Wenn ein Unternehmen sich dazu entschlossen hat, koschere Produkte zu vertreiben, stellt sich die Frage, wie man den passenden Zertifizierer findet.
Selektionsphase
Eine Orientierungshilfe kann die Koscherzertifizierung/-organisation des/der Kunden sein. Am Anfang stehen zunächst die Fragen „Wer ist meine Kundengruppe und welche Produkte möchte mein Kunde?“. Damit kann man den anstehenden Prozess schon mal auf eine der oben genannten Stufen und die entsprechenden Anforderungen eingrenzen. Denn wie bereits beschrieben, werden Lebensmittel in die Kategorien milchig (dairy), fleischig; fischig (meat; fish) und neutral (parve) unterteilt. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene Grade an koscher, nämlich „normal koscher“, „super koscher“ und „koscher für passover“.
Nach diesen Anfangsfragen ist eine weitere Eingrenzung notwendig, nämlich die Frage nach meinen Zielmärkten: „Wohin möchte ich meine Produkte exportieren?“. Denn auch hier gibt es Unterschiede. Viele Zielmärkte geben vor, welches Zertifikat überhaupt ins Land eingeführt werden darf und welches nicht, es gibt individuell vorgegebenen Standards mit entsprechenden Anforderungen.
Wenn ich meine Kundengruppe, Produktgruppe, den Zielmarkt und den erforderlichen Koschergrad eingegrenzt habe, kann ich mit der Suche nach einem passenden Zertifizierer starten. Innerhalb dieser Phase ist es hilfreich, einen Blick auf die „Association of Kashrut Organizations (AKO)“ zu werfen, denn dort findet man eine globale Liste mit international anerkannten und akkreditierten Agenturen für Koscher-Zertifizierungen. Diese sind je nach Branche und den dazugehörenden Anforderungen aufgeteilt.
Bei der Suche nach dem passenden Zertifizierer sind einige Eckpunkte für den weiteren Prozess sehr wichtig. Dazu gehören vor allem die Punkte Kosten, Backoffice, Erreichbarkeit und wie transparent mit diesen Themen umgegangen wird. Die Zertifizierungsstelle würde zukünftig meine Produkte und meine Produktionsstätte durch einen unabhängigen Rabbiner, der auf Kaschrut spezialisiert ist, kontrollieren. Da dieser Prozess auch jede Menge Formalien und Organisation beinhaltet, ist es enorm wichtig, sich darauf verlassen zu können, dass ich jederzeit jemanden erreichen kann und die Zertifizierungsstelle gut organisiert ist.
Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit
Neben den Formalien und rein organisatorischen Bereichen, ist es mindestens genauso wichtig, dass es auf menschlicher Ebene mit der ausgewählten Zertifizierungsstelle, genauer gesagt, dem Rabbiner passt. Ein respektvoller und ehrlicher Umgang zwischen Unternehmen und Rabbiner ist unerlässlich. Der Zertifizierungsprozess ist nicht immer einfach, oft steht man vor Fragestellungen, bei denen sich ein erfahrener Rabbiner besser auskennt, beispielsweise wenn einzelne Inhaltsstoffe nicht koscher sind oder man diese ersetzen muss. Seine Erfahrung sollte man nicht unterschätzen, denn selbst wenn man meint, sich wirtschaftlich besser auszukennen und einen Rabbiner diesbezüglich nicht ernst nimmt, legt man sich damit nicht zu selten selbst einen Fallstrick. Wolf-Dieter Borawitz ist Koscher- und Halal Beauftragter der Uelzena-Gruppe, kann auf eine besonders langjährige Erfahrung als Vertriebsmanager zurückblicken und kennt sich bestens bezüglich der geltenden Koscher- & Halal-Anforderungen aus. Er betonte, wie wichtig gegenseitige Ehrlichkeit und Respekt seien: „Vor allem, wenn es ein Problem gibt und man womöglich Gefahr läuft, eine gewünschte Zertifizierung nicht zu erhalten, macht es immer Sinn, ehrlich zum Rabbiner zu sein, denn nur so findet man gemeinsam die beste Lösung“.
Ablauf
Hat man eine passende Zertifizierungsstelle gefunden, kontrolliert diese bzw. der Rabbiner den gesamten Produktionsprozess. Wichtig ist hierbei die Trennung der unterschiedlichen Produktgruppen, der Kontakt bzw. die Trennung zwischen koscheren und nicht-koscheren Produkten und auch eine spezielle, gesonderte rituelle Reinigung der Anlagen.
Der ganze Ablauf beginnt mit einer Analyse der Inhaltsstoffe eines Produktes, dafür muss der Einblick in die unternehmensinterne Datenbank von Rohstoffen und Inhaltsstoffen gewährt werden. Danach werden Lagerung und Produktionsprozess analysiert. In diesem Zusammenhang macht es Sinn, sich von der Zertifizierungsstelle eine Geheimhaltungsklausel unterzeichnen zu lassen, da sensible Daten in Form von Rezepturen und Ähnlichem offengelegt werden müssen.
Sind diese Schritte geschafft und erklärt die Zertifizierungsstelle, dass alle Inhaltsstoffe und der Produktionsablauf in der Theorie koscher sind, kann ein Termin für ein Audit mit dem Rabbiner vereinbart werden. Der Rabbiner beaufsichtigt unter anderem die (rituelle) Reinigung der Anlagen.
Die Abläufe gestalten sich dabei recht aufwändig (sofern die Kontakttemperatur des Produktes mit der Produktionsanlage 40°C übersteigt), vor allem wenn beispielsweise zunächst milchhaltige Produkte und dann neutrale Produkte hergestellt werden. Denn dann ist eine sogenannte Kascherung, eine zusätzliche rituelle Reinigung unter Aufsicht eines Rabbiners, erforderlich. Das bedeutet im Konkretfall, dass auf einen 24-stündigen Stillstand der Anlage eine weitere Reinigung - die je nach Anlagengröße sechs bis zehn Stunden dauern kann- erfolgt. „Jede Kascherung bringt daher natürlich Zeitverlust (= Produktionsstillstand) mit sich, aber auch Stress und somit höheren Verschleiß für die Anlagen. Daher ist die sorgfältige Produktionsplanung unumgänglich.“ bestätigt Wolf-Dieter Borawitz. Die Uelzena-Gruppe gestaltet die durchgängige Überwachung ihrer Produktionsabläufe im Lohntrocknungsbereich durch ein rollierendes Zeitmanagementsystem, welches ihre Produktionen wöchentlich rollierend mit einem vierwöchigen Forecast und den erzielten Produktionsausbeuten ihren Zertifizierern vorlegt.