Branchen | Indien | Nahrungsmittel
Indien produziert zukünftig mehr Fleisch
Der Markt für Fleisch auf dem Subkontinent ist kompliziert. Kleinstproduzenten dominieren die Herstellung. Potenzial für Wachstum ist vorhanden.
12.05.2022
Von Florian Wenke | Mumbai
Die Zahlen gehen zwar vielfach auseinander, aber anders als weithin angenommen, ist Indien nicht ausschließlich ein Land von Vegetariern. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 60 und 80 Prozent der Einwohner Fleisch essen. Legt man den geringeren Wert zugrunde, sind dies noch immer mehr als 840 Millionen potenzielle Konsumenten. Laut dem Beratungsunternehmen RedSeer liegt der Pro-Kopf-Konsum von Fleisch bei 3,6 Kilogramm pro Person und Jahr.
Produktion und Umsatz sollen weiter wachsen
Das Datenportal Statista gibt die Fleischproduktion in Indien für 2021 mit 4,9 Millionen Tonnen an. Seit Jahren steigen die hergestellten Mengen und bis 2027 sollen 7,3 Millionen Tonnen erreicht werden. Überwiegend handelt es sich dabei um Frischfleisch. Im Jahr 2021 waren es etwa 4,2 Millionen Tonnen. An verarbeiteten Fleischerzeugnissen wurden lediglich 0,6 Millionen Tonnen produziert. Fleischersatzprodukte stellt Indien bisher nur in sehr geringem Umfang her. Im Jahr 2021 waren es gerade einmal 5.700 Tonnen.
Das indische Statistikportal Centre for Monitoring Indian Economy (CMIE) meldet abweichende Zahlen für die Produktion von Fleisch. Laut CMIE soll die hergestellte Menge im Finanzjahr 2019/2020 (1. April bis 31. März) rund 8,6 Millionen Tonnen betragen haben. Der Economic Survey der Regierung gibt die vorläufige Produktionsmenge für 2020/2021 mit 8,8 Millionen Tonnen an.
Mehrheitlich werden Hühner geschlachtet und verarbeitet. Der Anteil liegt bei knapp mehr als der Hälfte. Es folgen Wasserbüffel mit 18 Prozent. Laut Brancheninsidern wird überwiegend halal geschlachtet.
Mit steigenden Produktionsmengen einher geht ein wachsender Umsatz der Fleischbranche. Von 24,8 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2021 soll er auf 41,3 Milliarden US$ bis 2027 anwachsen, so eine Prognose von Statista. RedSeer gibt 85 Milliarden US$ als mögliches Marktvolumen im Jahr 2024 an.
Branche ist wenig formalisiert
In einer Erhebung aus dem Jahr 2019 gibt CMIE die Anzahl an Fabriken zur Fleischverarbeitung mit lediglich 161 an. Der Rest der Schlachtung und Zerlegung wird durch Klein- und Kleinstunternehmen im informellen Sektor erledigt. Meist finden Aufzucht und Schlachtung gemeinsam an einem Ort statt. Es gibt kaum Firmen, die Fleisch weiterverarbeiten. Die Agricultural and Processed Food Products Export Development Authority ist eine Behörde, die die Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse fördern soll. Anfang April 2022 waren bei ihr nur 69 integrierte Schlacht- und Fleischverarbeitungsfabriken registriert. Hinzu kamen 13 reine Fleischverarbeitungseinrichtungen und fünf reine Schlachthäuser.
Experten bestätigen die Branchenstruktur. Sie berichten, dass es in Indien schwierig ist, größere Mengen an Fleisch von einer einzigen Quelle zu beziehen, weil es so gut wie keine größeren Schlachtbetriebe gibt. Das erschwert es, eine gleichbleibende Qualität der Produkte zu gewährleisten und robuste Lieferketten für verarbeitende Firmen aufzubauen. Einzig in der Hühnerfleischproduktion sei die Lage etwas besser.
Organisierter Einzelhandel und Onlinegeschäft treiben die Nachfrage
Traditionell wird Fleisch in Indien in kleinen Läden verkauft, oft ohne Kühlung. Zumeist spezialisieren sich diese auf eine Sorte. Im ländlichen Raum ist dies nahezu die einzige Vertriebsart. Zerlegt wird direkt vor Ort. Hühner werden oft auch lokal im Laden geschlachtet.
In den Metropolen sorgen Einzelhandelsketten und Start-ups dafür, dass der Fleischverkauf zunehmend formaler organisiert wird. Größere Einzelhandelsketten wie Bigbasket oder Nature's Basket brauchen Fleisch und auch verarbeitete Produkte in größeren Mengen, um ihre Kühlregale zu füllen. Dafür benötigen sie entsprechende Lieferanten, wie beispielsweise das deutsche Unternehmen Arthur's Food Company.
Der Fleischverkauf über das Internet wird ebenfalls beliebter. Zu den Start-ups im Geschäft gehören Licious oder Meatigo. Sie haben sich auf den Onlinevertrieb an den Endkunden spezialisiert. Schätzungen zufolge wird 2022 nur rund ein Prozent des Branchenumsatzes mit Fleisch online erlöst. Bis 2025 soll sich dieser Wert jedoch verdoppeln.
Fleischverarbeitung steht noch am Anfang
Trotz dieser Wachstumstreiber ist die Fleischverarbeitung noch immer kaum entwickelt. Aufschnitt wie Salami oder Schinken ist lediglich in den Metropolen des Landes zu bekommen – zu Premiumpreisen, denn die Artikel gelten als Luxusgüter. Zumal häufig alle Mahlzeiten frisch gekocht werden. Wurstwaren haben deshalb in der indischen Ernährung noch keinen festen Stellenwert eingenommen.
Ein Problem bei der Entwicklung der Branche ist die Bürokratie. Insider berichten, dass für die Herstellung von Wurstprodukten rund 40 Lizenzen notwendig sind. Zudem sind die zuständigen Regulierungsbehörden oft kaum mit der Materie vertraut. Häufig fehlt ihnen das Fachwissen zur Herstellung von Wurst. Hinzu kommen komplexe Lieferketten, weil die Branche so kleinteilig ist.
Indien ist wichtiger Fleischexporteur
Der Subkontinent lag laut UN Comtrade 2021 bei der Ausfuhr auf Rang 12 weltweit. Insgesamt wurde Fleisch im Wert von rund 3,4 Milliarden US$ exportiert, davon entfallen über 20 Prozent auf Ägypten. Auf Platz zwei landet Vietnam mit mehr als 14 Prozent, danach rangiert Malaysia mit fast 13 Prozent Anteil am Ausfuhrwert. Der mit Abstand größte Anteil entfällt auf das Fleisch von Wasserbüffeln. Der Handel mit Rindfleisch ist untersagt. Schwein, Huhn, Ziege und Schaf spielen für den Export nur eine marginale Rolle.
SITC-Position | 2019 | 2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 |
---|---|---|---|---|
Fleisch und Zubereitungen von Fleisch (01), darunter | 3.453,4 | 3.108,6 | 3.386,4 | 8,9 |
Rind- und Wasserbüffelfleisch, frisch, gekühlt oder gefroren (011) | 3.109,3 | 2.795,4 | 3.001,5 | 7,4 |
Schweinefleisch, frisch, gekühlt oder gefroren (0122) | 1,7 | 1,3 | 5,9 | 340,8 |
Schaf- und Ziegenfleisch, frisch, gekühlt oder gefroren (0121) | 100,9 | 48,4 | 56,6 | 16,9 |
Huhn, frisch, gekühlt, gefroren (0123) | 6,7 | 5,3 | 5,8 | 10,5 |
Weil Indien seinen Fleischbedarf weitgehend selbst decken kann, spielen Importe nur eine untergeordnete Rolle. UN Comtrade meldet für 2021 Einfuhren im Wert von lediglich 6,1 Millionen US$. Unter den Fleischimporten hatte Schweinefleisch mit 2,8 Millionen US$ den größten Wert.
Der Importzollsatz (Basic Customs Duty) für Fleisch (aus HS-Kapitel 2 des Zolltarifs) beträgt 30 Prozent. Aus Deutschland führte Indien 2021 Fleisch im Wert von gut 250.000 US$ ein. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Schweinefleisch.
SITC-Postition | 2019 | 2020 | 2021 | Veränderung 2021/2022 |
---|---|---|---|---|
Fleisch und Zubereitungen von Fleisch (01), darunter | 8,5 | 4,4 | 6,1 | 36,9 |
Schweinefleisch, frisch, gekühlt oder gefroren (0122) | 3,1 | 1,4 | 2,8 | 102,9 |
Schaf- und Ziegenfleisch, frisch, gekühlt oder gefroren (0121) | 1,9 | 0,5 | 0,3 | -28,1 |
Huhn, frisch, gekühlt, gefroren (0123) | 0,6 | 0,2 | 0,4 | 67,5 |
Kontaktadressen
Bezeichnung | Anmerkung |
---|---|
Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing | |
Auslandshandelskammer | |
Department of Animal Husbandry and Dairying | Behörde |
Ministry of Food Processing Industries | Behörde |
Ministry of Commerce and Industry | Behörde |
Department for Promotion of Industry and Internal Trade | Behörde |
Agricultural and Processed Food Products Export Development Authority (APEDA) | Behörde für die Exportförderung von Lebensmitteln |
Agentur zur Förderung des Investitionsstandortes Indien | |
Food Safety and Standards Authority of India (FSSAI) | Regulierungsbehörde |
National Bank for Agriculture and Rural Development (NABARD) | Bank für landwirtschaftliche Finanzen und Entwicklung |
Meat.Net | Zertifizierungssystem für den Export von Fleischprodukten |