Special | Israel | Klimawandel lokal
Israel passt sich dem Klimawandel an
Klimatische Veränderungen gefährden urbane Räume ebenso wie offene Flächen. Hohe Investitionen in nachhaltige Lösungen sind deshalb dringend erforderlich.
07.01.2022
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
In den kommenden Jahren werden in Israel vielfältige Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel im Bereich des Städtebaus, der Infrastruktur und der Gestaltung der Naturräume unerlässlich. Angesichts der Größe der sich dabei stellenden Aufgaben wird es dabei zu einem starken Investitionsschub kommen.
Eine zentrale Rolle bei der Planung der Adaptationsmaßnahmen spielt das Umweltschutzministerium (Ministry of Environmental Protection). In einem Gespräch mit Germany Trade & Invest erläuterte Tamar Raviv, Leiterin der Abteilung für biologische Vielfalt und offene Flächen im Umweltressort die Eckpunkte der israelischen Anpassungsstrategie.
Infrastrukturausbau und ökologisches Management
Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Umsetzung einer Adaptationsstrategie, so Raviv, komme den Kommunen zu. Deshalb habe die Regierung ihnen die Erarbeitung von Plänen zur Milderung der Folgen des Klimawandels auferlegt.
Nicht zuletzt müssten sich die Städte auf zunehmende Überschwemmungen vorbereiten. Zwar werde eine Abnahme der jährlichen Niederschlagsmengen prognostiziert, doch würden sich die Niederschläge während der winterlichen Regensaison jetzt schon auf eine geringere Zahl von Tagen verteilen. Daher seien extreme Wetterereignisse wie Stürme und starke Regenfälle zu erwarten. Bereits in den letzten Jahren seien aus diesem Grund häufigere und gefährlichere Überflutungen zu beobachten, die auch schon zu Todesopfern geführt hätten.
Um die massiven Niederschläge bewältigen zu können und dadurch Überflutungsschäden nach Möglichkeit zu mildern, müssten die Kommunen ihre Infrastruktur aufwerten. Ferner seien sie verpflichtet, Pläne für andere Notfälle wie anhaltende Hitzewellen und temperaturbedingte Brände zu erstellen.
Über den Infrastrukturausbau und die Vorbereitung auf akute Notfälle hinaus seien nach Auffassung des Umweltschutzministeriums auch naturbasierte Lösungen erforderlich. Im urbanen Raum würden jetzt schon vielerorts Bäume gepflanzt, um das Problem städtischer Hitzeinseln durch Beschattung zu reduzieren. Diese Methode werde in den kommenden Jahren breitere Anwendung als bisher finden.
Naturbasierte Lösungen wichtig
Naturbasierte Lösungen könnten auch bei der Verhinderung von Überschwemmungen durch Flüsse eine wichtige Rolle spielen. Zwar habe Israel im Vergleich mit europäischen Ländern nur kleine Flüsse, doch stellten diese häufig eine Quelle von Überflutungen dar.
Um dieser Gefahr vorzubeugen, setze das Umweltschutzministerium auf groß angelegte Bepflanzung entlang der Flussufer. Dies sei bereits erfolgreich an dem im Landesnorden verlaufenden Kishon-Fluss verwirklicht worden. Die Uferbepflanzung helfe dabei, Regenwasser vorübergehend aufzufangen. Damit werde die maximale Wassermenge reduziert, die bei schweren Regenfällen direkt in die Flüsse strömt. Ein Teil der Niederschläge werde durch die Vegetation und die Baumpflanzung vorübergehend aufgefangen, während ein weiterer Teil ins Grundwasser einsickere. Letzteres helfe nicht nur bei der Verhinderung von Überflutungen, sondern reichere auch die Grundwasserreservoirs an.
Adaptationsinvestitionen sind hochrentabel
Adaptationsmaßnahmen innerhalb wie außerhalb der Städte, so Tamar Raviv, würden hohen Kapitalaufwand verlangen. Gegenwärtig stünden zwar nur knappe Haushaltsmittel für die Verwirklichung der Adaptationspläne zur Verfügung, doch sei zu erwarten, dass die Etats für diesen Zweck in den kommenden Jahren erheblich erhöht werden.
Adaptation sei aber nicht nur dringend erforderlich, sondern auch ökonomisch rentabel. Wie Raviv betont, verhindern Anpassungsmaßnahmen Schäden, die im Durchschnitt achtmal höher als der für ihre Vermeidung erforderliche Kapitalaufwand wären.
Eine wichtige Rolle bei der Verhinderung von Überflutungen und der Nutzbarmachung von Niederschlägen werden auch die Wasserbehörde und das Landwirtschaftsministerium spielen. Letzterem sind regionale Drainagewerke unterstellt, während die Wasserbehörde landesweit für die Wasserwirtschaft zuständig ist.
Grüne Baunorm muss konsequent durchgesetzt werden
Ein weiteres betroffenes Ressort ist das Bauministerium (Ministry of Construction and Housing). Es spielt die federführende Rolle bei der Formulierung von Auflagen für den Bau neuer Stadtviertel, inklusive des Abwassersystems, der Beschattung und der Durchsetzung der ökologisch freundlichen „grünen Baunorm“.
Letztere ist als landesweite verbindliche Norm neu. Sie wird erst seit 2021 stufenweise eingeführt und soll bis 2025 alle Kategorien von Gebäuden umfassen. Sie hat das Potenzial, zur Anpassung an höhere Temperaturen beizutragen, doch bietet sie in ihrer gegenwärtigen Form keine absolute Garantie dafür, dass dies auch geschieht.
Damit Gebäude ein Normerfüllungszertifikat bekommen, werden sie nach mehreren Kriterien beurteilt. Zu den bewerteten Parametern gehören Energieverbrauch, Bodennutzung, Wassereffizienz, Abfallentsorgung, Gesundheitsförderlichkeit, Umweltmanagement, Verkehrsanbindung, Baustoffe und Innovationsgrad. Für jedes dieser Kriterien wird eine bestimmte Punktezahl vergeben. Je nach erreichter Gesamtpunktzahl erhält das Gebäude einen bis fünf „Sterne“, wie es offiziell heißt.
Als Mindestanforderung gilt allerdings die Zuerkennung von lediglich zwei „Sternen“. Deshalb kann die Norm beispielsweise auch dann erfüllt werden, wenn das Gebäude keine Punkte für Baustoffe bekommt, obwohl diese hitzeabweisend sein könnten. In dieser Situation hat die Norm zwar das Potenzial, erheblich zur Adaptation beitragen, doch müsste der Staat sie dazu umfassend zu diesem Zweck durchsetzen.
Anstieg des Meeresspiegels kann gefährlich werden
In der längeren Frist muss sich Israel auch auf die Folgen des steigenden Meeresspiegels einstellen. Das gilt unter anderem für die fünf Seehäfen des Landes. Darüber hinaus droht das Vorrücken des Seewassers die Erosion von Seeklippen nach sich zu ziehen und damit deren Stabilität zu gefährden. Das zu verhindern, ist eine weitere kritisch wichtige Aufgabe der Adaptationspolitik.