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Wirtschaftsumfeld | Iran | Start-ups

Iran mit lebhafter Start-up-Szene

In den letzten Jahren entwickelt sich Irans Start-up-Sektor sehr dynamisch. Die besonders erfolgreichen Start-ups bieten Dienstleistungen an, die ausländischen Angeboten ähneln. 

Von Robert Espey | Dubai

Irans junge und gut ausgebildete Bevölkerung bildet die Grundlage für eine dynamische Entwicklung des Start-up-Sektors. Die äußerst schwierige Lage auf dem "traditionellen" Arbeitsmarkt macht die Start-up-Szene zusätzlich attraktiv.

Etwa ein Drittel der Hochschulstudierenden entfällt auf die Fachgebiete Naturwissenschaft, Technik und Ingenieurwesen. Im Studienjahr 2020/2021 gab es in diesen Bereichen 211.290 Absolventen, davon waren 27 Prozent Frauen. Die Zahl der Bachelorabschlüsse wird mit 113.027 angegeben, ihre Masterprüfung bestanden 39.872 Studierende. Der Doktortitel wurde an 3.715 Studierende verliehen. Zudem schlossen 54.676 Studierende ein zweijähriges Associate-Programm ab.

Besondere Rahmenbedingungen aufgrund der US-Sanktionen

Aufgrund der 2018 reaktivierten und seither verschärften US-Sanktionen fehlt es an internationaler Konkurrenz. Daher ergibt sich für die iranische Digitalwirtschaft mehr Freiraum, eigene Produkte zu entwickeln und ausländische Innovationen zu kopieren beziehungsweise zu modifizieren. Eine Sanktionslockerung und eine stärkere Internalisierung des iranischen Marktes wäre für die lokalen Start-ups eine Herausforderung, gleichzeitig würden sich aber auch neue Chancen eröffnen.

Nach Regierungsangaben hat sich der Umsatz der iranischen Start-ups und wissensbasierten Unternehmen zwischen 2017/2018 (iranisches Jahr 1396; 21. März bis 20. März) und 2020/2021 in lokaler Währung verdreifacht. Infolge des starken Währungsverfalls ergibt sich aber bei Umrechnung in US-Dollar (US$) zum freien Marktkurs ein Rückgang von 14,8 Milliarden auf 7,9 Milliarden US$. Schätzungen für 2021/2022 bewegen sich zwischen 9 Milliarden und 10 Milliarden US$.

Finanzierungen durch staatliche Förderung und privates Kapital

Staatliche Unterstützung der Start-ups kommt unter anderem durch den Iran National Innovation Fund (INIF), der dem Büro des Vizepräsidenten für Wissenschaft und Technologie untersteht. Nach INIF-Angaben wurden zwischen Dezember 2018 und September 2021 Kredite und Kreditgarantien in Höhe von 814 Millionen US$ vergeben. Der INIF schätzt die Zahl der in Iran existierenden Start-ups auf 7.000 (Stand: September 2021). Viele Beobachter gehen aber von einer deutlich geringeren Zahl aus.

Neben staatlicher Förderung und Mitteln der Firmengründer basiert in Iran die Finanzierung von Start-ups vor allem auf dem Engagement privater Einzelinvestoren (einschließlich Crowdfunding). Aber lokale Venture-Capital-Firmen (VC) und Private Equity Funds gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Erstes Start-up an der Börse

Im Juni 2022 ging das erste Start-up, die Tap30 Company (Tapsi), an die Börse (Iran Fara Bourse). Tapsi ist eine Taxi-App, die in 13 iranischen Provinzen genutzt werden kann. Die Taxi-Besitzer müssen 15 Prozent des Fahrpreises an Tapsi abführen. Der CEO des Unternehmens, Milad Monshipour, gibt für 2021/2022 die Einnahmen mit umgerechnet 16 Millionen US$ an, das Betriebsergebnis (Einnahmen minus Betriebskosten) mit 10 Millionen US$.

Die Börsennotierung von Start-ups war auf Basis der üblichen Zulassungsbedingungen nicht möglich. Aufgrund neuer Regelungen für Start-ups ist seit September 2021 der Weg an die Börse erleichtert worden. Die wichtigste Besonderheit ist, dass die Wertpapiere kleiner und risikoreicher Unternehmen nur von professionellen Anlegern (Investmentfonds etc.) erworben werden dürfen. Am 14. Juni wurden 5 Prozent der Tapsi-Aktien zum Kauf angeboten. Das Aktienpaket ging für insgesamt 1,7 Millionen US$ an 47 Investoren. Dem Vernehmen nach planen jetzt weitere Start-ups einen Börsengang.

Start-up sieht Unicorn-Status in Reichweite

Anlässlich der Silk Road Start-up-Konferenz im April 2022 auf der iranischen Freizoneninsel Kish erklärte ein Vertreter des Unternehmens Snapp, der führenden iranischen Taxi-App, dass Snapp in Kürze den Unicorn-Status erlangen könnte. Dazu müsste Snapp eine Marktbewertung von 1 Milliarde US$ erreichen. Das südafrikanische Telekom-Unternehmen MTN ist mit einer Beteiligung von 43 Prozent der größte Snapp-Anteilseigner. 

Snapp gilt als das derzeit erfolgreichste Start-up in Iran. Das 2014 gegründete Unternehmen ist mittlerweile weit mehr als eine Taxi-App. Das Angebot der App reicht vom Lieferservice für Essen und Lebensmittel, über Kurierdienste, die Buchung von Flügen und Hotels, den Kauf von Eintrittskarten bis zur Vereinbarung von Arztterminen.

Iranische "Amazon"-App sehr erfolgreich

Der E-Commerce-Anbieter DigiKala wird als das iranische "Amazon" bezeichnet. Zunächst war DigiKala nur als Desktop-Version verfügbar, jetzt gibt es auch Apps für Android und Apple. Das Produktspektrum ist sehr umfassend. Die Zahlungsabwicklung ist online oder bar möglich.

Die iranische Entsprechung des App-Stores "Google Play" ist Cafe Bazzar. Möglichkeiten zum Kauf und Verkauf von Neu- und Gebrauchtwaren bietet die Divar App, eine Art "ebay". Ein Divar-Konkurrent ist Sheypoor. Gebrauchtwagen werden auf der Webseite "Bama.ir" gehandelt. Funktionen wie "Youtube" hat die Video-Sharing-Plattform Aparat.

Start-ups als Ersatz für internationalen Technologietransfer

Die US-Sanktionen verhindern häufig den zur Modernisierung der Industrie notwendigen Transfer westlicher Technologien. Viele Start-ups arbeiten daran, diese Technologiedefizite durch eigene Entwicklungen oder "Reverse Engineering" (Entschlüsselung fremder Technologien) zu kompensieren. Beispielsweise versucht das "Digital Innovation Center" des führenden iranischen Stahlproduzenten, der Mobarakeh Steel Company, Start-ups für die Modernisierung des Unternehmens zu mobilisieren. Im November 2021 veranstaltete Mobarakeh zum dritte Mal den "Smart Steel Manufacturing Start-up Event" an der Tehran University. Von den Start-ups werden Problemlösungen unter anderem in den Bereichen Qualitätskontrollen, Wartung, Lagerhaltung und Arbeitssicherheit erhofft. Auch in vielen anderen Wirtschaftszweigen (Medizintechnik, Kfz, Chemie etc.) ist das Engagement von Start-ups gefragt.

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