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Klimafinanzierung: Das 100-Milliarden-Dollar-Versprechen
Im Kampf gegen den Klimawandel verpflichten sich die Industrieländer - zunächst bis 2025 - Rekordsummen in ärmere Länder zu investieren. Doch wer kontrolliert das eigentlich?
14.03.2022
Von Constanze González-Schründer | Bonn
Die Industrieländer haben sich vorgenommen, 100 Milliarden US-Dollar im Jahr für die Klimafinanzierung in Entwicklungsländern auszugeben. Dabei wurde der Begriff Klimafinanzierung vom Sekretariat des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) geprägt. Klimafinanzierung hat zum Ziel, Kosten für den globalen Klimaschutz gerecht zu verteilen. Wirtschaftlich leistungsfähige Länder, die den Klimawandel primär verursacht haben, sind nun in der Pflicht, zu zahlen. Sie sollen Maßnahmen finanzieren, die den Klimawandel eindämmen und die negativen Folgen abschwächen - auch in Entwicklungsländern.
UN-Klimarahmenkonvention: Hier wird gesteuert und geplant
Man nennt das UNFCCC auch die UN-Klimarahmenkonvention. Sie wurde 1992 auf dem UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro gegründet. Dort haben sich die Industrieländer dazu verpflichtet, Entwicklungsländer mit finanziellen Mitteln im Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Um Maßnahmen abzustimmen und Aktivitäten zu planen, treffen sich die 197 Mitgliedsländer des UNFCCC jährlich auf den Vertragsparteienkonferenzen COP (Conference of the Parties).
Öffentliche Gelder reichen nicht aus, um den Klimawandel zu stoppen. Banken, institutionelle Investoren, Unternehmen und Kapitalmärkte - alle müssen ihre Finanzflüsse auf dieses Ziel ausrichten. Der größte Teil wird aber aus öffentlichen Mitteln finanziert. Wie behält man das alles im Blick? 2010 beschlossen die Vertragsparteien auf der COP 16 in Cancún dafür ein neues Gremium einzurichten: den ständigen Finanzausschuss SCF (Standing Committee on Finance).
Das Standing Committee on Finance
Der SCF ist das Gremium, in dem die globale Klimafinanzierung zusammenläuft. Er unterstützt die Vertragspartner dabei, ihre Klimafinanzierung miteinander abzustimmen, und es koordiniert die Finanzströme der Partner. Außerdem hilft er den Vertragspartnern, zusätzliche Mittel zu mobilisieren und prüft, ob das alles stimmig zusammenpasst. Der SCF macht Vorschläge zur Umsetzung der Klimaziele und zu den zugrundeliegenden Finanzmechanismen. Alle zwei Jahre legt er den Vertragspartnern eine Bewertung der Klimafinanzströme vor. Das dient vor allem dazu, die Wirksamkeit der Klimafinanzierung sicherzustellen. Deshalb müssen Deutschland und die übrigen Mitgliedsländer alle zwei Jahre an die UNFCCC über die von ihnen geleistete Klimafinanzierung berichten.
OECD: Hier wird kontrolliert und überwacht
Die Abteilung für Entwicklungszusammenarbeit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat eine Schlüsselrolle beim Monitoring der Klimafinanzierung von Industrieländern an Entwicklungs- und Schwellenländer. Seit 1998 sind die Industrieländer verpflichtet, diese Finanzdaten jährlich an die OECD zu berichten. Um die Angaben vergleichbar zu machen, nutzt sie fünf verschiedene Variablen.
Das Rio-Marker-System
Auf der UN-Umweltkonferenz 1998 in Rio de Janeiro verabschiedeten die Teilnehmenden verbindliche Konventionen zum Erhalt der Biodiversität sowie zur Bekämpfung des Klimawandels und der Wüstenbildung. Im Anschluss daran hat die OECD die sogenannten Rio-Marker eingeführt. Das Rio-Marker-System ist ein Instrument, das die OECD zur Berichterstattung und zum Monitoring von Klimafinanzierung und Investitionen in klimarelevante Bereiche nutzt. 2010 nahm die OECD den Rio-Marker zur Anpassung an den Klimawandel hinzu. Ein weiterer Umwelt-Marker bildet vor allem Ausgaben für lokal wirksame Umweltprojekte ab. Alle fünf Marker werden zunehmend auch außerhalb der Entwicklungszusammenarbeit genutzt.
Jede Projektmaßnahme wird geprüft
Industrieländer und andere Geber dokumentieren für jedes Projekt, welche Aktivitäten welche Wirkung auf den Klimaschutz haben. Dafür nutzen sie die Rio-Marker. Betrachtet man beispielsweise ein Projekt zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs einer Großstadt, dann sind für jede Projektkomponente verschiedene Maßnahmen beschrieben. Eine Maßnahme, deren primäres Ziel es ist, die Biodiversität zu erhalten, bekommt zwei Punkte. Eine, die nur signifikant zu diesem Ziel beiträgt, bekommt einen Punkt. Null Punkte bedeuten, eine Maßnahme ist nicht klimawirksam. So werden Punkte nicht pauschal einem Sektor zugeordnet (Transportwesen), sondern den Aktivitäten, die sich positiv auf den Klimaschutz auswirken. Die OECD verspricht sich davon eine präzise Berichterstattung. Sie hat eine Taskforce eingerichtet, die das Rio-Marker-System regelmäßig prüft, um Klima- und Umweltstatistiken zu verbessern.
Das 100-Milliarden-Dollar-Ziel
Auf der Pariser Klimakonferenz 2015 sicherten die Industrieländer den Entwicklungs- und Schwellenländern zu, ab 2020 und bis 2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz bereitzustellen. Auf Initiative ihrer 38 Mitgliedsländer analysiert die OECD seit 2015 diese Finanzströme und prüft, ob das Versprechen eingehalten wird. Für ihre Analysen schaut die OECD auf vier Kategorien der Klimafinanzierung:
- bilaterale öffentliche Klimafinanzierung, zum Beispiel Fördermittel aus dem Bundeshaushalt
- multilaterale öffentliche Klimafinanzierung, zum Beispiel Zuschüsse aus der EU
- Exportkreditgarantien, zum Beispiel Hermes-Bürgschaften
- private Klimafinanzierung, zum Beispiel Investitionen des Privatsektors
Sind wir auf einem guten Weg?
Die OECD rechnete im Oktober 2021 damit, dass 2023 das 100-Milliarden-Dollar-Ziel erreicht wird. Diese Prognose steht aus verschiedenen Gründen auf wackeligen Beinen. Das öffentliche Finanzwesen der Geberländer unterliegt legislatur- und konjunkturbedingt Schwankungen. Die Entwicklungsbanken sind den Trends der Kapitalmärkte ausgesetzt und es ist unklar, wie viel privates Kapital für Klimaziele mobilisiert werden kann. 2019 lag der Betrag bei 79,6 Milliarden US-Dollar. Außerdem lässt der Krieg in der Ukraine vermuten, dass öffentliche Gelder neu zugeteilt werden. Zudem hat die Covid-19 Pandemie zusätzliche Mittel gebunden, die für den Klimaschutz fehlen könnten.