Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsausblick | Iran

Iranische Wirtschaft kann erneut deutlich zulegen

Die Öl- und Gasförderung hat in den letzten Jahren wesentlich zum kräftigen Wirtschaftswachstum beigetragen. Der neue Staatspräsident möchte wieder bessere Beziehungen zum Westen.      

Von Robert Espey | Dubai

Top-Thema: Neuer Präsident lässt etwas Hoffnung aufkeimen

Bei den Präsidentschaftswahlen in Iran konnte sich der einzige als gemäßigt geltende Bewerber, Masoud Pezeshkian, durchsetzen. Der für die Auswahl der Kandidaten zuständige Wächterrat hatte insgesamt sechs Kandidaten zugelassen, letztlich stellten sich nur vier zur Wahl. In der Stichwahl am 5. Juli erhielt Pezeshkian 53,7 Prozent der Stimmen. Sein Konkurrent war der Hardliner Saeed Jalili. Die Wahlbeteiligung lag bei 49,8 Prozent. Der neue Präsident wird Ende Juli/Anfang August sein Amt antreten.  

Der relativ unbekannte, langjährige Parlamentsabgeordnete Pezeshkian (69) ist ausgebildeter Herzchirurg und war von 2001 bis 2005 Gesundheitsminister unter dem Reformpräsidenten Mohammad Khatami (1997 bis 2005). Pezeshkian ist Sohn einer iranisch-kurdischen Mutter und eines iranisch-aserbaidschanischen Vaters. Persisch ist nicht seine Muttersprache.

Pezeshkian ist nicht mit einer detaillierten Reformagenda angetreten. Vorerst erwartet auch kaum jemand einschneidende politische Veränderungen. Die politischen Leitlinien gibt Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei vor. Die von Hardlinern dominierte Legislative (Parlament) muss der Ernennung von Ministern zustimmen. Der vom Revolutionsführer ernannte konservative Wächterrat kontrolliert die Gesetzgebung und entscheidet bei Wahlen über die Zulassung von Kandidaten.

Im Ausland hat Pezeshkian für Aufmerksamkeit gesorgt, weil er zur Belebung der iranischen Wirtschaft eine wieder verstärkte Kooperationen mit dem Westen für erforderlich hält. Im Mittelpunkt steht dabei die Suche nach einer Lösung im Atomstreit und eine mögliche Lockerung der Wirtschaftssanktionen. Es wird darüber spekuliert, ob Mohammad Javad Zarif, der Außenminister unter Präsident Rouhani (2013 bis 2021) war, erneut Chefdiplomat der Islamischen Republik werden könnte.

In Iran konnte Pezeshkian vor allem durch seine Kritik an der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste im Herbst/Winter 2022/2023 sowie durch seine Forderung nach mehr Freiheiten für Frauen punkten. Am 1. Juli sagte Pezeshkian in einer Fernsehdebatte: "Wir verlieren unsere Unterstützung in der Gesellschaft aufgrund unseres Verhaltens, der hohen Preise, unserer Behandlung von Mädchen und weil wir das Internet zensieren. Die Menschen sind unzufrieden mit uns wegen unseres Verhaltens."

Wirtschaftsausblick: Öl- und Gasförderung ist Wachstumsmotor

Der Öl- und Gasförderung trägt seit 2020/2021 (iranisches Jahr: 21. März bis 20. März) wieder wesentlich zum Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei. Nach Angaben der Zentralbank hat der Sektor in den vergangenen vier Jahren zweistellige Wachstumsraten erzielen können. Für 2023/2024 wird ein Plus von 14,7 Prozent ausgewiesen. Die Reaktivierung der US-Sanktionen durch Donald Trump im Jahr 2018 hatte den Öl- und Gassektor 2018/2019 und 2019/2020 um 18 und 36 Prozent schrumpfen lassen.

Die erneute Ausweitung der Ölförderung seit 2020/2021 ist vor allem durch steigende Ölausfuhren nach China möglich geworden. Dem Ölministerium zufolge sank die Ölförderung 2019/2020 auf durchschnittlich 2,1 Millionen Barrel. Für Juni 2024 werden 3,6 Millionen Barrel pro Tag gemeldet. Iran will bis 2031 seine Förderkapazitäten von derzeit etwa 3,8 Millionen auf 5,7 Millionen Barrel pro Tag ausbauen.

Trotz des Rückzugs westlicher Partner ist es Iran ebenfalls gelungen, die Gasförderung kontinuierlich zu steigern. Mit der Förderung in der Phase 11 des großen South Pars Gasfeldes konnte 2023 begonnen werden. Dem Ölministerium zufolge wurden im März 2024 täglich 1,07 Milliarden Kubikmeter produziert. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen es 1,3 Milliarden Kubikmeter werden. Dazu wären aber Investitionen von 80 Milliarden US$ erforderlich, so die Schätzung des Ministeriums. Eine höhere Gasförderung ist allein zur Deckung des lokalen Bedarfs erforderlich.

Wachstum auch in der Nichtölwirtschaft

Der Zentralbank zufolge ist die Gesamtwirtschaft 2023/2024 um real 5,0 Prozent gewachsen, die Nichtölwirtschaft lediglich um 3,6 Prozent. Die verarbeitende Industrie legte um 4,4 Prozent zu, die Bauwirtschaft um 7,1 Prozent und der Dienstleistungssektor um 3,8 Prozent.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzte in seiner Frühjahrsprognose für 2023/2024 das Plus in der Nichtölwirtschaft auf 3,8 Prozent. Im laufenden und nächsten Jahr werden Zuwächse um 3,3 und 3,1 Prozent erwartet. Gleichzeitig rechnet der IWF im Öl- und Gassektor mit einer starken Verlangsamung des Wachstumstempos auf 2,9 und 2,2 Prozent.

Investitionen: Weiterhin ausländisches Engagement

Für westliche Investoren ist Iran derzeit eine "No-go Area". Aber Unternehmen aus anderen Ländern sind weiterhin interessiert. Die staatliche Investitionsförderungsgesellschaft, die "Organization of Investment, Economic and Technical Assistance" (OIETA), gibt an, zwischen August 2021 und Juni 2024 insgesamt 713 Genehmigungen für ausländische Investitionen im Wert von 11,9 Milliarden US$ erteilt zu haben. Üblicherweise gibt es allerdings eine große Diskrepanz zwischen genehmigten und letztlich realisierten Investitionsprojekten.

Der größte Teil der Genehmigungen entfällt auf den Öl- und Gassektor (4,9 Milliarden US$), gefolgt von industriellen Vorhaben mit 4,2 Milliarden US$. Ein wichtiger Investor ist China mit 91 Projekten im Wert von 2,1 Milliarden US$. Als andere führende Investoren werden unter anderem die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Indien genannt.

Konsum: Privater Verbrauch steigt trotz Kaufkraftverlusten

Die anhaltend hohe Inflation führt bei den privaten Haushalten zu erheblichen Kaufkraftverlusten. Im Zeitraum 2018/2019 bis 2022/2023 haben sich die Verbraucherpreise in den städtischen Regionen nahezu verfünffacht, so die offizielle Statistik. Im Jahresdurchschnitt 2023/2024 kann es zu einer weiteren Verteuerung um 40,7 Prozent.

Trotz der hohen Inflation hat der private Konsum 2023/2024 um 4,1 Prozent zugelegt, so die Zentralbank. Die Weltbank schätzt für 2023/2024 ein Plus von 3,2 Prozent.

Außenhandel: Importe legen erneut deutlich zu

Die iranischen Einfuhren sind 2023/2024 das dritte Jahr in Folge deutlich gestiegen. Vorläufigen Zollangaben zufolge erhöhten sich die Importe gegenüber dem Vorjahr um 8 Prozent auf 66,3 Milliarden US$ (cif). Etwa 31 Prozent der Waren kamen aus den VAE, wobei es sich vor allem um Re-Exporte über Dubai handelt. Es folgten China (28 Prozent), die Türkei (11 Prozent) sowie Deutschland und Indien mit jeweils 3 Prozent.

Der Nichtölexport ist 2023/2024 um 9 Prozent auf 49,3 Milliarden US$ gesunken. Die wichtigsten Abnehmerländer waren China, Irak, die VAE, die Türkei und Indien. Petrochemische Erzeugnisse hatten einen Anteil an den Nichtölausfuhren von 42 Prozent.

Deutsche Perspektive: Maschinenausfuhren erholen sich

Nach einem starken Rückgang der deutschen Lieferungen nach Iran zeichnet sich für 2024 eine Besserung ab. Destatis zufolge konnten die deutschen Iran-Ausfuhren in den ersten fünf Monaten 2024 gegenüber der entsprechenden Vergleichsperiode des Vorjahres um 13 Prozent auf 521 Millionen Euro zulegen. Der Zuwachs wurde unter anderem durch deutlich gestiegene Maschinenlieferungen verursacht.

Der deutsche Iran-Export sank 2023 um 24 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Dies war der niedrigste Wert seit 1999. Hauptgrund für den Einbruch war eine Verminderung der Getreideausfuhren von 451 Millionen auf 1,5 Millionen Euro. Bei den deutschen Maschinenlieferungen gab es 2023 hingegen eine weitere leichte Erholung um 15 Prozent auf 326 Millionen Euro. Im Zeitraum 2019 bis 2021 waren die Maschinenausfuhren um 75 Prozent auf nur noch 266 Millionen Euro zurückgegangen.

GTAI-Informationsangebote zu Iran
Weitere Informationen zu Iran bieten unter anderem unsere Reihen "Wirtschaftsstandort", "Wirtschaftsdaten kompakt" und "Branche kompakt". Ferner sind auf der GTAI-Länderseite zahlreiche Berichte zum Wirtschaftsumfeld, zu Branchen sowie Rechts- und Zollthemen zu finden.

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.