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Nachhaltigkeit bei Ausschreibungen gewinnt an Bedeutung
Nachhaltigkeitskriterien bei europäischen Ausschreibungen für die Gesundheitswirtschaft eröffnen Unternehmen neue Marktanteile. Sie erfordern jedoch Anpassungen der Produkte.
20.09.2024
Von Harald Mylord | Berlin
Der europäische Gesundheitssektor trägt etwa 14 Prozent zum jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Europäischen Union bei. Diese wirtschaftliche Bedeutung ist ein starker Hebel für breitere gesellschaftliche Auswirkungen. Die EU und deren Mitgliedsländer legen immer mehr Wert darauf, diesen Einfluss zur Förderung der Nachhaltigkeit zu nutzen. In diesem Zuge hat sich Nachhaltigkeit zu einem zentralen Thema im europäischen Gesundheitswesen entwickelt. Die steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen und sozial verantwortlichen Produkten und Dienstleistungen hat dazu geführt, dass Nachhaltigkeit zunehmend in den Mittelpunkt vieler politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen gerückt ist.
Strategische Beschaffung als neues Konzept für mehr Nachhaltigkeit
Öffentliche Ausschreibungen spielen eine zentrale Rolle bei der Förderung der Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen. Durch die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in Ausschreibungen können Leistungserbringer und öffentliche Auftraggeber sicherstellen, dass Hersteller und Zulieferer von Produkten und Dienstleistungen Aspekte von Lebenszykluskosten, Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit berücksichtigen. Dabei geht das Konzept der strategischen Beschaffung über die traditionellen Auswahlkriterien wie Kosteneffizienz und Qualität hinaus und bezieht ökologische Nachhaltigkeit und gesellschaftliches Wohlergehen in die Kaufentscheidungen mit ein.
Rechtliche Regelungen erhöhen den Druck
Die Europäische Union hat eine Reihe von Richtlinien und Verordnungen erlassen, die die Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen fördern sollen. Mit der Einführung des Green Deals der EU und der Verabschiedung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) wurde der Druck auf Unternehmen erhöht, Nachhaltigkeitsrisiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette offenzulegen und ihnen zu begegnen. Die EU-Vergaberichtlinien fördern die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in öffentliche Ausschreibungen. Europäische Ausschreibungen sind erforderlich, wenn der geschätzte Auftragswert bestimmte Schwellenwerte überschreitet. Obwohl EU-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden müssen, haben die Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum bei der Art und Weise, wie sie diese überführen. Daher gibt es Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien.
Anpassungserfordernisse und Marktperspektiven für deutsche Unternehmen
Nachhaltige Beschaffung im europäischen Gesundheitswesen bietet deutschen Unternehmen sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Die Entwicklung von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen ist zunächst mit höheren Kosten verbunden. Unterschiedliche regulatorische Anforderungen in den EU-Ländern können die Umsetzung erschweren und den Aufwand bei der Erschließung neuer Absatzmärkte erhöhen. Die in öffentlichen Ausschreibungen geforderten Innovations- und Nachhaltigkeitskriterien ermöglichen es den Unternehmen nachhaltige Lösungen und Technologien anzubieten, die über rein preisliche Aspekte hinaus gehen. Langfristig haben nachhaltige Produkte aufgrund von Faktoren wie Energieeffizienz und Langlebigkeit niedrigere Lebenszykluskosten und führen so zu Kosteneinsparungen. Die Harmonisierung der Vergabeverfahren innerhalb der EU eröffnen Unternehmen Zugang zu einem größeren Markt. Diese können sich auf alle Ausschreibungen in den Mitgliedsstaaten bewerben und dadurch neue Marktanteile sichern.
Beispiele nachhaltiger Beschaffung im EU-Gesundheitswesen
In Europa setzen Länder wie Dänemark, Schweden, das Vereinigte Königreich und die Region Katalonien auf innovative Ansätze, um ihre Gesundheitsversorgung umweltfreundlicher sowie sozial verantwortlicher zu gestalten.
Dänemark: Pionier der zirkulären Beschaffung
Dänemark ist bekannt für seine Vorreiterrolle in der zirkulären Beschaffung. Hierbei liegt der Fokus auf der Wiederverwendung und dem Recycling von Produkten, um Abfall zu reduzieren und die Lebensdauer von Materialien zu verlängern. Dänische Krankenhäuser setzen zunehmend auf medizinische Geräte und Verbrauchsmaterialien, die umweltfreundlich entsorgt oder recycelt werden können. Diese Strategie trägt nicht nur zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks bei, sondern fördert auch eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft.
Schweden: Integration von Nachhaltigkeit in die Gesundheitsversorgung
Schweden verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur nachhaltigen Beschaffung im Gesundheitswesen. Das Land integriert ethische Beschaffung und ökologische Nachhaltigkeit in seine Einkaufspraktiken. Dies umfasst die Auswahl von Produkten, die unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden und zur Reduzierung von Abfällen und Emissionen führen. Zur Qualitätskontrolle arbeiten Schwedische Krankenhäusereng mit Lieferanten zusammen. So wird sichergestellt, dass die beschafften Produkte sowohl medizinischen Standards als auch Nachhaltigkeitskriterien entsprechen.
Vereinigtes Königreich: Fokus auf CO2-Reduktion
Im Gesundheitswesen im Vereinigten Königreich liegt der Schwerpunkt auf der Reduktion von CO2-Emissionen. Der National Health Service (NHS) hat sich verpflichtet, bis 2040 klimaneutral zu werden. Dies beinhaltet die Beschaffung von energieeffizienten Geräten, die Förderung von Recyclingprogrammen und die Zusammenarbeit mit Lieferanten, um nachhaltige Lieferketten zu gewährleisten.
Katalonien: Vorkommerzielle Beschaffung zur Förderung von Innovation
Katalonien setzt auf vorkommerzielle Beschaffung (Pre-Commercial Procurement), um innovative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie antimikrobielle Resistenz zu entwickeln. Durch die Fokussierung auf die vorkommerzielle Phase fördert die Region Katalonien die Entwicklung nachhaltiger und innovativer Produkte, die sowohl ökologische als auch gesundheitliche Vorteile bieten. Diese Strategie positioniert die Region als Vorreiter in der nachhaltigen Gesundheitsversorgung und Innovationsförderung.