Frankreichs Nahrungsmittelindustrie steht unter Innovationsdruck. Die Branche muss sich auf ändernde Verbrauchervorlieben einstellen und in eine effizientere Produktion investieren
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der Haushaltsausgaben entfielen im Jahr 2023 auf Lebensmittel.
Nach einem schwierigen Jahr 2023, geprägt von starken Preisschüben und Kaufzurückhaltung auf Verbraucherseite, hellt sich die Lage für die französische Lebensmittelindustrie zu Beginn des Jahres 2024 wieder auf. Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln von 11,3 Prozent für das Gesamtjahr 2023 zwangen Haushalte zum Sparen.
Dabei sind Verbraucher in Frankreich durchaus bereit, einen hohen Anteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel auszugeben. Nach den Wohnkosten sind die Ausgaben für Nahrungsmittel mit einem langjährigen Anteil von durchschnittlich 21 Prozent an den Gesamthaushaltsausgaben der zweitwichtigste Posten im Budget französischer Haushalte. Im Jahr 2023 erreichte der Anteil sogar 22,2 Prozent. In Deutschland liegt der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den Konsumausgaben laut Destatis bei lediglich rund 15 Prozent.
Vom Volumen her gingen im Jahr 2023 sowohl Produktion als auch Absatz zurück. Das Produktionsvolumen sank um 3,5 Prozent, die Verkäufe um 3,6 Prozent. Angesichts von Preissteigerungen in der Produktion stieg hingegen der Produktionswert im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um nominal 7 Prozent, so das staatliche Statistikamt INSEE. Auch die Umsätze legten um nominal 6,7 Prozent zu.
Verkäufe ziehen wieder an
Zwar achten französische Verbraucher auch im Jahr 2024 noch auf ihr Budget. Angesichts aber leicht sinkender Lebensmittelpreise kaufen Verbraucher wieder etwas sorgloser ein. So stiegen laut INSEE die Verkaufsvolumina im 1. Quartal 2024 gegenüber dem Vorquartal um 1,4 Prozent.
Auch die Produktion zieht langsam an und steigerte sich in den ersten zwei Monaten des Jahres 2024 um 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Umsätze gehen hingegen aufgrund sinkender Preise nominal um 0,6 Prozent zurück.
Nicht alle Produktgruppen können gleichermaßen vom leichten Aufleben des Konsums profitieren. Insbesondere die Hersteller von Ölen und Fetten und Molkereiprodukten sowie die Fleischindustrie verzeichnen sinkende Umsätze. Gerade der Rinder- und Schweinefleischverzehr nimmt seit 2021 ab. Verbraucher schwenken auf günstigeres Hühner- oder Putenfleisch oder teils fleischarme oder -lose Gerichte um. Besser läuft es hingegen für den Obst- und Gemüsebereich sowie die Bäckerei- und Konditoreiindustrie.
Angesichts eines volatilen wirtschaftlichen Umfelds und schwankender Verbraucherstimmung bleiben Unternehmen vorsichtig. Sie erwarten für die kommenden drei Jahre einer Umfrage von EY und ILEC zufolge ein lediglich schwaches Branchenwachstum in Höhe von rund 2 Prozent pro Jahr.
Gesunde Alternativen sind gefragt
Nicht nur der Preis bestimmt das Einkaufsverhalten des französischen Verbrauchers. Auch die französische Herkunft von Lebensmitteln ist ein wichtiges Auswahlkriterium. Zudem verändern sich die Geschmacksvorlieben und Ansprüche an Nahrungsmittel. Von der Lebensmittelindustrie ist Anpassung und Kreativität gefordert.
Der Druck, gesündere Nahrungsmittel herzustellen, nimmt zu. Stark verarbeitete oder süße und fettige Nahrungsmittel verlieren in der Käufergunst. Trends wie die Entwicklung von vegetarischen und veganen Produkten gewinnen hingegen an Bedeutung. Anders als in Deutschland sind diese Produkte in französischen Supermärkten noch wenig vertreten. Das Nitritverbot ab 2030 fordert insbesondere in der fleischverarbeitenden Industrie Anpassungsmaßnahmen.
Der Biobereich kann vom Trend zu gesünderem Essen jedoch bislang nicht profitieren. Verbraucher vertrauen auf eine hohe Qualität französischer Standardprodukte. Angesichts nach wie vor hoher Lebensmittelpreise verzichten Verbraucher daher auf den Kauf der häufig noch teureren Bioprodukte. Vom Volumen her lag der Anteil von Bioprodukten bei den Lebensmitteleinkäufen im Jahr 2023 bei nur noch 5,6 Prozent, im Jahr 2021 lag er noch bei 6,4 Prozent. Volumenmäßig sind die Verkäufe von Biolebensmitteln im Jahr 2023 um 7 Prozent zurückgegangen. Allerdings konnte auch der Biobereich im Jahr 2023 seine Umsätze mit 12 Milliarden Euro konstant halten.
Lebensmittelbranche steht im technologischen Umbruch
Frankreichs exportstarke Lebensmittelindustrie muss technologisch aufrüsten, auch um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden zumindest bei den Branchengrößen unverzichtbarer Bestandteil der Produktion. Dies dient nicht nur dem Zweck der Prozessoptimierung, sondern auch der Entwicklung neuer Produkte und Produktgruppen. So hat die Bel-Gruppe im Juli 2024 angekündigt, in Kooperation mit Dassault Systems die digitale Umwandlung ihrer Produktion vorantreiben und auch mithilfe künstlicher Intelligenz laktosefreie und vegane Produkte entwickeln zu wollen.
Im internationalen Vergleich hohe Stromkosten und immer häufiger auftretende Wasserkrisen erfordern Investitionen in die effizientere Nutzung dieser knappen Ressourcen. Bislang wurden die Versuche sparsamerer Wassernutzung, insbesondere die Wiederverwendung von Gebrauchtwasser, durch konträre gesetzliche Vorgaben behindert. Seit Anfang Juli 2024 ist es regulativ allerdings möglich, auch in der Lebensmittelverarbeitung Gebrauchtwasser zu nutzen. Damit sind, so Schätzungen des Landwirtschaftsministerium zufolge, je nach Geschäftsmodell, Frischwassereinsparungen von 15 bis 80 Prozent möglich.
Nachhaltigkeit wird zum Wettbewerbsvorteil
Die ökologische Transformation ist auch in der Nahrungsmittelindustrie von Bedeutung. Unternehmen legen Dekarbonisierungsprogramme auf. Allerdings haben gerade kleine und mittlere Unternehmen Probleme, ihre Strategien auch zu finanzieren.
Denn die Dekarbonisierung der Branche ist kein Selbstläufer. Nicht nur die eigentliche Lebensmittelverarbeitung in den Fabriken muss angegangen werden, sondern auch die indirekten Emissionen aus der zuliefernden Landwirtschaft oder bei Verpackungen. Ohnehin müssen Unternehmen ihre Investitionen in den Verpackungsbereich anschieben. Die noch im Jahr 2024 erwarteten europäischen Verpackungsvorgaben erfordern neue nachhaltige Lösungen.
Von Frauke Schmitz-Bauerdick
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Paris