Branchen | Irland | Nahrungsmittel, Getränke
Brexit verschiebt Absatzrichtung irischer Lebensmittelproduzenten
Irlands Lebensmittelhersteller bewerten das Geschäft mit dem wichtigen britischen Markt neu. Mit Investitionen rüstet sich die Branche für einen Diversifikationskurs.
02.06.2022
Von Marc Lehnfeld | Dublin
Die Folgen des Brexit treffen nicht nur britische Unternehmen. In Irlands Nahrungsmittelindustrie ist infolge des britischen Austritts aus der Europäischen Union (EU) der Investitionsdruck besonders hoch. Schließlich rutschte das Vereinigte Königreich als wichtigstes Zielland irischer Lebensmittelexporte post-Brexit plötzlich hinter die Zollgrenze.
Britische Zollgrenze gefährdet irische Lebensmittelausfuhren
Die Grenze sorgt für ein erhebliches Risiko bei den irischen Exporteuren. Schließlich bedeuten Zollkontrollen - insbesondere bei Frischware - verlängerte Lieferwege und teure Bürokratie, die die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber britischen Konkurrenten schwächt.
Noch läuft allerdings der Countdown, denn die kompletten Zollanforderungen für europäische Lebensmitteleinfuhren in das Königreich sollen nach der letzten Fristverschiebung der Briten erst Ende 2023 voll eingeführt werden. Doch auch der Streit um das Nordirland-Protokoll zeigt, dass das Damoklesschwert einer Eskalation die irischen Exporte in das Königreich schon früher belasten könnte.
Die Bedeutung des britischen Absatzmarktes geht seit 2018 leicht zurück, allerdings entwickeln sich die Exporte mit Blick auf die regionalen Zielmärkte deutlich unterschiedlich. Während die Ausfuhren nach Großbritannien seit 2019 jährlich immer schneller schrumpfen, legten sie nach Nordirland allein 2021 wertmäßig um rund 46 Prozent zu.
Die irische Regierung fördert diesen Diversifikationskurs vor allem für Produzenten landwirtschaftlicher Produkte mit 70 Millionen Euro aus dem Capital Investment Scheme for the Processing and Marketing of Agricultural Products. Die 22 geförderten Projekte wurden Anfang November 2021 bekanntgegeben und werden nun realisiert. Die größten Beihilfen von 5 Millionen Euro pro Unternehmen erhalten demnach der Käsehersteller Bandon Vale Cheese, der Geflügelverarbeiter T O’Regan & Sons, der Wurstproduzent Henry Denny & Sons und der Verarbeiter von Enten Silver Hill Foods jeweils für Expansionsprojekte. Da die staatliche Förderung maximal 30 Prozent der Projektkosten betragen, sind die Gesamtvolumina der Vorhaben deutlich größer.
Investitionen in neue Produktionsanlagen und Forschung
Irlands Lebensmittelindustrie investiert, trotz des inflationären Drucks. Zwischen 2015 und 2019 flossen im Durchschnitt pro Jahr knapp 192 Millionen Euro brutto in neue Sachanlagen, davon rund 34 Millionen Euro in neue Maschinen und Ausrüstungen. Die größten Maschineninvestitionen tätigten dabei die Milch- und die Fleischverarbeiter sowie die Backwarenhersteller.
Auch der Ausblick ist positiv, mehrere größere Investitionen sind bekannt gemacht worden. So erhielt die 140 Millionen Euro teure Käseproduktion von Glanbia und dem niederländischen Joint Venture Partner Royal A-ware nach einem Rechtsstreit grünes Licht für die Umsetzung. Die Anlage soll 2024 in Betrieb genommen werden. Außerdem plant das Unternehmen Bio-Marine eine Fischverarbeitungsanlage in der nordwestirischen Hafenstadt Killybegs, sucht aber für das 50 Millionen Euro schwere Projekt noch einen Investor.
Unternehmen (Sitz) | Umsatz in Mio. Euro 2021 1) 2) | Mitarbeiter weltweit | Branche |
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Kerry Group Plc, Tralee in Südwestirland | 7.351 | 20.392 | Nahrungsmittel, Lebensmittelzusatzstoffe, Aromen, Getränke, auch im Pharmabereich tätig |
Dole Plc, in Dublin | 5.457 | 38.500 | Obst und Gemüse |
Glanbia Plc 3), Kilkenny in Südostirland | 4.197 | 4.717 | Spezialisierte Ernährung, Nahrungsmittelergänzungsprodukte, Funktionsgetränke, Milchprodukte |
Carbery Group Plc, Ballineen in Südirland | 536 | 882 | Käseprodukte, spezialisierte Ernährung, Aromen |
Green Isle Foods Ltd 4), Naas in Südostirland | 370 | 350 | Tiefkühlprodukte |
Von Investitionen profitiert auch die Forschungsszene der Branche. Im westirischen Athenry wird in den nächsten Monaten ein 4,1 Millionen Euro teures Inkubator-Projekt für innovative Unternehmen eröffnet. Der BIA Innovator Campus ist bei der staatlichen Agriculture and Food Development Authority (Teagasc) angesiedelt und soll über 40 Kleinunternehmen auf 2.300 Quadratmetern Platz bieten, um zum Beispiel neue Produkte in den vier Versuchsküchen zu entwickeln. In der Industrie investiert Glanbia Nutritionals 1,4 Millionen Euro in den Ausbau seiner Forschungsaktivitäten.
Deutsche Exportfördermaßnahme geplant
Wegen des expansiven irischen Umfelds werden deutsche Exporteure den irischen Nahrungsmittelmarkt erkunden. Eine entsrpechende Geschäftsanbahnungsreise findet vom 20. bis 23. Juni 2022 in Irland statt und bringt deutsche Maschinenhersteller mit irischen Kunden der Nahrungsmittel- und Verpackungsindustrie zusammen. Die Delegationsreise wird vom Markterschließungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert und von der AHK Irland durchgeführt.
Inflationsdruck nimmt zu
Irlands Lebensmittelindustrie zählte nach Angaben von Eurostat für 2020 rund 1.800 Unternehmen. Die Branche beschäftigt 51.600 Mitarbeiter und erzielt einen Jahresumsatz von 26,9 Milliarden Euro. In puncto Beschäftigte und Umsatz ist der Lebensmittelsektor Irlands wichtigste Industriebranche. Die Umsätze der Hersteller lagen nach Daten des irischen Statistikamts im Februar 2022 rund 14 Prozent höher als im Vorjahr und knapp 18 Prozent höher als im prä-Corona-Jahr 2019.
Das spiegeln auch Gewinnzuwächse der großen irischen Hersteller im 1. Quartal 2022, die aber nicht ohne eine Kehrseite auskommen. So konnte der Branchenriese Glanbia seine Umsätze zwar im 1. Quartal um ein Drittel gegenüber der Vorjahresperiode steigern, klagt aber auch über Preisanstiege von 17 Prozent. Auch die Kerry Group verzeichnet im gleichen Zeitraum rund 8 Prozent höhere Umsätze bei Preiszuwächsen von 5,8 Prozent.
Der Inflationsdruck beschäftigt die ganze Branche. Laut irischem Statistikamt sind die Herstellerpreise im Nahrungsmittelsektor im März 2022 um sechs Prozent gegenüber März 2021 gestiegen. Besonders stark sind die Preisanstiege vor allem bei Herstellern von Fleisch und Fleischerzeugnissen (+17,6 Prozent) und Molkereiprodukten (+35,8 Prozent), die höhere Futter- und Energiepreise verdauen müssen.
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft über Irland | |
Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Fachverband der fleischverarbeitenden Unternehmen Irlands beim Industrieverband IBEC | |
Fachverband der milchverarbeitenden Unternehmen Irlands beim Industrieverband IBEC | |
Fachverband der Lebensmittel- und Getränkeindustrie Irland beim Industrieverband IBEC |