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Neue Bauvorschriften verändern Nachfrage nach Baumaterial

Die neue Klimaschutzverordnung RE2020 wird sich auf Absatzchancen für Heiztechnik und Baumaterialien auswirken. Vor allem in der Heiztechnik gibt es klare Gewinner und Verlierer.

Von Peter Buerstedde | Paris

In Frankreich hat nachhaltiges Bauen im Neubau in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Konkret umgesetzt wurden hohe Standards aber allenfalls bei Leuchtturmprojekten in Großstädten oder für Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen 2024 in Paris. In der Hauptstadtregion hatte eine Reihe von Architekturwettbewerben (Réinventer Paris, Réinventer la Seine, Inventons la Métropole du Grand Paris), bei denen Kommunen nach ökologischen und sozialen Kriterien Baugrundstücke vergeben, das nachhaltige Bauen vorangetrieben. Die hohen Standards betrafen aber nur einen kleinen Teil des Neubaus.

In den kommenden Jahren wird das Thema landesweit für den gesamten Neubau sehr wichtig werden. Eine neue Wärme- und Klimaschutzverordnung (Réglementation environnementale, RE2020) tritt ab 2022 phasenweise in Kraft. Sie gilt bereits für Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser, für Bauanträge seit dem 1. Januar 2022. Büro- und Unterrichtsgebäude folgen ab 1. Juli 2022.

Wie der Name der Verordnung schon zeigt, hat sich die Einführung auch unter dem Einfluss der Coronakrise verzögert. Bis zuletzt wurden noch einige Details angepasst. Die Regierung hat durchblicken lassen, dass weitere Anpassungen möglich sind, um der Bau- und der Baustoffindustrie den Übergang zu erleichtern.

Neue Verordnung berücksichtigt Klimabilanz und Wohnkomfort

Die Klima- und Wärmeschutzverordnung für neue Gebäude (RE2020) ersetzt die derzeitigen Vorschriften (RT2012). Neu ist vor allem die Einbeziehung der Kohlendioxidbilanz über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes und der verwendeten Materialien sowie eine stärkere Berücksichtigung des Wohnkomforts angesichts immer häufigerer Hitzeperioden. Damit spielen in der RE2020 drei Faktoren eine entscheidende Rolle: die Kohlendioxidbilanz von Gebäude und Materialien, der Wohnkomfort (Ausrichtung der Fenster, natürliches Licht) und der Primärenergieverbrauch des Gebäudes. Die Berechnungen sind komplex. Einen Überblick bietet der Guide RE2020 des Ministeriums für ökologischen Wandel.

Die Kohlendioxidemissionsdaten für Materialien beruhen auf Standardwerten oder auf Angaben der Hersteller. Diese können ihre Produkte bei der staatlichen Behörde Inies anmelden und von einer unabhängigen Firma, die auch von Inies akkreditiert ist (Liste), zertifizieren lassen. Inies unterhält eine Datenbank auf Französisch und Englisch, in welcher die Kohlendioxidbilanzdaten für Materialien und Ausrüstungen eingesehen werden können. Bauherren müssen mindestens bei der Beantragung der Baugenehmigung und bei Fertigstellung Analysen durchführen, um zu zeigen, dass die Grenzwerte erfüllt werden.

Gasheizungen werden aus dem Neubau gedrängt

Diese werden bis 2031 schrittweise abgesenkt. Einige Auswirkungen der RE2020 werden erst mit der Zeit sichtbar werden. Klar ist aber, dass sie die Wahl der Heizungstechnik und der Baumaterialien beeinflussen wird. Bereits ab 2022 ist die Nutzung von Schweröl- und Gasheizungen (auch als Hybridanlage in Kombination mit Wärmepumpen) in neuen Einzelhäusern praktisch unmöglich. Dies liegt an der Obergrenze für die Kohlendioxidbilanz der Energieversorgung. Für Einzelhäuser gilt seit Anfang 2022 ein Höchstwert von 160 Kilogramm Kohlendioxid pro Quadratmeter (kgCO2/m2).

Der französische Senat hatte 2021 beim Beratungsunternehmen Deloitte und der Anwaltskanzlei Taj eine Studie in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen der RE2020 zu untersuchen. Demnach wird der Anteil von Gasheizungen in neuen Einfamilienhäusern bis 2024 auf Null sinken und der Anteil von Wärmepumpen und Biomasse zulegen.

Für neue Mehrfamilienhäusern dürfte aufgrund der verschärften Grenzwerte der Einsatz von Gasheizungen etwa ab 2025 ausgeschlossen sein. Hier sinkt der besagte Grenzwert von 560 kgCO2/m2 Anfang 2022 auf 260 kgCO2/m2 ab Anfang 2025, mit einem Zwischenwert für Gebäude, die an Fernwärmenetze angeschlossen sind. Die Studie sieht hier eine Verschiebung hin zu mehr dezentralen Stromheizungen und zu mehr Wärmepumpen voraus, die bisher kaum zum Einsatz gekommen sind.

Hersteller von Gasheizungen wie Vaillant und Viessmann hatten bis zuletzt eine Revisionsklausel für die RE2020 verlangt. Damit wollen sie erreichen, dass in Mehrfamilienhäusern künftig Heizungen auf Basis oder unter Beimischung von Biogas oder Wasserstoff eingebaut werden können. Dies gilt auch als interessante Möglichkeit, um die Kohlendioxidemissionen bei bestehenden Gasheizungen zu verringern und dabei bereits existierende Gasleitungen zu nutzen.

Auch bei Nutzbauten zeichnen sich Veränderungen ab. Die Studie erwartet hier einen deutlich stärkeren Einsatz von Stromheizungen und Wärmepumpen. Auch hier werden Gasheizungen durch die Grenzwerte aus dem Neubau gedrängt.

Gute Chancen für nachwachsende Baustoffe

Der Einsatz von Baumaterialien wird sich unter dem Druck der Grenzwerte der RE2020 ebenfalls verändern. Holz und natürliche Dämmstoffe sollen deutlich mehr verwendet werden, Zement, Beton und Stahl dagegen weniger. Prognosen sind hier aber schwieriger als im Falle der Heiztechnik. Zunächst könnten strengere Grenzwerte zum Wohnkomfort ab 2022 bereits einen stärkeren Einsatz von Dämmstoffen erfordern. Erst ab 2024 würden dann die Grenzwerte für die Kohlenstoffdioxidbilanz der Materialien stärker ins Gewicht fallen. Ab dann müssen Bauherren nach Expertenmeinung nachhaltige Dämmstoffe einsetzen und nicht nur stärker dämmen.

Die vom Senat in Auftrag gegebene Studie geht durch teurere Heizungen und Baumaterialien von höheren Baukosten aus und erwartet daher eine etwas niedrigere Nachfrage nach neuen Wohnungen. Demnach würden im Zeitraum 2021 bis 2024 durch die Einführung der RE2020 insgesamt etwa 3,1 Prozent weniger Einfamilienhäuser (insgesamt im Zeitraum: 519.865), 2,8 Prozent weniger Mehrfamilienhäuser (851.645) und 2,5 Prozent weniger Quadratmeter Nutzfläche (15,0 Millionen) entstehen.

Kontaktanschriften

Bezeichnung

Anmerkungen

AHK Frankreich

AHK berät beim Markteinstieg

Ministère de la transition écologique

Ministerium für ökologischen Wandel, zuständig für Wohnungsbau

RT-RE Bâtiment

Offizielles Webportal zur Klimaschutzverordnung RE2020

Inies

Staatliche Datenbank zur Kohlendioxidbilanz für Baustoffe und Ausrüstungen

Uniclima

Verband für Heiz- und Kühltechnik

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