Special | Griechenland | Konnektivität
Griechenland investiert in Großleitung nach Zypern und Ägypten
Das Land will sich als Energieknotenpunkt in der Region des südöstlichen Mittelmeeres positionieren. Das Stromnetz wird entsprechend ausgebaut.
15.08.2022
Von Michaela Balis | Athen
Damit das griechische Stromnetz mehr Strom aus erneuerbaren Energien aufnehmen kann, muss es ausgebaut werden. Der griechische Übertragungsnetzbetreiber Admie plant, bis 2032 rund 4 Milliarden Euro in das Netz sowie in Speichersysteme zu investieren. Rund 80 Prozent des Budgets werden unter anderem in die Anbindung der Ägäisinseln und Kretas an das kontinentale Stromnetz fließen.
Das griechische Stromsystem besteht aus dem kontinental verbundenen Stromsystem und dem nicht verbundenen System der Inseln. Die Inseln wurden bis jetzt über erdölbetriebene Kraftwerke mit Strom versorgt. Die Anbindung ans Festland dient nicht nur der Umwelt, sondern ermöglicht auch die intensivere Installation von Erneuerbare-Energien-Anlagen.
Griechenland will gemäß den Zielen der Europäischen Union (EU) bis 2030 insgesamt 15 Prozent seines Stroms in Nachbarländer transportieren. Dank einer Stromleitung zwischen Griechenland und Bulgarien wird das Ziel voraussichtlich bis 2025 erreicht. Im Jahr 2030 soll der Anteil auf 19 Prozent steigen, so Admie. Die Voraussetzung ist, dass der Abschnitt des EuroAsia-Interconnector zwischen Zypern und Griechenland fertiggestellt ist.
Transnationale Stromleitungen mit einer Spannung von 400 Kilovolt vernetzen das griechische Stromsystem mit Albanien, Bulgarien, Nordmazedonien und der Türkei. Über ein Unterseekabel ist das griechische Stromnetz mit Italien verbunden.
Als EU-Mitglied hat sich Griechenland vorgenommen, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Das sieht der Nationale Energie- und Klimaplan aus dem Jahr 2019 vor. Bis 2030 sollen etwa 65 Prozent des gesamten Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt werden, von aktuell rund 45 Prozent. Bis 2028 will das Land auch den Kohleausstieg vollzogen haben. Der Plan sieht vor, dass Griechenland bis 2050 klimaneutral wird.
EuroAsia-Interconnector bildet das Leuchtturmprojekt
Das größte Stromprojekt in der Region ist der EuroAsia-Interconnector. Das 1.208 Kilometer lange Untersee-Stromkabel soll die Stromnetze Israels, Zyperns und Griechenlands verbinden. An den drei Anschlusspunkten werden Hochspannung-Gleichstrom-Übertragungs-Konverterstationen gebaut. Die Route läuft von Hadera (Israel) nach Kofinou (Zypern) und von dort aus nach Kreta (Griechenland). Träger des EU-Projekts von gemeinsamem Interesse (Projects of common interest; PCI) ist die Gesellschaft EuroAsia Interconnector. Die Kapazität liegt bei 2 Gigawatt.
Ziel der Stromleitung ist es, unter anderem die Energieisolierung Zyperns zu beenden. Das Land ist zu fast 90 Prozent von Erdölimporten für die Stromerzeugung abhängig. Das Kabel soll den Ausbau der erneuerbaren Energien in den betroffenen Ländern begünstigen, da eventueller Stromüberschuss in die Leitung übergehen kann. Nicht zuletzt könnte der Strom, mit dem letztendlich die EU versorgt werden kann, aus den Erdgasreserven Zyperns, Israels und Ägyptens stammen.
Das rund 2,5 Milliarden Euro teure Vorhaben wird mit EU-Geldern, beispielsweise mit der Connecting Europe Facility (CEF) kofinanziert. Zypern bringt die Mittel für das Projekt mit 100 Millionen Euro aus dem EU-Aufbaufonds auf. Ende 2022 sollen die Bauarbeiten für die Konverterstation auf Zypern beginnen. Die Inbetriebnahme der Stromleitung wird im Jahr 2025 angestrebt.
Zunächst galt das gesamte Vorhaben als PCI. Im Jahr 2019 beschloss Griechenland den Abschnitt Kreta-Athen als nationales Projekt zu realisieren. Voraussetzung ist, dass die Interoperabilität der Systeme gewährleistet ist. Träger des griechischen und rund 1 Milliarde Euro schweren Projekts ist die Tochtergesellschaft Ariadni S.A von Admie. Dieser Teil soll im 1. Halbjahr 2023 fertiggestellt sein. Die Spannungsebene der Stromleitung liegt bei 500 Kilovolt.
Diese Energiestraße intensiviert Rivalitäten zwischen Griechenland, Zypern auf der einen Seite und der Türkei auf der anderen Seite. Dabei geht es um Meeresgrenzen sowie ausschließliche Wirtschaftszonen in der Ägäis und rund um Zypern.
Griechenland | Zypern | Ägypten *) | Israel | |
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Jährlich produzierte Elektrizität (in TWh) | 46,3 | 4,9 | 194,3 | 72,8 |
Anteil Stromproduktion auf Grundlage fossiler Energieträger (Erdgas, Erdöl, Kohle) (in %) | 61,8 | 87,2 | 90,5 | 93,7 |
Anteil Stromproduktion auf Grundlage von Erdgas (in %), davon | 38,9 | - | 77,3 | 65,3 |
Anteil Wasserkraft (in %) | 7,5 | - | 6,7 | - |
Anteil Windkraft (in %) | 20,1 | 4,9 | 1,9 | 0,3 |
Anteil Solarkraft (in %) | 9,4 | 6,7 | 0,8 | 5,6 |
Spannung der Höchstspannungsleitung beim Übertragungsnetzbetreiber (in kV) | 400 | 132 | 500 | 400 |
"Grüner" Strom fließt aus Ägypten
Griechenland, Zypern und Ägypten wollen eine Stromverbindung zwischen Afrika und Europa bauen, den sogenannten EuroAfrica Interconnector. Das 1.396 Kilometer lange Unterseekabel soll von Damietta (Ägypten) über Kofinou (Zypern) nach Herakleion (Kreta) verlaufen. In jedem Land wird es eine Konverterstation geben. Die erste Ausbaustufe mit einer Kapazität von 1 Gigawatt wird 2,5 Milliarden Euro kosten und 2023 den Betrieb aufnehmen, so der gleichnamige Projektträger. In der Endausbaustufe soll die Kapazität bei 2 Gigawatt liegen. Siemens Energy übernahm 2020 den Bau der Station in Ägypten. Griechischen Pressemeldungen zufolge, stimmen sich die Übertragungsnetzbetreiber Griechenlands und Ägyptens, Admie und EETC, aktuell über die Standards der Stromleitung ab.
Admie prüft zwei weitere Vorhaben zwischen Griechenland und Ägypten. Der Greece-Africa Power (GAP) Interconnector, ein Untersee-Stromkabel mit einer Kapazität von 2 Gigawatt, soll bis 2028 Kreta und Ägypten verbinden. Projektträger ist die griechische Gesellschaft Kykladika Meltemia S.A. Der GREGY Interconnector soll Strom aus erneuerbaren Energien aus Ägypten nach Griechenland bringen. Der Projektträger ELICA ist eine Tochtergesellschaft des griechischen Energiekonzerns Kopelouzos. Die Kapazität der Stromleitung liegt bei 3 Gigawatt. Beide Vorhaben wurden im Zehnjahres-Netzentwicklungsplan des Netzwerks europäischer Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E (TYNDP 2022) aufgenommen.
Neue Leitungen zu den Nachbarländern
Griechenland und Bulgarien wollen eine zweite Verbindungslinie mit 400 Kilovolt und einer Gesamtlänge von 151 Kilometern bauen. Das PCI-Projekt soll bis Ende 2022 fertiggestellt sein. Admie erwägt weitere Verbindungen, beispielsweise mit Nordmazedonien, Albanien, Bulgarien und mit der Türkei.