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Zulassung von kultiviertem Rindfleisch hat Modellcharakter

Die weltweit erste Zulassung von kultiviertem Rindfleisch in Israel weckt internationales Interesse. Sie kann zuständigen Behörden anderer Länder wichtige Aufschlüsse geben.

Von Wladimir Struminski | Israel

Die Zulassung von kultiviertem Rindfleisch durch das israelische Gesundheitsministerium (Ministry of Health) hat internationale Aufmerksamkeit ausgelöst. Die Aufsichtsbehörden anderer Staaten haben das israelische Ministerium um Informationen über das Genehmigungsverfahren gebeten, nach dem die Zulassungsentscheidung getroffen wurde. Das hat das Gesundheitsministerium Ende Februar 2024 gegenüber Germany Trade and Invest erklärt. Wie das Ressort betonte, handelte es sich um die weltweit erste Zulassung für kultiviertes Rindfleisch.

Entscheidungshilfe für Marktzulassung in anderen Ländern

Im Januar 2024 gewährte der israelische Landesdienst für Lebensmittel (National Food Service - NFS) der Firma Aleph Farms die Marktzulassung für deren kultivierte Rindfleischerzeugnisse. Der NFS ist Teil des Gesundheitsministeriums. Die Zulassung wurde im Rahmen eines Pilotprojekts zur Prüfung alternativer Proteine gewährt. Das Genehmigungsverfahren hat sich nach den Bestimmungen des israelischen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Gesundheit - Lebensmittel (Law for the Protection of Public Health - Food) für die Zulassung neuartiger Lebensmittel gerichtet.

Israelische Marktbeobachter weisen darauf hin, dass die israelische Gesetzgebung ähnlich ist wie die entsprechenden Vorschriften, die von den Zulassungsbehörden in der EU und in den USA erlassen wurden. Zwar beziehe sich die besagte Zulassung nur auf die Produkte und Produktionsverfahren von Aleph Farms. Dennoch könne das israelische Genehmigungsverfahren wichtige Aufschlüsse für die Zulassung von kultiviertem Rindfleisch in anderen Ländern liefern und diese beschleunigen.

Wie werden neuartige Lebensmittel definiert?

Laut dem israelischen Gesetz zum Schutz der öffentlichen Gesundheit - Lebensmittel - gilt ein Lebensmittel als neuartig, wenn es mindestens eine der vier folgenden Bedingungen erfüllt:

  • es besitzt eine neue oder veränderte Molekularstruktur auf der Primärebene, es wurde vor 2006 nicht in wesentlichem Umfang dem menschlichen Verzehr zugeführt, und es wurden in Israel keine umfangreichen Erfahrungen gesammelt, die es als für Menschen sicher einstufen lassen;

  • es enthält genetisch modifizierte Organismen;

  • es enthält einen pflanzlichen oder tierischen Bestandteil, einen Mikroorganismus, einen Pilz oder eine Alge oder wurde aus ihnen isoliert, wenn in Israel keine umfangreichen Erfahrungen gesammelt wurden, die es als für Menschen sicher einstufen lassen;

  • es wurde in einem Verfahren hergestellt, das in Israel bisher nicht für die Herstellung von Lebensmitteln oder deren Bestandteilen verwendet wurde, wobei eine bedeutende Veränderung in der Zusammensetzung und der Struktur des Lebensmittels oder von dessen Bestandteilen bewirkt wurde und das die Eigenschaften des Lebensmittels mit Blick auf den Stoffwechsel im Organismus oder das Niveau unerwünschter Substanzen beeinflusst hat.

Züchtung aus Stammzellen

Der von Aleph Farms entwickelte Herstellungsprozess beruht auf Stammzellen, die aus befruchteten Eizellen einer Kuh gewonnen werden, bevor die Eizellen sich an der Gebärmutterwand festmachen. Die Stammzellen werden in einem Nährmedium gezüchtet. Dabei werden sie so gesteuert, dass sie sich zu Muskelgewebe entwickeln. Das verleiht dem Endprodukt die Konsistenz und den Geschmack von herkömmlichen Steaks.

Aus Gründen der Geschäftsgeheimhaltung erteilt das Gesundheitsministerium keine Auskunft darüber, ob auch andere Entwickler oder Hersteller von Laborrindfleisch Zulassungsanträge gestellt haben. Allerdings, so das Ressort, habe die Zulassung der Produkte von Aleph Farms Interesse anderer israelischer Firmen geweckt, die in diesem Marktsegment tätig seien.

Penibles Prüfverfahren

Die konkrete Abwicklung des Genehmigungsverfahrens oblag der Abteilung für Risikomanagement (Risk Management Department) des NFS. Die Neuartigkeit des Produkts und des Herstellungsprozesses, so das Gesundheitsministerium, hätten eine genaue Definition der Prüfkriterien und umfangreiche Tests erfordert. Das antragstellende Unternehmen musste die vom NFS geforderten Untersuchungen von einem vom Gesundheitsministerium anerkannten Labor oder einem anderen Labor mit einem Zertifikat über gute Laborpraxis durchführen lassen.

Die Prüfung potenzieller Gesundheitsrisiken erfasste den gesamten Entwicklungs- und Produktionsprozess, von den Ursprungsstammzellen und den Rohstoffen über das Produktionsverfahren bis zur Prüfung des Fertigprodukts. Deshalb hat das gesamte Prüfverfahren nach Auskunft des Gesundheitsministeriums zwei Jahre lang gedauert. 

Kultivierte Steaks nehmen Kurs auf Massenverkauf

Die Zulassung, die Aleph Farms erhalten hat, bedeutet nicht, dass ihre kultivierten Steaks sofort in den Einzelhandel kommen. Im nächsten Schritt muss das Unternehmen den Übergang zur Massenproduktion bewältigen. Wie die israelische Wirtschaftszeitung Globes bemerkte, wird es dabei entscheidend wichtig sein, den Geschmack von echtem Fleisch auch bei industrieller Herstellung zu bewahren. 

Die Aussicht auf eine Marktzulassung verspricht jedoch eine beschleunigte Entwicklung dieses Marktsegments. Dabei wird auch eine erhebliche Senkung der Produktionskosten eine zentrale Herausforderung sein. Gleichwohl könnte kultiviertes Rindfleisch bereits in der mittleren Frist zu einer für Verbraucher zugänglichen Alternative werden. Laut einer Prognose der israelischen Foodtech-Expertin Ilanit Kabessa könnten kultivierte Steaks bei schnellen Fortschritten der israelischen Branche bereits in fünf Jahren im Einzelhandel erhältlich sein

Bereits im Jahr 2021 hatte die israelische Firma Future Meats eine Produktionstechnologie entwickelt, die die Herstellung von Fleisch aus Tierzellen ohne Tierserum und ohne genetische Modifizierung ermöglichte. Future Meats firmiert derweil unter dem neuen Namen Believer Meats und will sich auf den US-Markt konzentrieren. Die Firma baut in North Carolina eine Produktionsstätte mit einer Erzeugungskapazität für 10.000 Tonnen von kultiviertem Fleisch pro Jahr. Der Bau der Produktionsanlage soll nach Firmenangaben 2024 abgeschlossen werden. 


 

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