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Technologien aus Israel auch für KMU relevant

Israels Position als führender Forschungs- und Entwicklungsstandort hat mehrere Gründe. Ein israelischer Experte sieht Möglichkeiten für ein stärkeres Engagement deutscher Firmen.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Israel ist ein international bedeutender Lieferant von Spitzentechnologie. Für ausländische Unternehmen sei es wichtig, die treibenden Kräfte der israelischen Forschungs- und Entwicklungsszene zu kennen, um deren Potenzial besser erschließen zu können. Diese Meinung vertritt Hadar Solomon, Senior Partner der auf geistiges Eigentum und Technologierecht spezialisierten israelischen Anwaltskanzlei Pearl Cohen Zedek Latzer Baratz (PearlCohen). In einem Gespräch mit Germany Trade & Invest erklärte Solomon zudem, deutsche Unternehmen schöpften die Möglichkeiten zu Technologieerwerb und Kooperationsprojekten in Israel nur zum Teil aus.

Quantitativ betrachtet gehören Israels zivile Forschungs- und Entwicklungsausgaben - sowohl an der Größe des Bruttoinlandsprodukts als auch je Einwohner gemessen - zu den höchsten der Welt. Darüber hinaus, so Solomon, gebe es aber eine Reihe weiterer Faktoren, die die Spezifik des israelischen Forschungs- und Entwicklungssektors ausmachten.

Unternehmenskultur fördert Kreativität

Einer dieser Faktoren sei die Unternehmenskultur. Im israelischen Hightechsektor finde in aller Regel eine freie Diskussion zwischen allen Rängen der Unternehmenshierarchie statt. Von Untergebenen werde nicht erwartet, dass sie mit ihren Ideen hinter dem Berg hielten, auch wenn ihre Meinung der Meinung ihrer Vorgesetzten widerspreche. Die Bedeutung freien Austauschs für innovative Forschung und Entwicklung solle nicht unterschätzt werden.

Die zivile Forschung und Entwicklung profitiere auch von der Erfahrung, die Israel bei der Entwicklung von Technologien für die Landesverteidigung gesammelt habe. Zudem schlössen sich zahlreiche Angehörige technologischer Armeeeinheiten nach Abschluss ihres Wehrdienstes der zivilen Hightechszene an. Damit sorgten nicht nur die Hochschulen, sondern auch die Streitkräfte für den Nachschub neuer Talente.

Plattformen und Schnittstellen sind dominant

Die Datenbank der gemeinnützigen israelischen Hightechorganisation Start-up Nation Central schlüsselt die im Land tätigen Hochtechnologieunternehmen unter anderem nach Kerntechnologien auf. Laut dieser Aufschlüsselung sind Plattformen und Schnittstellen sowie Künstliche Intelligenz auf der Liste der Kerntechnologien dominant.

Die wichtigsten Abnehmerbranchen für diese Technologien sind Anbieter von Unternehmens- und freiberuflichen Dienstleistungen sowie Firmen, die sich mit dem Verbraucherverhalten beschäftigen. An dritter Stelle folgen, mit großem Abstand, Biowissenschaften und Gesundheitswesen.

Kerntechnologien aktiver Hightechfirmen in Israel

Technologie

Zahl der Firmen*

Anteil an der Gesamtzahl aktiver Hightechfirmen in %*

Plattformen und Schnittstellen

           3.079

43,2

Künstliche Intelligenz

2.019

28,3

Sensorik

723

10,1

Datenspeicherung

646

9,1

Materialien und Substanzen

573

8,0

Biotechnologie

530

7,4

Kommunikation

448

6,3

Maschinenbau und Robotik

367

5,2

Simulation & Imaging

292

4,1

Halbleiter und Elektronik

250

3,5

Kryptografie

114

1,6

Komponenten

85

1,2

Quantencomputer

13

0,2

*) Wegen Mehrfachzuordnungen übersteigt die Summe der Einzelpositionen die Gesamtzahl der Firmen von 7.125 bzw. 100 ProzentQuelle: Start-up Nation Central, aufgerufen im September 2023

Engagement auch für KMU möglich

Die Stärken der israelischen Forschung und Entwicklung sind auch für ausländische Unternehmen und Investoren von Interesse. Im Jahr 2020 wurden nach jüngsten Angaben des Zentralamts für Statistik 50,1 Prozent aller Ausgaben für zivile Forschung und Entwicklung durch ausländisches Kapital finanziert.

Eine ansehnliche Zahl multinational agierender Großunternehmen unterhält in Israel eigene Forschungs- und Entwicklungszentren. Allerdings ist die Errichtung eines derartigen Zentrums in geeignetem Format auch für mittelgroße Unternehmen nicht ausgeschlossen. Für Länder wie Deutschland, in denen der Mittelstand ein zentrales Element des Industriesektors bildet, ist das von besonderer Bedeutung.

Auch heute sind nicht alle ausländischen Forschungs- und Entwicklungszentren Großeinrichtungen. Laut Start-up Nation Central unterhielten im Januar 2023 insgesamt 393 ausländische Unternehmen Forschungs- und Entwicklungs- oder Innovationszentren in Israel. Hiervon beschäftigten 71 Zentren nur bis zu 10 Arbeitskräfte, während weitere 135 über 11 bis 50 Mitarbeiter verfügten.

Häufiger Erwerb von Patenten und Nutzungslizenzen

Der Kauf geistigen Eigentums oder der Erwerb einer Nutzungslizenz sind in Israel weitverbreitete Methoden. In bestimmten Fällen werden solche Kauf- oder Lizenzverträge geschlossen, wenn der Eigentümer des geistigen Eigentums wegen finanzieller Engpässe die Umsetzung und Kommerzialisierung der jeweiligen Technologie nicht bewältigen kann. Als Verkäufer können Firmen ebenso wie einzelne Erfinder auftreten.

Der Erwerb einer Kommerzialisierungslizenz am intellektuellen Eigentum ist, so Solomon, vielleicht die häufigste Methode des Technologieerwerbs. Das Lizenzmodell kommt nicht nur im Verhältnis zu ausländischen Geschäftspartnern, sondern auch gegenüber israelischen Unternehmen zur Anwendung. So verweist Solomon auf Copaxone, ein international erfolgreiches Medikament zur Behandlung Multipler Sklerose. Das Präparat wurde am israelischen Weizmann-Institut für Wissenschaft (Weizmann Institute of Science) entwickelt. Der israelische Pharmakonzern Teva Pharmaceutical Industries sicherte sich die Produktionsrechte an dem Medikament mithilfe einer Nutzungslizenz.

"Nicht aktive" Firmen als Technologielieferanten

In bestimmten Fällen können ausländische Unternehmen auf die Technologie von Start-ups oder etablierten Firmen zurückgreifen, die aus verschiedenen Gründen ihre Aktivitäten eingestellt haben.

Im Januar 2023 registrierte die Datenbank von Start-up Nation Central insgesamt 11.575 Hightechunternehmen in Israel. Hiervon wurden 4.450 als „nicht aktiv“ klassifiziert – gegenüber 7.125 aktiven. Solomon geht davon aus, dass viele solche Firmen über ungenutztes, aber verwertbares geistiges Eigentum der Spitzenkategorie verfügen.

Partner für Technologiesuche

Für die Suche nach Möglichkeiten des Technologiezukaufs stehen ausländischen Unternehmen mehrere Wege offen. So können internationale oder israelische Scouting-Firmen, aber auch die AHK Israel geeignete Partner für diesen Zweck sein.

Ihrerseits verfügten Anwaltskanzleien für intellektuelles Eigentum, so Solomon, über direkte Kontakte zu zahlreichen potenziellen Anbietern und seien mit deren Technologie vertraut. Zudem könnten sie potenzielle Käufer in rechtlicher Hinsicht beraten.

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