Special | Indien | Beschaffung
Mit staatlicher Förderung zum zentralen Elektro-Beschaffungsmarkt
Indiens Bedeutung in der globalen Lieferkette von Elektrotechnik und Elektronik wächst. Künftig sollen zudem Halbleiter gefertigt werden, auch für den Export.
21.02.2024
Von Boris Alex | New Delhi
Indiens Regierung hat die strategische Bedeutung der Elektro- und Elektronikfertigung erkannt und will vor allem bei Mikrochips und Halbleitern die Abhängigkeit von China verringern. Mit dem Ausbau der lokalen Produktion soll nicht nur die Versorgung der heimischen Industrie sichergestellt werden. Auch Indiens Stellung als alternativer Beschaffungsmarkt für Unternehmen im Ausland wird somit ausgebaut.
Um das Land als Hub für die Elektrotechnik- und Elektronikproduktion zu positionieren, hat die indische Regierung eine Reihe von Förderprogrammen aufgelegt. Dass Indien mit beiden Produktgruppen bereits jetzt zunehmend in die internationalen Lieferketten eingebunden ist, wird beim Außenhandel deutlich.
Export von Elektrotechnik wächst
Die Exporte von Elektrotechnik sind zwischen 2017 und 2022 um 75 Prozent auf 11 Milliarden US-Dollar (US$) gestiegen. Die wichtigsten Segmente sind Schaltanlagen, -vorrichtungen und -geräte, Kabel, Elektromotoren sowie Stromaggregate. Der Exportanteil liegt bei 30 Prozent der Gesamtproduktion, so die Indian Electrical and Electronics Manufacturers’ Association (IEEMA).
Die rund 1.000 Mitgliedsunternehmen von IEEMA sind laut Verbandsangaben für 90 Prozent der Produktion im organisierten Sektor verantwortlich und beschäftigen direkt 500.000 Menschen. Im Finanzjahr 2022/2023 (1. April bis 31. März) produzierten diese Elektrotechnik im Wert von 33 Milliarden US$, ein Plus von 18 Prozent gegenüber der Vorperiode.
Stromkabel waren mit einem Anteil von 26 Prozent das größte Segment. Die Fertigung legte hier um 19 Prozent zu. Weitere wichtige Produktgruppen sind Schaltanlagen mit einem Produktionsanteil von 16 Prozent sowie Transformatoren und Kondensatoren mit je 5 Prozent. In den ersten sechs Monaten 2023/2024 legte die Produktion um 16 Prozent zu, so die IEEMA-Daten.
Deutschland ist drittgrößter Abnehmer für indische Elektrotechnik
Indische Anbieter von Elektrotechnik wie Havells, Apar oder CG Power haben in den letzten Jahrzehnten ihre Angebotspaletten erweitert, die Produktqualität verbessert und das Exportgeschäft ausgebaut. Daneben sind Konzerne wie Siemens, ABB oder Schneider mit eigenen Fertigungen vertreten und nutzen Indien als Exporthub.
Die USA bezogen 2022 Elektrotechnik im Wert von 2,6 Milliarden US$ aus Indien, gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emirate mit 622 Millionen US$. Deutschland war mit 560 Millionen US$ der drittgrößte Abnehmer. Der Subkontinent spielt in diesem Segment schon heute eine wichtige Rolle als Beschaffungsmarkt für deutsche Unternehmen. Weitere bedeutende Abnehmer sind China, die Niederlande und das Vereinigte Königreich.
Vor allem die großen indischen Hersteller investieren in die Entwicklung neuer Produkte, um Wachstumssegmente wie Industrieautomatisierung, erneuerbare Energien, Smart Grids, Elektromobilität und Telekommunikation zu bedienen. Das technische Niveau der in Indien gefertigten Elektroausrüstung soll in den nächsten Jahren weiter steigen. Im Zuge dessen könnten die Hersteller ihre Position als Lieferanten auf Märkten mit hohen Ansprüchen an die Produktqualität, wie Deutschland, ausbauen, so die Einschätzung von IEEMA. Durch das geplante Freihandelsabkommen mit der EU dürfte die Bedeutung Indiens als Beschaffungsmarkt weiter steigen, weil Importzölle abgebaut und technische Standards angeglichen werden sollen.
Regierung plant mit hohem Wachstum im Elektroniksektor
Die Herstellung und der Export von Elektronik wachsen in Indien ebenfalls rasant. Laut India Cellular & Electronics Association hat das Produktionsvolumen 2022/2023 erstmals die Schwelle von 100 Milliarden US$ überschritten. Davon entfielen 44 Milliarden US$ auf Mobiltelefone und jeweils rund 12 Milliarden US$ auf die weiteren Hauptsegmente Unterhaltungselektronik, Industrieelektronik sowie elektronische Bauteile.
Die Ausfuhren von Elektronik und elektronischen Komponenten haben sich zwischen 2017 und 2022 auf 13,4 Milliarden US$ verfünffacht. Den größten Anteil daran hatten Smartphones mit 11 Milliarden US$. Bis 2026 will Indien seine Elektronikproduktion auf 300 Milliarden US$ steigern. Davon sollen bis zu 120 Milliarden US$ in den Export gehen, so die Roadmap der indischen Regierung für den Sektor. Deutschland bezog 2022 elektronische Erzeugnisse im Wert von 556 Millionen US$ aus Indien, fünf Jahre zuvor machten die Waren gerade einmal 34 Millionen US$ aus. Gut 90 Prozent davon entfielen auf Mobiltelefone.
Hinweise zur Geschäftspraxis
- Langfristige Beziehungen spielen im indischen Geschäftsleben eine wichtige Rolle und sollten beim Aufbau eines Lieferantennetzwerks berücksichtigt werden.
- Eine enge Steuerung der Lieferbeziehungen ist sehr wichtig – bereits bei den Verhandlungen muss intensiv geprüft werden, ob die Produkte in der versprochenen Menge und Qualität über die Vertragslaufzeit geliefert werden können.
- Lieferverträge sollten juristisch wasserdicht sein, um langwierige und teure Gerichtsverfahren möglichst schon im Vorfeld auszuschließen.
- Harte Preisverhandlungen und -nachverhandlungen sind in Indien die Regel – hier sollte man flexibel bleiben, aber sich auch nicht verbiegen.
Weitere Informationen finden Sie in unserer Publikation Verhandlungspraxis kompakt Indien.
Indien will in die Halbleiterproduktion einsteigen
Zukünftig soll nicht nur die Montage, sondern auch andere Fertigungsschritte entlang der Wertschöpfungskette des Elektroniksektors im Land abgedeckt werden – bis hin zur Halbleiterproduktion. Micron Technologies aus den USA will Ende 2024 im Bundesstaat Gujarat eine Fabrik für Montage, Testen und Verpackung (Assembly, Test and Packaging) von Speicherchips eröffnen. Die Investitionskosten für die erste Halbleiterfertigung auf dem Subkontinent liegen bei 2,8 Milliarden US$. Anfang 2024 waren weitere 16 Halbleiterprojekte mit einem Volumen von 1,6 Milliarden US$ in der Pipeline, unter anderem vom taiwanischen Technologiekonzern Foxconn, der bereits als Auftragsfertiger Smartphones in Indien produziert, sowie den indischen Elektronikherstellern Kaynes Technology und CG Power.
Indiens Regierung übernimmt im Rahmen ihrer "India Semiconductor Mission" bis zu 50 Prozent der Kapitalkosten zum Bau von Fabriken für Halbleiter, Displays, Siliziumphotonik und Mikrosystemen. Auch Werke, in denen Teilschritte der Chip- und Halbleiterfertigung ausgelagert werden – "Outsourced Semiconductor Assembly and Test"- und "Assembly, Testing, Marking and Packaging"-Fabriken – werden bezuschusst. Hierfür stehen insgesamt 9,2 Milliarden US$ an Fördermitteln zur Verfügung.
Hinweise zu Transport und Logistik
- Rund zwei Drittel des Frachtvolumens werden über die Straße befördert, auf den Schienengütertransport entfallen 27 Prozent.
- Indien investiert in den Ausbau und die Modernisierung seiner Verkehrsinfrastruktur. Dadurch werden sich die Transportzeiten verkürzen und die Logistikkosten sinken.
- In der Transport- und Logistikbranche dominieren nach wie vor kleine und mittelständische Unternehmen aus dem informellen Sektor, die häufig nicht internationale Qualitätsstandards erfüllen.
- Der Warenverkehr ist immer stärker digitalisiert und die Betreiber der großen Seehäfen wollen die Umschlagzeiten weiter senken.
Weitere Informationen zu zollrechtlichen Regeln bietet unser Überblick zur Wareneinfuhr in die EU.
Bezeichnung | Anmerkung |
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AHK Indien | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Indian Electrical and Electronics Manufacturers' Association (IIEMA) | Branchenverband für die Elektroindustrie |
India Electronics & Semiconductor Association (IESA) | Branchenverband für die Elektronikindustrie |
Electronic Industries Association of India (Elcina) | Branchenverband für die Elektronikindustrie |
India Cellular & Electronics Association (ICEA) | Branchenverband für die Elektronikindustrie |
Electronica India/Productronica India | Messe für die Elektronikindustrie (11.09. bis 13.09.2024, Greater Noida) |
Elecrama | Messe für die Elektroindustrie (22.02 bis 26.02.2025, Greater Noida) |