Wirtschaftsumfeld | Türkei | Fachkräfte
Junge Bevölkerung bietet Potenzial für den Arbeitsmarkt
Ein Standortvorteil der Türkei ist ihre junge Population. Das Ausbildungsniveau beschreiben ausländische Arbeitgeber meist als gut. Trotzdem ist die Personalsuche oft schwierig.
25.07.2023
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
Die türkische Bevölkerung ist mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren (Stand 2022) deutlich jünger als die Deutschlands. Der Arbeitsmarkt umfasst potenziell etwa 54 Millionen Menschen. Dies sind die Personen im arbeitsfähigen Alter zwischen 16 und 64 Jahren. Allerdings waren im Jahr 2022 nur etwas über die Hälfte offiziell erwerbstätig, was darauf hinweist, dass eine beträchtliche Anzahl von Menschen arbeitslos oder zumindest nicht offiziell beschäftigt ist. Der Frauenanteil an der registrierten Beschäftigung betrug im November 2022 rund 32 Prozent. Bedenklich ist die hohe Anzahl beschäftigungsloser junger Menschen zwischen 15 und 24 Jahren. Im März 2023 ging jede fünfte Person in dieser Altersklasse weder einer Ausbildung nach, noch war sie in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt.
Bevölkerung (in Mio.) | 85,3 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 Jahre und jünger als 65 Jahre, in Mio.) 1) | 58,1 |
Erwerbstätige (in Mio.) 1) | 31,4 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO Definition) 2) | 10,4 |
Analphabetenquote (in %) 3) | 2,4 |
Universitätsabschluss (in %) 4) | 23,9 |
Im Vergleich zu Deutschland ist das Lohnniveau in der Türkei beträchtlich niedriger. Die Lohnkostenvorteile sind jedoch geringer als an manchen osteuropäischen Standorten. Hierzu tragen die hohen Lohnnebenkosten bei. Sie begünstigen die Verbreitung der Schattenwirtschaft mit illegaler Beschäftigung. Die Einkommen weisen große regionale Unterschiede auf.
Fremdsprachenkenntnisse nehmen zu
Viele türkische Fachkräfte, insbesondere die jüngeren, sprechen Englisch, da es als Fremdsprache an den meisten Schulen mehrere Jahre unterrichtet wird. Trotzdem ist das Gesamtniveau der Englischkenntnisse eher gering. Laut dem Länderranking von Education First von 2022 landete die Türkei auf Rang 64 von 111 Ländern weltweit, während Deutschland den 10. Platz erreichte.
In den Großstädten Istanbul und Ankara gibt es zahlreiche Privatschulen, die weite Teile des Curriculums in Fremdsprachen wie Englisch, Französisch oder auch Deutsch unterrichten. Sie bieten oft auch ausländische Schulabschlüsse an, darunter das deutsche Abitur. Wegen der hohen Schulgebühren steht der Zugang zu privater Schulbildung vor allem einkommensstarken Familien offen. Die Absolventen verfügen über ausgezeichnete Fremdsprachenkenntnisse, die für ausländische Unternehmen von Vorteil sind, wenn sie in der Türkei tätig werden möchten und Personal mit nahezu muttersprachlichem Niveau in diesen Sprachen benötigen.
Ankara Istanbul
Izmir |
Jeder Vierte hat einen Universitätsabschluss
Die Türkei verfügt über eine Vielzahl an Universitäten und technischen Schulen, die eine breite Palette von Fachrichtungen abdecken. Insbesondere in den Ballungsräumen wie Istanbul und Ankara steht ein großer Pool ausgebildeter Arbeitskräfte zur Verfügung. Etwa ein Viertel der Bevölkerung ab 25 Jahren hat einen Universitätsabschluss. Jedoch arbeiten viele Arbeitskräfte nicht in ihrem erlernten Fachgebiet. Berichten zufolge gehe es vielen Studierenden häufig vor allem darum, ein Diplom zu erhalten, egal in welcher Fachrichtung. Eine Übersicht über das türkische Hochschulsystem hat der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD veröffentlicht.
Trotz gutem Ausbildungsniveau muss nachjustiert werden
Ausländische Unternehmen bezeichnen das Ausbildungsniveau der Arbeitskräfte in der Türkei meist als gut. Trotzdem sei es häufig schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. Im Ausbildungssystem bestehen Berichten zufolge erhebliche Defizite, insbesondere hinsichtlich der praktischen Berufsausbildung. Nach der beruflichen oder akademischen Ausbildung sind die Absolventen recht häufig nicht direkt einsetzbar, sondern benötigen eine weitere praktische Ausbildung im Betrieb. Ein paar ausländische Unternehmen haben eigene Ausbildungszentren eröffnet. Ein Universitätsabschluss ist gesellschaftlich sehr gewünscht, dagegen gelten praktische Berufsausbildungen als weniger erstrebenswert. Die Initiative iMOVE des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Unterstützung deutscher Bildungsdienstleister im Ausland hat 2011 eine Studie zum Stand der beruflichen Bildung in der Türkei veröffentlicht, die in weiten Teilen noch Gültigkeit haben dürfte.
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Hoher Personalbedarf in Produktion und Vertrieb
Die Verfügbarkeit von Fachkräften kann in den verschiedenen Regionen der Türkei variieren. In den größeren Städten wie Istanbul und Ankara gibt es in der Regel einen größeren Pool an Fachkräften, während es in ländlicheren Gebieten schwieriger sein kann, qualifiziertes Personal zu finden. Außerdem kann die Verfügbarkeit von Fachkräften von Branche zu Branche variieren. In manchen Branchen ist die Konkurrenz um Fachkräfte höher.
Die 2023 am meisten von den Arbeitgebern in der Türkei gesuchten Berufsbilder waren einer Umfrage (Mehrfachnennung möglich) des Personaldienstes Manpower zum Fachkräftemangel zufolge Fertigung und Produktion (30 Prozent), Vertrieb und Marketing (28 Prozent), Ingenieurwesen (26 Prozent), IT & Daten (20 Prozent) sowie Verwaltung und Büro (20 Prozent).
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Unternehmen haben Schwierigkeiten offene Stellen zu besetzen
Laut der Manpower Umfrage berichteten 72 Prozent der befragten Unternehmen in der Türkei 2023 über Schwierigkeiten bei der Suche nach den benötigten Fähigkeiten und Qualifikationen. Dies betraf praktisch jede der in der Studie genannten Branchen in hohem Maße. Am schwierigsten waren Bewerber im Bereich Transport, Logistik und Automobilindustrie zu finden. Die Unternehmen reagieren auf den Fachkräftemangel, indem sie ihre Belegschaft weiterbilden oder umschulen (69 Prozent) und flexiblere Arbeitszeitmodelle (60 Prozent) anbieten, um attraktiver zu sein.
Branche | Anteil der Unternehmen (in %) *) |
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Transport, Logistik und Automobil | 79 |
Konsumgüter und Dienstleistungen | 76 |
Gesundheitswesen und Life Science | 76 |
Kommunikationsdienste | 72 |
Energie und Versorgung | 71 |
Finanzwesen und Immobilien | 70 |
Industrie und Rohstoffe | 70 |
Informationstechnologie | 65 |
Die Türkei hat in den letzten Jahren mit einem "Brain Drain" zu kämpfen, bei dem viele qualifizierte Fachkräfte das Land verlassen, um bessere berufliche und wirtschaftliche Chancen im Ausland zu suchen. Die Abwanderung führt zu Engpässen in bestimmten Branchen und schränkt die Verfügbarkeit von Fachkräften ein. Deutschland ist beispielsweise eines der Länder, das zum Ziel für türkische Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen geworden ist.
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer, Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Türkisches Arbeitsamt | |
Vereinigung der Türkischen Arbeitgeberverbände | |
Rat für Hochschulbildung | |
Ministerium für Nationale Bildung | |
Türkischer Wissenschafts- und Forschungsrat | |
Türkisch-Deutsche Universität | |
Stiftung zur Förderung der Hightech-Berufsausbildung |