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Wirtschaftsumfeld | Guyana | Tiefbau, Infrastrukturbau

Erdölboom in Guyana treibt auch andere Sektoren an

Sprudelnde Einnahmen aus dem Erdölsektor ermöglichen der guyanischen Regierung enorme Investitionen in die Energieversorgung, den Gesundheitssektor und die Verkehrsinfrastruktur.

Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt

Es ist noch keine zehn Jahre her, dass ExxonMobil in Guyana gigantische Erdölfunde machte. Deren Förderung wurde rasch hochgefahren. Anfang 2024 erreichte Guyana eine Produktionsrate von 645.000 Barrel Erdöl täglich. Damit belegte das im Norden Südamerikas gelegene Land gemessen an der Produktion pro Einwohner weltweit Platz 1 und ließ Kuwait und Katar in der Rangliste hinter sich.

Staat könnte bald 10 Milliarden US$ jährlich erhalten

Über Förderabgaben an die guyanische Regierung sollen die rund 830.000 Einwohner des Landes an dem Ölreichtum teilhaben. Allein 2024 überweisen ExxonMobil und die Konzessionspartner Hess Corporation und China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) geschätzt 2,3 Milliarden US-Dollar (US$). "Die Zahlungen der Erdölunternehmen dürften sich in den kommenden Jahren vervielfachen. Wir rechnen bald mit 10 Milliarden US$ jährlich", sagt Gregory Dean, Präsident der Handelskammer der Europäischen Union in Guyana im Gespräch mit Germany Trade & Invest. Die Regierung will diese Mittel unter anderem in den Ausbau der Gesundheitsversorgung und in Infrastrukturprojekte investieren.

Das Geld aus dem Erdölsektor dürfte noch viele Jahre lang fließen. ExxonMobil will allein bis 2027 die Förderung auf 1,3 Millionen Barrel Erdöl täglich verdoppeln. Die gesamten Vorkommen Guyanas werden schon jetzt auf 13,2 Milliarden Barrel Öl geschätzt – mehr als das weitaus größere Nachbarland Brasilien hat. Mittelfristig dürften noch mehrere Milliarden Barrel hinzukommen, so Branchenkenner.

Straßennetz und Stromversorgung werden ausgebaut

Im Energiesektor will die guyanische Regierung durch die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien die Strompreise senken. Da bisher 97 Prozent der Elektrizität aus Dieselkraftwerken stammt, sind die Kosten sehr hoch und die Erzeugung ist schmutzig. Ziel ist es, bereits 2030 rund 59 Prozent des benötigten Stroms aus erneuerbaren Quellen zu generieren. Im März 2024 wurde das chinesische Unternehmen SUMEC mit dem Bau von drei Solarparks beauftragt (zusammen 18 Megawatt). Zudem gibt es Pläne für das große Wasserkraftwerk Amaila Falls (165 Megawatt).

Hohe Summen fließen auch in die Infrastruktur. Die Verkehrswege von der Hauptstadt Georgetown zu den Grenzen mit Suriname und Brasilien werden verbessert. Bislang sind die Straßen nur teilweise asphaltiert und es fehlen Brücken. Mittelfristig sollen vierspurige Schnellstraßen entstehen und den Handelsaustausch mit den Nachbarländern ankurbeln. Der Norden Brasiliens könnte dadurch Waren über Häfen in Guyana transportieren und Guyana als Logistikstandort an Relevanz gewinnen.

Großprojekte werden aktuell noch zum Teil von Entwicklungsbanken wie der Caribbean Development Bank finanziert. Mittelfristig erwarten Beobachter jedoch, dass Guyana die Infrastrukturprojekte direkt aus dem Haushalt bezahlt.

Siemens Energy an Großprojekt beteiligt

Siemens Energy ist in Guyana Technologielieferant für das neue Kraftwerk "Gas to Energy". Es sieht die Stromerzeugung mithilfe von offshore gewonnenem Gas vor und befindet sich bereits im Bau. Bei seiner Fertigstellung im Jahr 2025 soll das 300-Megawatt-Projekt die Kohlenstoffemissionen Guyanas deutlich reduzieren.

"Wir freuen uns, Teil der Energiewende in Guyana zu sein, da unsere Technologie diesem Land saubereren, zuverlässigen und erschwinglichen Strom bringen wird", sagt Oscar Bernal, Business Development Manager bei Siemens Energy für Guyana, Suriname und die Karibik. Der deutsche Konzern liefert das Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerk, Stromtransformatoren, ein Hochspannungsumspannwerk und das Stromverteilungszentrum.

Neue Kliniken, Hotels und Einkaufszentren entstehen

Die aktuelle Regierung will noch vor den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2025 rund 50.000 versprochene Sozialwohnungen an bedürftige Familien übergeben. Daneben baut das guyanische Gesundheitsministerium derzeit elf neue Kliniken und modernisiert vier bestehende Einrichtungen. Der deutsch-österreichische Entwickler von Gesundheitseinrichtungen Vamed hat den Zuschlag zum Bau von zwei Krankenhäusern erhalten. Allein 2024 beträgt das Regierungsbudget für den Gesundheitssektor umgerechnet 620 Millionen US-Dollar.

Neben der Regierung ist der Privatsektor sehr aktiv, auch außerhalb der Öl- und Gaswirtschaft: Es entstehen neue Shoppingmalls, im April 2023 öffnete der erste Starbucks des Landes seine Türen. Zur Einweihungsfeier des Großereignisses erschien sogar Staatspräsident Irfaan Ali. Internationale Hotelketten bauen mehrere Luxushotels in Georgetown. Bisher steht für Geschäftsreisende einzig ein Marriott Hotel zur Verfügung, für das aufgrund des geringen Angebots mindestens 600 US$ je Nacht anfallen.

Regierung ist teilweise überfordert

"Bei einer so rasanten Entwicklung bestehen natürlich Herausforderungen. Auch wenn die Regierung sehr offen ist, ist sie teilweise von der Dimension des Aufschwungs überwältigt und es fehlen entsprechenden Kapazitäten oder notwendiges Know-How", sagt Joan Nadal Sastre, zuständig für Kooperation bei der EU-Delegation in Guyana. "Mangelnde Transparenz und die langsame Vergabe von Genehmigungen sind ein Problem", so Nadal Sastre.

Auch fehle es in Guyana an Personal mit einer technischen Ausbildung sowie an Rechtsanwälten, Buchhaltern und ähnlichen Experten. Zudem tun sich ausländische Unternehmen schwer, einen lokalen Partner zu finden. Juristische Fragen wie die möglichen Rechtsformen für Zweigniederlassungen oder Arbeitsvisa für Expats sind noch nicht vollständig geklärt, da sie in der Vergangenheit kaum relevant waren.

Bislang gibt es in Guyana keine Deutsche Botschaft oder Handelskammer. Die Handelskammer der Europäischen Union, Ende 2022 gegründet, kann jedoch als Ansprechpartner für deutsche Unternehmen dienen. Die europäischen Firmen, die bislang geschäftlich in Guyana aktiv sind, stammen vor allem aus den Bereichen Öl und Gas, Energie und Logistik. Nach Auskunft der EU-Handelskammer gehören dazu SBM Offshore, Repsol, TechnipFMC, Nokia, Stena Drilling, Wärtsilä, Jan De Nul, Maersk, Blue Water Shipping und Vamed.

Von deutscher Seite liefern bereits Siemens Energy, BASF, Layher und Knauf nach Guyana, wie GTAI in Erfahrung bringen konnte. "Aufgrund der starken deutschen Präsenz in Kolumbien sowie der Nähe zu Guyana übernehmen viele deutsche Niederlassungen von hier aus die Repräsentanz für den Karibikstaat", sagt Mischa Groh, Geschäftsführer der AHK Kolumbien.

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