche Unternehmen eine Liste mit 315 Gütern (Document 551) eingeführt, welche zu 25 bis 100 Prozent lokal eingekauft werden müssen.

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