Branchen | China | Elektromobilität
Fast jeder sechste neue Pkw fährt in China mit Batterie
Mit Zuckerbrot und Peitsche hat China die Kfz-Industrie auf Elektromobilität getrimmt. Bislang haben ausländische Marken das Nachsehen - mit einer Ausnahme.
18.02.2022
Von Corinne Abele | Shanghai
In China drängen Elektrofahrzeuge mit Macht auf den Markt: 2021 wurden allein 3,5 Millionen Fahrzeuge mit alternativem Antrieb (New Energy Vehicles; NEV) verkauft. Davon lief fast jeder sechste Pkw mit Elektromotor. Bezogen auf alle Kfz war es immerhin beinahe jeder siebte Neuwagen und gemäß Plan soll es 2025 jeder fünfte sein. Das steht sowohl im Industrieentwicklungsprogramm „made in China 2025“ aus dem Jahr 2015 als auch im auf 15 Jahre ausgelegten NEV-Industrieentwicklungsprogramm bis 2035. Kenner sind sich jedoch fast sicher, dass der Anteil bereits früher erreicht wird.
Staat treibt Entwicklung des E-Auto-Marktes voran
Für den NEV-Erfolg spielen Subventionen sowie Zulassungsrestriktionen in einer wachsenden Anzahl von Städten eine große Rolle. Zwar wurden 2021 die meisten NEV-Pkw in Shanghai, Shenzhen und Beijing zugelassen, aber am stärksten stiegen die Neuanmeldungen in Suzhou, Hangzhou und Chengdu.
Stadt | Absatz | Veränderung | Anteil |
---|---|---|---|
Shanghai | 244.257 | 90,0 | 8,2 |
Shenzhen | 151.333 | 94,6 | 5,1 |
Beijing | 127.706 | 36,0 | 4,3 |
Hangzhou | 119.993 | 184,0 | 4,0 |
Guangzhou | 119.280 | 124,0 | 4,0 |
Chengdu | 95.772 | 185,7 | 3,2 |
Tianjin | 80.784 | 88,1 | 2,7 |
Zhengzhou | 79.962 | 166,0 | 2,7 |
Chongqing | 63.701 | 134,0 | 2,1 |
Suzhou | 63.697 | 244,0 | 2,1 |
Top Ten | 1.146.485 | 156,0 | 38,3 |
Seit 1. Januar 2022 gibt es nun pro NEV 30 Prozent weniger Subventionen, wie das Finanzministerium online mitteilte. Für unter anderem Transportfahrzeuge, Taxis sowie Fahrzeuge für Mobilitätsplattformen wie Didi oder Postfahrzeuge mit Elektroantrieb beträgt die Kürzung nur 20 Prozent. Da die Subventionen ab 1. Januar 2023 komplett gestrichen werden sollen, dürfte 2022 dennoch ein starkes Absatzjahr für NEV werden.
2020 | Veränderung | 2021 | Veränderung | |
---|---|---|---|---|
NEV gesamt1) | 1.367 | 7,5 | 3.521 | 157,5 |
NEV-Pkw | 1.246 | 11,3 | 3.334 | 167,5 |
BEV2) | 1.000 | 9,4 | 273.4 | 173,5 |
PHEV3) | 247 | 19,6 | 600 | 143,2 |
NEV-Nfz | 121 | -20,8 | 186 | 54,0 |
BEV | 116 | -19,9 | 182 | 57,1 |
PHEV | 4 | -23,8 | 3 | -24,2 |
Brennstoffzellen | 1 | k.A. | 2 | 100,0 |
Sowieso gibt es für Autobauer in China keine Alternative zum E-Auto. Erreichen sie nicht Elektroautoquote und Flottendurchschnittsverbrauch von maximal 5 Liter Benzin pro 100 Kilometer, müssen sie teure Zertifikate von der NEV-Konkurrenz wie BYD oder Tesla kaufen.
Regionale Verteilung der Ladestationen folgt Absatz
Der staatlich erzwungene Siegeszug der Elektromobilität ist auf eine funktionierende Ladeinfrastruktur angewiesen. Ende 2021 gab es für die landesweit an die 8 Millionen NEV auf Chinas Straßen rund 2,6 Millionen Ladesäulen und knapp 1.300 Batterie-Wechselstationen, darunter 1,15 Millionen öffentliche Ladesäulen. Über 70 Prozent davon befinden sich in den zehn Provinzen mit dem höchsten NEV-Absatz. An der Spitze mit einem Anteil von fast 16 Prozent liegt Guangdong, wie die China Electric Vehicle Charging Infrastructure Promotion Alliance berichtet.
Ladesäulen | Anteil | Ladestationen | Anteil | |
---|---|---|---|---|
China gesamt | 1.146.956 | 100,0 | 74.700 | 100,0 |
Guangdong | 181.846 | 15,9 | 11.633 | 15,6 |
Shanghai | 103.249 | 9,0 | 5.870 | 7,9 |
Jiangsu | 97.265 | 8,5 | 6.701 | 9,0 |
Beijing | 96.840 | 8,4 | 5.850 | 7,8 |
Zhejiang | 82.041 | 7,2 | 6.001 | 8,0 |
Shandong | 62.251 | 5,4 | 4.999 | 6,7 |
Hubei | 58.627 | 5,1 | 2.379 | 3,2 |
Anhui | 58.307 | 5,1 | 2.326 | 3,1 |
Henan | 43.556 | 3,8 | 2.119 | 2,8 |
Fujian | 39.853 | 3,5 | 2.350 | 3,1 |
Hängen Chinas Elektroautobauer die Konkurrenz ab?
Chinesische Hersteller wie BYD, Wuling oder die Start-ups NIO und XPeng haben bei Elektromobilität die Nase vorn. Der Anteil chinesischer Marken im Pkw-Markt erreichte 2021 rund 44 Prozent und damit den höchsten Anteil sei Jahren. Bei Elektro-Pkw kommen sie sogar auf fast drei von vier verkauften Fahrzeugen. Die mit vielen elektronischen Gadgets und hoher Internetkonnektivität ausgestatteten Elektro-SUV treffen den chinesischen Kundengeschmack. Allein 395.000-mal wurde der Wuling Hongguang Mini EV im Gesamtjahr 2021 verkauft. Das unschlagbar günstige Elektroauto ist ab 3.600 Euro zu haben und kostet damit nur ein Achtel bis ein Siebtel des günstigsten Tesla-Modells.
Hersteller | Absatz | Veränderung | Marktanteil |
---|---|---|---|
SAIC-GM-Wuling Automobile Co. | 373.553 | 207,5 | 18,9 |
Tesla | 251.801 | 118,9 | 12,7 |
BYD | 246.050 | 197,6 | 12,4 |
Greatwall | 110.780 | 166,0 | 5,6 |
GAC AION | 105.593 | 99,4 | 5,3 |
NIO | 80.384 | 120,6 | 4,1 |
Guangzhou Xiaopeng Motors Technology Company Ltd. | 80.284 | 272,1 | 4,1 |
Chang'An | 77.221 | 278,6 | 3,9 |
Saic | 77.003 | 238,8 | 3,9 |
Chery New Energy | 72.805 | 131,7 | 3,7 |
Einzig Tesla mischt als ausländische Marke bislang ganz vorne mit. Als erster ausländischer Automobilbauer profitierte er 2019 vom Wegfall des Joint-Venture-Zwangs für NEV und zog sein Werk, die Gigafabrik, in Shanghai hoch. Es wird kontinuierlich erweitert. Zum Erfolg trägt die rasche Lokalisierung seiner Lieferketten bei.
Aufholjagd internationaler Hersteller gewinnt an Fahrt
Mit 70.600 Stück verkaufte Tesla allein im Dezember 2021 in China so viele Elektroautos wie Volkswagen im ganzen Jahr. Bis 2023 plant VW seine lokalen Herstellungskapazitäten auf jährlich 900.000 NEV zu erhöhen; BMW plant in seinem Joint Venture Spotlight mit Great Wall bereits ab 2023 batteriebetriebene Mini zu produzieren. Und Mercedes-Benz will bereits 2022 in allen Marktsegmenten auch Elektromodelle anbieten, wie auf der Firmenwebsite dargestellt wird. Demnach sollen ab 2025 alle neuen Fahrzeug-Architekturen nur noch elektrisch sein. Der chinesische Konkurrent BYD wird nach eigener Darstellung bereits ab Ende 2022 keine Kfz mit Verbrennungsmotoren mehr produzieren.
Elektroautos aus China für die Welt
Die Ambitionen sowohl internationaler wie chinesischer Autobauer beschränken sich nicht auf China allein. Tesla exportierte 2021 rund 310.000 Elektroautos aus seiner Gigafabrik in Shanghai in die Welt – viermal so viel wie im Vorjahr und allein 15 Prozent der insgesamt aus China ausgeführten knapp über 2 Millionen Kfz. Auch BMW bringt seine in Shenyang produzierten iX3-Modelle bereits in die Welt. Außerdem planen Daimler und Geely in ihrem Joint Venture in Ningbo künftig batteriebetriebene SMART für China und die Welt zu produzieren.
Export | 2021 | Veränderung |
---|---|---|
Kfz | 2.015 | 101,1 |
Pkw | 1.614 | 100,5 |
NEV-Pkw*) | 296 | 329,5 |
Nfz | 402 | 70,7 |
NEV-Nfz*) | 14 | 78,8 |
Autos chinesischer Marken wie NIO, Xiaopeng, BYD oder Aiways sind außerhalb Chinas bislang nur wenige zu finden. Das dürfte sich 2022 ändern. Im Visier haben chinesische NEV-Bauer zumindest mittel- bis langfristig auch den Aufbau eigener Werke außerhalb Chinas. Vorausgeeilt sind Batteriehersteller wie CATL oder SVOLT, die gewaltige Investitionen in Europa und Deutschland tätigen. Auch Batterierecycling haben sie im Blick.
Das Ziel: Internationale Standards „made in China“
Chinas industriepolitische und tatkräftige finanzielle Unterstützung des NEV-Sektors zielt auf den Aufbau international führender chinesischer Wettbewerber. So setzt das seit Oktober 2021 gültige neue industriespezifische Datenschutzgesetz vor allem internationale Automobilbauer in China unter Druck. Hinzu kommt eine wachsende Einflussnahme Chinas in internationalen Standardgremien. Dort sind chinesische Firmen mit mehr oder weniger staatlicher Anleitung im Bereich batteriebetriebenes autonomes Fahren aktiv, das künftig komplett fahrerfreie Taxiflotten ermöglichen könnte. Standardexperten warnen, Europa drohe seine bislang führende Rolle bei der Setzung internationaler Standards zu verlieren.