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Israels Raumfahrtindustrie will hoch hinaus
Die Regierung sieht die Branche als Wachstumsmotor. Die Raumfahrtagentur peilt eine Vervierfachung des Umsatzes an. Auch internationale Partner und Investoren kommen zum Zuge.
22.02.2023
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
Die israelische Industriellenvereinigung (Manufacturers‘ Association) und die beim Wissenschaftsministerium angesiedelte Raumfahrtagentur (Israel Space Agency) wollen der Raumfahrindustrie zu einem Wachstumsschub verhelfen. Für ausländische, darunter auch deutsche Unternehmen würde ein solcher Wachstumsschub zahlreiche Geschäftschancen mit sich bringen. Das gilt sowohl für die Lieferung von Produkten und Systemen als auch für die technologische und kommerzielle Zusammenarbeit.
Umsatz soll vervierfacht werden
Die Hoffnungen sind groß. Nach Meinung der Raumfahrtagentur kann die zivile Raumfahrtbranche ihren Umsatz innerhalb eines Jahrzehnts von 1 Milliarde auf 4 Milliarden US-Dollar (US$) steigern.
Ähnlich sieht es die Industriellenvereinigung. Marian Cohen, Vorsitzender der im Rahmen des Industrieverbandes tätigen Hochtechnologievereinigung (High-Tech Association) bezeichnete im Januar 2023 die gegenwärtige Umsatzhöhe der Branche, als „sehr niedrig“ betonte aber, es gebe ein „enormes“ Wachstumspotenzial.
Ansprechpartner für ausländische Investoren
Um die Branche voranzubringen, hat die Industriellenvereinigung in Kooperation mit der Raumfahrtbehörde Ende Januar einen Fachverband der Raumfahrtindustrie mit dem Namen Space 5.0 ins Leben gerufen. Der Verband soll alle Aktivitäten der zivilen Raumfahrtindustrie in Israel koordinieren. Als Teil der Hochtechnologievereinigung wird auch er unter der Ägide der Industriellenvereinigung wirken.
Zu seinen Aufgaben gehören unter anderem Hilfe bei der Erlangung von Forschungs- und Entwicklungszuschüssen vom Staat, Förderung neuer Technologien, die Gründung von auf Raumfahrt spezialisierten Technologieinkubatoren und Exportförderung inklusive der Erschließung neuer Märkte. Ferner soll Space 5.0 als Anlaufstelle für potenzielle Investoren dienen. In dieser Funktion wird der neue Fachverband auch für ausländische Unternehmen relevant sein, die sich im israelischen Raumfahrtsektor engagieren wollen.
Mehr Forschung und internationale Partnerschaften angestrebt
Die Gründung von Space 5.0 ist Teil eines Fünfjahresprogramms zur Entwicklung der israelischen Raumfahrtbranche. Im September 2022 hat der Nationale Rat für zivile Forschung und Entwicklung (National Council for Civilian Research and Development) die Raumfahrtindustrie zu einem der Prioritätsbereiche für das kommende Jahrfünft erklärt.
Wie der Rat erklärte, geht mit dieser Entscheidung die Gewährung von Forschungszuschüssen im Wert von 180 Millionen Neue Schekel (umgerechnet 53 Millionen US$) pro Jahr einher. Das soll der Stärkung der zivilen Raumfahrtindustrie als eines nachhaltigen Wachstumsmotors der israelischen Wirtschaft dienen.
Ferner werden offizielle Entwicklungspläne für die Raumfahrtbranche formuliert. Unter anderem will die Regierung auf eine Verdoppelung der in der Branche tätigen Unternehmen von 60 auf 120 hinwirken. Ein weiteres Ziel ist die Gründung von Partnerschaften zwischen israelischen und ausländischen Einrichtungen.
Wagniskapitalfonds wird aktiv
Eine interessante Entwicklung ist der Markteintritt des neuen, auf Raumfahrt spezialisierten Wagniskapitalfonds Earth & Beyond Ventures. Neben seiner Rolle als Investor, betätigt sich der Fonds zugleich als Technologieinkubator. Wie der Geschäftsführer von Earth & Beyond, Baruch Schori, im Februar 2023 gegenüber der Wirtschaftszeitung Calcalist erklärte, visiert der Fonds für die kommenden fünf Jahre Investitionen von 125 Millionen US$ an.
Earth & Beyond will nicht nur reine Raumfahrttechnologien, sondern auch Technologien finanzieren, die sowohl auf der Erde als auch im Weltraum genutzt werden können. Dazu gehören unter anderem Robotik, Sensorik, intelligente Farmen und Solarenergie.
Satelliten und Dienstleistungen sind wichtige Domänen
Israels Raumfahrtindustrie verfügt über eine breite Palette von Firmen und Produkten. Israel gehört zu den wenigen Ländern, die Satelliten selbst bauen und in die Erdumlaufbahn bringen können.
Die wichtigsten Satellitenreihen sind die OFEK-Aufklärungssatelliten, die Kommunikationssatelliten der Serie AMOS und Erderkundungssatelliten der Marke EROS. In französisch-israelischer Zusammenarbeit entstand der 2017 gestartete Satellit für Umweltstudien, Venμs. Auch israelische Hochschulen sind am Satellitenbau beteiligt.
Ein besonderes Projekt war das privat finanzierte, 2019 gestartete Mondlandegerät Beresheet. Zwar endete die versuchte Mondlandung mit einem Absturz auf die Mondoberfläche, doch wurde das Projekt insgesamt als ein Erfolg der israelischen Raumfahrt betrachtet. Voraussichtlich 2025 soll der zweite Versuch einer Mondlandung unternommen werden.
Allerdings ist der Satellitenbau nur ein Teil der Raumfahrtindustrie in Israel. Nicht zuletzt spielt Weltraumkommunikation eine bedeutende Rolle. Wichtige Beispiele dafür sind die Firmen Spacecom und Gilat Satellite Networks. Spacecom betreibt Kommunikationssatelliten, während Gilat Bodenstationen baut.
Daneben gibt es eine Reihe von Firmen, die sich auf andere Gebiete spezialisieren. Dazu gehören beispielsweise Robotiksysteme für die Monderkundung sowie Antriebs- und Bremsmotoren für Satelliten. Ferner nimmt Israel an verschiedenen internationalen Weltraumforschungsprojekten teil.
Start-ups und Großunternehmen vertreten
Der größte israelische Satellitenhersteller ist der Luft- und Raumfahrtkonzern Israel Aerospace Industries, der außer Satelliten eine breite Palette ziviler und wehrtechnischer Produkte produziert. Der Bodenstationsbauer Gilat gehört ebenfalls zu den größten Unternehmen der Raumfahrt- und Raumforschungsbranche.
Zugleich gibt es eine Reihe kleiner Start-ups. Laut der Datenbank der gemeinnützigen israelischen Hightechorganisation Start-up Nation Central waren im Februar 2023 insgesamt 15 Firmen mit bis zu zehn Mitarbeitern tätig. Weitere neun Unternehmen beschäftigten 11 bis 50 Mitarbeiter.