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Regierung verschiebt strengere Kontrolle des Außenhandels
Indonesien will durch den sogenannten Commodity-Balance-Mechanismus die Ex- und Importe noch stärker politisch steuern. Die Ausweitung der Maßnahme wurde aber vorerst ausgesetzt.
06.03.2023
Von Frank Malerius | Jakarta
Indonesien hat die Erweiterung des im Februar 2022 mit der Präsidialverordnung 32/2022 eingeführten "Commodity-Balance"-Mechanismus (Neraca Komoditas oder Sistem Nasional Neraca Komoditas) auf Eis gelegt. Die Maßnahme zielt auf eine stärkere politische Kontrolle des Außenhandels.
Bisher steuert der Mechanismus den Handel mit Reis, Salz, Zucker, Rindfleisch und Fischereiprodukten. Anfang 2023 wollte das Industrieministerium das Schema um Mais, Knoblauch, Atemmasken, Impfstoffe sowie Eisen und Stahl erweitern. Doch diese zweite Phase wird wohl bis mindestens Anfang 2024 ausgesetzt. Ausländische Wirtschaftsorganisationen hatten dagegen protestiert.
Der Commodity-Balance-Mechanismus beruht auf einer datenbankgestützten Bedarfsanalyse. Unternehmen müssen dabei unter anderem Daten zur Produktionsplanung, dem zukünftigen und vergangenen Importbedarf sowie zur Lagerhaltung angeben. Darüber hinaus werden Konsumzahlen erhoben. Alle Angaben fließen in eine Datenbank. Durch diese Informationen sollen die involvierten Ministerien Angebot und Nachfrage analysieren. Ziel ist, dass Unternehmen nur noch Vorprodukte importieren dürfen, wenn im Land kein anderweitiges Angebot vorhanden ist. Laut Statistikamt machen Vorprodukte mehr als drei Viertel aller indonesischen Einfuhren aus. Exporteure dürfen ihre Produkte nur dann ausführen, wenn der Bedarf im Land gedeckt ist.
Viele Waren unterliegen bereits Restriktionen
Der Commodity-Balance-Mechanismus ist eine Erweiterung des bestehenden Systems von Im- und Exportlizenzen, mit dem Indonesien den Außenhandel von mehr als 40 Produktgruppen steuert. Laut dem Center for Indonesian Policy Studies (CIPS) umfassen die Lizenzen 3.300 Zolltarifcodes – das entspricht 30 Prozent aller Codes im Harmonisierten System (HS). Bekannt ist das Lizenzsystem vor allem bei Nahrungsmitteln. So können indonesische Unternehmen beispielsweise Milch (die der Archipel oftmals aus Deutschland bezieht) nur mit einer Importlizenz einführen. Die Vergabe solcher Lizenzen wird in Handelskonflikten bisweilen auch als politisches Druckmittel eingesetzt. Auch zur Verringerung von Stahlimporten kam das Lizenzsystem in den vergangenen Jahren prominent zum Einsatz.
Auf der Exportseite wird der Warenverkehr ebenfalls politisch gesteuert, wenngleich in geringerem Ausmaß. Ein Beispiel war ein kurzfristiges Ausfuhrverbot für Palmöl, als Ende 2021 Speiseöle knapp und teuer wurden. Nach wenigen Wochen war der Mangel behoben. Im Januar 2022 litten Kraftwerke unter einem Mangel an Kohle, deren Ausfuhr daraufhin ebenfalls durch die Regierung beeinflusst wurde. Bergbauunternehmen verkauften den Rohstoff angesichts hoher Weltmarktpreise lieber ins Ausland als – wie eigentlich gesetzlich vorgeschrieben – mindestens ein Viertel der Fördermenge zum halben Preis an den heimischen Markt abzugeben. Auch hier war die Unterversorgung schnell vorüber.
Ziel des Lizenzsystems ist aber nicht nur die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Gütern des Grundbedarfs. Es dient vor allem der Steuerung der Außenhandelsbilanz. Der aktuelle Rekordüberschuss der indonesischen Handelsbilanz ist jedoch überwiegend den hohen Weltmarktpreisen für Rohstoffe, insbesondere für Kohle, zu verdanken.
Marktsignale werden ausgeschaltet
Ausländische Wirtschaftsvertreter kritisieren die Maßnahmen als wirtschaftsfeindlich und als unvereinbar mit bestehenden regionalen Freihandelsabkommen. Zudem könne der Commodity-Balance-Mechanismus die Bedürfnisse der Wirtschaft nicht genau abbilden und sei anfällig für Missbrauch, heißt es in einer CIPS-Studie.
So hätten Unternehmen etwa den Anreiz, falsche Zahlen zu übermitteln, um leichter an Importe zu kommen. Sie könnten ihre Zuteilung außerdem zu höheren Preisen in den Markt weiterverkaufen. Auch wären die vielen kleinen Unternehmen in Indonesien nicht Teil der Datenerhebung, was zur Verzerrung der Zahlen führe. Zudem würden Preisentwicklungen, die den Markt normalerweise regulieren und den Marktteilnehmern wichtige Signale senden, durch den Commodity-Balance-Mechanismus ausgeschaltet werden. Auch der Qualitätsaspekt verschiedener Produkte derselben Art werde nicht berücksichtigt, wie bei den aktuellen Importverboten von medizintechnischen Produkten.
Des Weiteren ist die industrielle Produktwelt deutlich umfangreicher als die etwa 10.000 Zolltarifpositionen. Einzelne HS-Codes decken bisweilen ein ganzes Produktspektrum ab, und können schon alleine deshalb die Marktbedürfnisse nicht widerspiegeln.
Indonesiens Außenhandel ist dürftig
Indonesien erschwert Wareneinfuhren aber nicht nur durch das System von Importlizenzen. Die Regierung verfügt über ein ganzes Arsenal an Restriktionen. Seien es strenge Local-Content-Bestimmungen oder der Einsatz des nationalen Produktstandards "Standar Nasional Indonesia". Die Maßnahmen sind Spiegelbild der langen Tradition einer protektionistischen Wirtschaftspolitik. Ursprünglich mögen die Gründe dafür unter anderem in der ethnischen Vielfalt und der schwierigen Geografie des Landes liegen: Über staatliche Lenkung ließ sich die Ausbildung einer nationalen Identität, Armutsbekämpfung und die Grundversorgung der Bevölkerung leichter absichern.
Der Preis des Protektionismus ist eine verzögerte Wirtschaftsentwicklung. Indonesien hat in den vergangenen 20 Jahren zwar enorme Fortschritte gemacht, die aber zu einem erheblichen Teil dem Rohstoffreichtum zu verdanken sind. Den Nachbarländern Malaysia und Thailand hängt der Archipel deutlich hinterher und dürfte bald bei der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung vom rohstoffarmen, aber industriell expandierenden, Vietnam eingeholt werden.
Folgen des hohen politischen Einflusses in das Wirtschaftsleben ist die Übermacht der großen Staatskonzerne in fast allen Industriebereichen. Die mangelnde Einbindung in globale Lieferketten hat einen – im Vergleich zur Wirtschaftskraft – ausgesprochen schwachen Außenhandel mit einer unterentwickelten Exportproduktion zur Konsequenz.