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Entwicklungshilfe im Jahr 2022 auf Rekordniveau
Verantwortlich für den Anstieg ist die Versorgung von Flüchtlingen. Für Unternehmen bieten sich bei Projekten in Entwicklungsländern dennoch interessante Geschäftsmöglichkeiten.
28.02.2024
Von Martin Walter | Bonn
Die Zahlungen der Geberländer für Entwicklungshilfe stiegen 2022 kräftig an. Erstmals überstiegen sie die Marke von 200 Milliarden US-Dollar (US$). Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), welche die Zahlen der einzelnen Geberländer zusammenfasst und veröffentlicht, geht von einem Betrag von 211 Milliarden US$ im Jahr 2022 aus.
Weltweite Krisen befeuern die Entwicklungshilfe
Gründe für die Rekordzahlungen der Geberländer sind steigende Ausgaben für die humanitäre Hilfe sowie die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen innerhalb der Geberländer oder in anderen sicheren Drittstaaten. Die Zusagen für die gesamte offizielle Entwicklungshilfe (ODA) stiegen real um 17 Prozent gegenüber 186 Milliarden US$ im Jahr 2021. Die Ausgaben für humanitäre Hilfe und Unterstützung von Flüchtlingen wuchsen von 12,8 Milliarden US$ im Jahr 2021 auf 31 Milliarden US$ im Jahr 2022. Damit beträgt dieser Posten knapp 15 Prozent der gesamten Entwicklungshilfe.
Verantwortlich für den Anstieg im Jahr 2022 ist auch die internationale Unterstützung für die Ukraine nach der Invasion und dem anhaltenden Angriffskrieg Russlands. Die Entwicklungshilfe für die Ukraine belief sich im Jahr 2022 auf insgesamt 16,1 Milliarden US$ - gegenüber 918 Millionen US$ im Jahr 2021. Von den Geberländern hat Polen seine Entwicklungshilfe prozentual am meisten erhöht. Das Land steigerte seine Hilfen aufgrund der Flüchtlingskosten im Jahr 2022 um 268 Prozent auf 3,4 Milliarden US$.
Ohne die Flüchtlingskosten und Ausgaben für humanitäre Hilfe wäre die weltweite Entwicklungshilfe nach Berechnungen der OECD 2022 real nur um 4,6 Prozent gegenüber 2021 gestiegen.
Zur offiziellen Entwicklungshilfe ODA (Official Development Assistance) zählen:
Für die Anrechnung als ODA müssen alle 4 Bedingungen erfüllt sein. |
USA und Deutschland an der Spitze
Die USA sind mit rund 55,3 Milliarden US$ im Jahr 2022 mit Abstand das größte Geberland weltweit. Deutschland belegt mit 35 Milliarden US$ den zweiten Platz im Geber-Ranking. Danach folgen Japan mit 17,5 Milliarden US$ sowie Frankreich und England mit jeweils ungefähr 15,8 Milliarden US$. Somit entfallen auf diese fünf Geberländer mit rund 140 Milliarden US$ fast 70 Prozent der gesamten weltweiten Entwicklungshilfe.
Die EU ist ebenfalls ein wichtiger Geber. Sie hat im Jahr 2022 insgesamt 23,1 Milliarden US$ für Entwicklungshilfe gezahlt. Das beinhaltet einen Anstieg um 30 Prozent gegenüber 2021. Verantwortlich waren auch hier die Hilfen für die Ukraine. Das Land erhielt mit 38,4 Prozent den Löwenanteil der EU-Hilfen.
Entwicklungsbanken finanzieren eine bunte Palette an Projekten
Bei der Entwicklungszusammenarbeit spielen multilaterale Organisationen wie die Vereinten Nationen und Entwicklungsbanken eine wichtige Rolle. Insbesondere die Banken finanzieren einen Großteil der dringend benötigten Infrastruktur in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dazu gehören Straßen, Brücken, Schienenverbindungen, Energieerzeugung und Wasserversorgung.
Unternehmen bieten sich Geschäftschancen
Da die Versorgung von Flüchtlingen in Geberländern nur 15 Prozent der weltweiten Entwicklungshilfe ausmacht, bieten sich für deutsche Unternehmen weiterhin interessante Geschäftsmöglichkeiten in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Die auch ohne Flüchtlingskosten insgesamt gestiegenen Zahlungen für Entwicklungshilfe sind gute Nachrichten für Unternehmen. Aus den Zahlungen werden konkrete Entwicklungsprojekte beim Ausbau der Infrastruktur oder in sozialen Bereichen wie Bildung, Ernährung und Gesundheit.
Die Geberorganisationen schreiben die für die Durchführung von Entwicklungsprojekten benötigten Bau-, Liefer- und Beratungsleistungen oft international und in transparenten Verfahren aus.
Tipps für die Geschäftsanbahnung
Interessierte Unternehmen sollten folgende Hinweise berücksichtigen, um bei den Ausschreibungen der Geberorganisation erfolgreich mitbieten zu können:
In einem ersten Schritt sollten Unternehmen die Länderstrategien der Geber kennen. Dort lässt sich schnell erkennen, in welchen Bereichen es Geschäftsmöglichkeiten in einem Entwicklungs- oder Schwellenland gibt. In einem zweiten Schritt können interessierte Unternehmen dann konkrete Informationen zu geplanten Projekten einholen.
Wichtig ist dabei zu wissen, dass die Banken die Projekte zwar finanzieren, aber nicht selbst vor Ort durchführen. Im Projektland kann die verantwortliche Organisation beispielsweise das Verkehrs- oder Landwirtschaftsministerium, ein Wasser- oder Energieversorger oder eine Stadtverwaltung sein. Unternehmen sollten früh mit der Durchführungsorganisation in Kontakt treten. Viele Projekte verfügen über einen Beschaffungsplan (procurement plan). Dieser lässt erkennen, welche Ausschreibungen geplant sind und wann diese stattfinden.
Zu beachten ist auch, dass Ausschreibungsverfahren formale Prozesse sind. Anbieter müssen strikt darauf achten, dass sie die Anforderungen korrekt erfüllen und alle benötigten Unterlagen vollständig einreichen.
Relevant sind auch Referenzen im betreffenden Land oder zumindest in der Region. Ohne sie sind die Erfolgschancen für Neulinge eher gering. Als Einstieg empfiehlt sich in jedem Fall die Teilnahme als Unterauftragnehmer in einem Bieterkonsortium mit anderen erfahreneren Unternehmen und lokalen Partnern. Entsprechende Unternehmen sind in den Vergabestatistiken der Banken zu finden und können gezielt angesprochen werden.
Consultingunternehmen und Einzelberater können sich bereits bei der Projektvorbereitung und Erstellung von Vorstudien auf entsprechende Ausschreibungen bewerben.
Germany Trade & Invest veröffentlicht tagesaktuelle Informationen zu den Projekt- und Ausschreibungsmeldungen der wichtigsten Geber in deutscher Sprache.