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EU Flaggs Four European Union flags waving in the wind | © GettyImages/Richard Sharrocks

Branchenbericht EU Gesundheitswesen

EU-Gesundheitspolitik

Gesundheitspolitik ist grundsätzlich Aufgabe der Mitgliedstaaten. Die EU besitzt besondere Kompetenzen, etwa zur Pandemiebekämpfung.

Von Walter Liedtke (pressto GmbH), Kristina Franke (pressto GmbH) | Köln

Die Gesundheitspolitik ist nationale Aufgabe eines jeden EU-Mitgliedsstaats. Die EU übernimmt allerdings einige besondere Aufgaben, etwa koordinierende Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung oder zur Bekämpfung von Krebserkrankungen. Eine weitere EU-Kompetenz sind die Verordnungen für den Vertrieb von Medizinprodukten. Wir erklären Ihnen hier die grundlegenden Strukturen, Strategien und Institutionen der EU-Gesundheitspolitik.


  • EU-Richtlinien zu Medizinprodukten

    Für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika gelten europaweit einheitliche Regelungen. Das dient der Sicherheit und Wirksamkeit der Produkte.  

    Grundsätzlich ist die Gesundheitspolitik in der EU ein Bereich, über den die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten autark bestimmen. Die Regulierung für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika ist eine Ausnahme.

    Das gesamte System wird grundlegend erneuert

    Bis zum Jahr 2022 macht dieser Regulierungsbereich eine große Metamorphose durch.

    • Das bisher gültige System umfasste drei Richtlinien (über aktive implantierbare medizinische Geräte, Medizinprodukte sowie In-vitro-Diagnostika) sowie eine Verordnung (über Medizinprodukte). Eine Website der Europäischen Kommission gibt einen kompakten Überblick zu den alten Regelungen.
    • Seit Mai 2021 bzw. Mai 2022 gelten nur noch zwei Verordnungen – eine über Medizinprodukte (MDR) und eine über In-vitro-Diagnostika (IVDR). Auch hierzu gibt es eine Website der EU-Kommission mit allen wesentlichen Informationen. Man findet Links zu den neuen Verordnungen im Wortlaut sowie zu diversen Berichtigungen und Durchführungsverordnungen.

    Die wesentlichen Neuerungen beider Verordnungen 

    • Die neuen Vorschriften sehen einen besseren Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Patientensicherheit vor. Vor allem Hochrisikoprodukte werden einer strengeren Kontrolle vor dem Inverkehrbringen unterzogen. Bestimmte ästhetische Produkte wie farbige Kontaktlinsen oder Geräte für die Fettabsaugung, die ein hohes Risiko für Verbraucher darstellen, sowie Praktiken wie die Wiederaufbereitung von Einwegprodukten werden in den Geltungsbereich der neuen Verordnungen aufgenommen und einer strengeren und stärker harmonisierten Regelung unterworfen. Vorschriften für die klinische Bewertung und Prüfung werden allgemein verschärft und es werden strengere Anforderungen an die Verwendung gefährlicher Stoffe eingeführt.
    • Es wird eine EU-Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) geschaffen, die ein umfassendes Bild über den Lebenszyklus aller auf dem EU-Markt erhältlichen Produkte enthält.
    • Es gibt ein neues System zur Produktidentifizierung auf der Grundlage einer eindeutigen Produktkennung (UDI), das eine leichtere Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten ermöglicht.
    • Es wird eine sogenannte Implantatkarte für Patienten eingeführt, die Informationen über implantierte Medizinprodukte für den jeweiligen Patienten leicht verfügbar und zugänglich macht.
    • Patienten sollen entschädigt werden, wenn sie fehlerhafte Produkte erhalten. Die Verordnungen verlangen von den Herstellern, dass sie eine ausreichende finanzielle Deckung in Bezug auf ihre potenzielle Haftung gewährleisten, damit Patientinnen und Patienten schnell und effektiv entschädigt werden, auch im Falle einer Insolvenz des Unternehmens.

    Anpassungen in deutschen Gesetzen

    Diese Regelungen sind Verordnungen und gelten damit nach Inkrafttreten unmittelbar in jedem Mitgliedsland. Die nationalen Gesetze müssen innerhalb einer Übergangsfrist an die neue EU-Verordnung angeglichen werden.

    In Deutschland war dazu das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) notwendig. Zuvor hatte es auf Bundesebene einen Nationalen Arbeitskreis zur einvernehmlichen Implementierung der beiden neuen EU-Verordnungen mit allen Stakeholdern gegeben.

    Die Medizinprodukteverordnung MDR (EU) 2017/745

    Am 26. Mai 2021 ist die neue Medizinprodukteverordnung in Kraft getreten. Eigentlich sollte sie schon ein Jahr zuvor verbindlich werden, doch dies wurde verschoben, um angesichts der Coronapandemie den Druck von den nationalen Behörden, den Benannten Stellen, Herstellern und anderen Akteuren zu nehmen.

    Die wichtigsten Neuerungen der MDR finden Sie auf der Website der EU-Kommission übersichtlich zusammengefasst.

    Der Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BVMed) hat auf seiner Website ein eigenes Informationsportal zur Umsetzung der MDR eingerichtet. Eine Folge der neuen MDR ist, dass alle Medizintechnikprodukte bei den sogenannten Benannten Stellen ganz neu registriert werden müssen, damit sie in der EU gehandelt werden können.

    Die In-Vitro-Diagnostika-Verordnung IVDR (EU) 2017/746

    Am 26. Mai 2022 trat die neue In-Vitro-Diagnostika-Verordnung in Kraft. Wichtige Änderungen sind:

    • Die Produkte werden jetzt in vier Klassen statt in zwei Listen eingeteilt.
    • Die Menge der möglichen Konformitätsbewertungsverfahren wurde auf drei Verfahren reduziert.
    • Die EU-Kommission kann zusätzlich zu bestehenden Normen sogenannte gemeinsame Spezifikationen (common specifications) festlegen, die die Hersteller einhalten müssen.
    • Hersteller sind dazu verpflichtet, die Produkte über eine eindeutige Produktkennung (UDI) zu kennzeichnen und Informationen in der Datenbank EUDAMED zu hinterlegen.
    • Jeder Hersteller eines IVD muss über ein Qualitätsmanagementsystem verfügen.

    Weiterführende Informationen

    Von Walter Liedtke (pressto GmbH) | Köln

  • Die Europäische Arzneimittelstrategie

    Die EU-Kommission gestaltet das Arzneimittelsystem der EU um. Alle Bürger sollen einen gleichberechtigten Zugang zu sicheren, modernen und erschwinglichen Therapien erhalten.

    Die EU-Kommission plant, das Arzneimittelsystem der EU bis zum Ende des Jahres 2024 umzugestalten. Deshalb hat sie Ende 2020 eine neue Arzneimittelstrategie veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Sie ist eine wichtige Säule der geplanten europäischen Gesundheitsunion und soll allen Menschen in der EU einen gleichberechtigten Zugang zu sicheren, modernen und erschwinglichen Therapien ermöglichen.

    Das Ziel ist, „eine starke, faire, wettbewerbsfähige und ökologische Branche zu schaffen, die den Patientinnen und Patienten zugutekommt und das Potenzial des digitalen Wandels im Gesundheits- und Pflegebereich ausschöpft“, heißt es im Entwurf der Arzneimittelstrategie: „Wir brauchen gut funktionierende internationale Lieferketten und einen gut funktionierenden Binnenmarkt für Arzneimittel, basierend auf einem Konzept, das den gesamten Lebenszyklus von Arzneimitteln erfasst, von der Herstellung bis hin zu Vertrieb, Verbrauch und Entsorgung.“ Die Strategie befindet sich bis zum vierten Quartal des Jahres 2022 im Abstimmungsprozess.

    Defizite wurden benannt

    Die Kommission sieht diverse Defizite, die durch die Coronapandemie besonders offensichtlich geworden sind. Sie stellt unter anderem fest:

    • Innovative Therapien erreichen nicht alle Menschen in Europa mit der gleichen Geschwindigkeit.
    • Patientinnen und Patienten haben aufgrund von Engpässen keinen Zugang zu den von ihnen benötigten Medikamenten.
    • Die Gesundheitssysteme und die Patienten haben Schwierigkeiten, die Kosten für Arzneimittel zu tragen.
    • Die EU ist beim Import von Arzneimitteln und ihren Wirkstoffen zunehmend von Drittländern abhängig.
    • Es gibt Probleme bei der Antibiotikaresistenz und der ökologischen Nachhaltigkeit von Arzneimitteln.

    Strategische Antworten

    Um den zunehmenden Medikamentenbedarf zu decken, will die Strategie zum Beispiel Forschung und Innovation für neue Behandlungen, Impfstoffe und Antibiotika stärken. Dafür soll auch ein besserer Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln sorgen. Alle Akteure auf EU-Ebene sollen bei der Preisgestaltungs- und Kostenerstattungspolitik zusammenarbeiten. Die EU-Kommission strebt auch einen stärkeren Wettbewerb im Bereich der Generika und Biosimilar-Arzneimittel an.

    Als Reaktion auf größere Gesundheitskrisen und die nicht ausreichende strategische Autonomie ist ein weiteres Ziel robustere Lieferketten zu schaffen – durch strategische Bevorratung und mehr Produktion und Investitionen in Europa. Auch die Umweltauswirkungen von Arzneimitteln sollen verringert werden. Im Bereich Digitalisierung und neue Technologien will die EU-Kommission den Weg für Spitzenprodukte, wissenschaftliche Entwicklungen und technologischen Wandel bereiten.

    Konkrete Maßnahmen

    Die Strategie bildet das gemeinsame Dach für eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen. Dazu gehören neben umfangreichen Konsultationen zu der Strategie auch folgende Punkte:

    • Die grundlegenden Rechtsvorschriften über Arzneimittel werden überarbeitet. Im vierten Quartal des Jahres 2022 will die EU-Kommission den Entwurf für die neue allgemeine Rechtsvorschrift für Arzneimittel annehmen.
    • Es wird eine EU-Behörde für die Krisenreaktion bei gesundheitlichen Notlagen gegründet. Mehr zur EU-Gesundheitsbehörde HERA
    • Es wird ein gemeinsamer Raum für Gesundheitsdaten geschaffen. Mehr zum Europäischen Raum für Gesundheitsdaten

    Weiterführende Informationen

    Factsheet

    Kompletter Text der Arzneimittelstrategie 

    Pressemitteilung der Europäischen Kommission

    Von Walter Liedtke (pressto GmbH) | Köln

  • Die EU-Gesundheitsbehörde HERA

    Mit der neuen Behörde HERA will die EU-Kommission Europa besser vor Gesundheitsnotlagen schützen. Im Fall von Krisen soll das Notfallmanagement dort effektiver gesteuert werden.  

    Die Europäische Gesundheitsbehörde Health Emergency Preparedness and Response Authority (HERA) soll Pandemien und andere Gesundheitsgefahren künftig frühzeitig erkennen und im Notfall für die flächendeckende Versorgung mit Medikamenten, Impfstoffen, Masken und Schutzkleidung sorgen. HERA wurde 2021 innerhalb der EU-Kommission eingerichtet und ist ein zentrales Element der EU-Gesundheitsunion.

    Vorsorgephase und Krisenphase

    HERA arbeitet in zwei verschiedenen Modi: im Vorsorge- und im Krisenmodus. In der Phase der Vorsorge vor möglichen Gesundheitskrisen führt sie Gefahrenanalysen durch und entwickelt Vorhersagemodelle für potenzielle künftige Notlagen. Dabei arbeitet sie eng mit anderen Gesundheitsbehörden, der Industrie und internationalen Partnern zusammen.

    Wird eine Gesundheitsnotlage auf EU-Ebene ausgerufen, schaltet die HERA in den Krisenmodus um, um rasch Entscheidungen treffen und Sofortmaßnahmen ergreifen zu können. Die sogenannte EU-FAB-Fazilität wird aktiviert, ein Netz ständig einsatzbereiter Produktionskapazitäten für die Herstellung von Impfstoffen und Arzneimitteln. Sie soll stets Produktionskapazitäten für 500 bis 700 Millionen Impfstoffdosen pro Jahr für die EU sicherstellen. Die Hälfte hiervon soll bereits in den ersten sechs Monaten einer Pandemie bereit stehen.

    Kernaufgaben der HERA

    • Biologische und andere Gesundheitsbedrohungen kurz nach ihrem Auftreten erkennen, ihre Auswirkungen bewerten und potenzielle Gegenmaßnahmen wie Impfstoffe, Antibiotika, medizinische Geräte und Therapeutika identifizieren
    • Forschung und Innovation zur Entwicklung wirksamer, sicherer und erschwinglicher medizinischer Gegenmaßnahmen fördern
    • Verfügbarkeit kritischer Technologien und Produktionsstätten für medizinische Gegenmaßnahmen ermitteln und gewährleisten
    • Bereitstellung medizinischer Gegenmaßnahmen durch die Nutzung von Lagerhaltung und EU-Beschaffung gewährleisten
    • Kenntnisse und Fähigkeiten stärken mit dem Ziel, die Kapazitäten der Mitgliedstaaten im Bereich der Vorsorge und Reaktion auf Gesundheitsbedrohungen zu verbessern

    Mobilisierung der Industrie

    Für die Entwicklung, Herstellung, Beschaffung und Verteilung von Medizinprodukten ist die Zusammenarbeit mit der Industrie von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund hat die HERA ein gemeinsames Forum für industrielle Zusammenarbeit eingerichtet, das sich aus Vertretern der Industrie und der Kommission zusammensetzt.

    Darüber hinaus will die EU-Behörde neue Industriepartnerschaften fördern, die durch die Organisation europaweiter Matchmaking-Veranstaltungen unterstützt werden. Sie bauen auf der Arbeit der Taskforce für den Ausbau der industriellen Produktion von COVID-19-Impfstoffen und -Therapeutika (TFIS) auf. HERA nutzt auch andere Instrumente wie das Innovationspartnerschaft-Verfahren, das eine flexible Zusammenarbeit zwischen Käufern der öffentlichen Hand und Wirtschaftspartnern bei der Auftragsvergabe fördert.

    Die nächsten Schritte

    Am 10. Februar 2022 wurde der erste Arbeitsplan der HERA vorgestellt. Daraus geht hervor, dass die Behörde 2022 über ein Budget von 1,3 Milliarden Euro verfügt. Diese Mittel werden unter anderem in die Beschaffung und Lagerung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (rund 580 Millionen Euro) sowie in die Erforschung und Entwicklung von medizinischen Gegenmaßnahmen und innovativen Technologien gegen neue Bedrohungen (rund 300 Millionen Euro) investiert.

    Zudem sollen ein Echtzeit-Frühwarnsystems für Gesundheitsgefahren und eine spezielle IT-Plattform für die Bewertung der Bedrohungslage eingeführt werden. Bis 2027 stehen HERA insgesamt sechs Milliarden Euro zur Verfügung. Weitere Informationen gibt es auf der englischsprachigen Website der EU-Kommission.

    Von Kristina Franke (pressto GmbH) | Köln

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