Branchen | Italien | Auslandsbau
Große italienische Bauunternehmen arbeiten weltweit
Energie- und Industrieanlagen, U- und Autobahnen, Kliniken: Italienische Baukonzerne erzielen ihren Umsatz überwiegend im Ausland. Dies bietet deutschen Firmen Auftragschancen.
30.08.2024
Von Torsten Pauly | Mailand
Eine starke Stellung haben italienische Baufirmen im Bahnbau. Fernstrecken realisieren derzeit Salcef in Norwegen und den Vereinigten Arabischen Emiraten, ICM in der Slowakei und Itinera in Dänemark und Schweden. U- und S-Bahnen bauen Itinera in Stockholm und Webuild in Melbourne und Sydney. Autobahnabschnitte erstellen unter anderem Itinera in Kuwait, ICM in Österreich und Webuild in Rumänien.
Italienische Bauunternehmen gehen im Ausland oft öffentlich-private Partnerschaften ein. Entsprechende Gesellschaften hierfür betreiben unter anderem Webuild in Norwegen, Australien und mehreren amerikanischen Staaten sowie Itinera in Brasilien und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland.
Renommee genießen italienische Firmen auch beim Bau von Kraftwerken und großen Anlagen. Petrochemische und Gasprojekte setzen Sicim in Kanada, Mexiko, Guyana und dem Irak, Bonatti in Deutschland, Griechenland und Kasachstan und Saipem in Saudi-Arabien und Angola um. Webuild errichtet Wasserkraftwerke in Tadschikistan, Äthiopien und Australien.
Im Krankenhausbau sind italienische Baukonzerne ebenfalls stark. So arbeitet Pizzarotti derzeit an zwei Einrichtungen in Kuwait und Frankreich und Itinera erweitert zwei dänische Unikliniken.
Stararchitekten arbeiten mit italienischen Baufirmen
Italienische Architektur genießt Weltruf, die Büros sind im Ausland gefragt. So hat das zweitumsatzstärkste italienische Planungsbüro ACPV Architects 2022 etwa 65 Prozent seines Ergebnisses im Ausland realisiert. Bei den ebenfalls führenden Anbietern Luca Dini Associati und Renzo Piano Building Workshop waren es 100 Prozent beziehungsweise 32 Prozent. Auch italienische Bauingenieurbüros sind international ausgerichtet.
Diese starke Planungspräsenz im Ausland kommt italienischen Baufirmen zugute, denn Bauherren beauftragen sie oft. Unlängst haben Renzo Piano und Stefano Boeri das neue, ins Meer getriebene Stadtviertel Mare Terra für Monaco entworfen. Bauaufträge erhalten dabei gleich mehrere italienische Firmen. Ein weiteres Beispiel ist das Besucherzentrum des Nuklearforschungszentrums CERN in Genf. Dieses hat Piano projektiert und ICM federführend realisiert. Beim Bau der Athener Oper, die Piano geplant hat, kam Webuild zum Zug.
Projekt | Baukonzern | Projektwert |
---|---|---|
Wasserkraftwerk Snowy Hydro 2.0 im australischen Canberra | Webuild | 5.177 Mio. Euro |
Staudamm, Hotels und Freizeiteinrichtungen im saudiarabischen Trojena | Webuild | 4,7 Mrd. US$ |
Erdölförderung, -verarbeitung und -verschiffung im angolanischen Kaminho | Saipem | 3,7 Mrd US$ |
Neues Stadtviertel Mare Terra in Monaco | Feralpi, Somec, Moma Design | 2,5 Mrd. Euro |
U-Bahnlinie im australischen Sydney | Webuild | 2.164 Mio. Euro |
Bahntrasse für den Grand Paris Express in Frankreich | Webuild | 1,4 Mrd. Euro |
Erweiterung der dänischen Klinik Køge | Itinera | 530 Mio. Euro |
Smart City im kenianischen Konza | ICM | 368 Mio. Euro |
Anilinanlage von Covestro im belgischen Antwerpen | Maire Tecnimont | 250 Mio. Euro |
Erweiterung der Klinik Hôpital de la Timone im französischen Marseille | Pizzarotti | 209 Mio. Euro |
Gute Kooperationschancen für spezialisierte Unternehmen
Italienische Baukonzerne arbeiten im Ausland oft als Generalunternehmer. In vielen Fällen kooperieren sie untereinander, etwa beim Bau der dänischen Uniklinik Odense, die Itinera mit ATI realisiert. Konsortien mit ausländischen Baufirmen sind ebenfalls gängig. Beispiele sind der Brennerbasistunnel und der Ausbau der U-Bahn in Sydney.
Deutsche Bauausführungen genießen in Italien einen hervorragenden Ruf und eine Kooperation mit italienischen Konzernen eröffnet Auftragschancen auch auf Drittmärkten. Diese sind besonders hoch, wenn es bereits eine Zusammenarbeit gab oder wenn deutsche Unternehmen Spezialkenntnisse in bestimmten Sparten haben.
Inlandskonjunktur schwächelt
Auslandsprojekte gewinnen angesichts der derzeit schlechten Auftragslage in Italien noch an Bedeutung. Der Bauverband Ance erwartet, dass die italienischen Bauinvestitionen 2024 um 7,3 Prozent sinken. Dies liegt an den teuren Finanzierungskosten wegen der seit 2022 stark gestiegenen Zinsen.
Webuild erwartet zwar eine Konjunkturerholung auf dem heimischen Markt und von 2024 bis 2027 einen jährlichen Anstieg der Bauinvestitionen um durchschnittlich 3,1 Prozent. Das Wachstum ist jedoch geringer als auf Auslandsmärkten. Diese wird in Europa im Berichtszeitraum jährlich auf 4,3 Prozent geschätzt, in Australien sind es 4,5 Prozent, im Mittleren Osten 5,2 Prozent und in Nordamerika 7,5 Prozent.
Starke Präsenz in Übersee
Im internationalen Vergleich rangieren italienische Baukonzerne gemessem am Auslandsumsatz auf oberen Plätzen. Im Jahr 2022 lagen Webuild laut einer Studie des Analyseinstituts Guamari beim Auslandsumsatz weltweit an 15. Stelle und Maire Tecnimont auf Platz 37. Saipem belegte 2021 laut neuesten verfügbaren Zahlen Rang 12.
Nicht nur europäische Märkte, auch andere Kontinente haben große Bedeutung. Saipem hatte Ende 2023 etwa 41 Prozent seines Auftragsbestands im Nahen Osten, 27 Prozent in Afrika und jeweils 11 Prozent in Amerika und im außeritalienischen Europa. Für den Anlagenbauer Maire Tecnimont ist der Nahe Osten ebenfalls der wichtigste Markt, denn 43 Prozent aller Bauleistungen wurden 2023 dort erbracht.
Webuild hat 2023 etwa 20 Prozent seines Umsatzes in Australien, 14 Prozent in Amerika und 9 Prozent im Nahen Osten realisiert. Das Unternehmen Ghella kam 2023 auf 48 Prozent in Australien sowie anderen ozeanischen Märkten sowie auf 24 Prozent in Amerika. Dagegen spielten Ost- und Südostasien für die meisten Bauunternehmen zuletzt eine geringere Rolle.
Baukonzern | Spezialisierungen | Auslandsumsatz 2022 | Auslandsanteil am Gesamtumsatz 2022 |
---|---|---|---|
Saipem | Energie- und Industrieanlagen, Infrastrukturbau | 7.062 *) | 96,3 *) |
Webuild | Hoch- und Tiefbau | 6.063 | 70,5 |
Maire Tecnimont | Energie- und Industrieanlagen | 3.042 | 95,4 |
Danieli & C. | Industrieanlagen | 2.080 | 95,0 |
Sicim | Energieanlagen | 1.271 | 98,1 |
Itinera | Infrastrukturbau | 942 | 63,6 |
Ghella | Infrastrukturbau, Wasserbau, Kliniken | 754 | 79,0 |
Bonatti | Energieanlagen | 696 | 94,3 |
Pizzarotti | Infrastrukturbau, Wasserbau, Kliniken, sonstiger Hochbau | 671 | 51,1 |
Trevi | Infrastrukturbau, Wasserbau, Hochbau | 420 | 91,1 |
Regierungsabkommen bieten Geschäftschancen
Italienische Baukonzerne profitieren auch von Konsultationen auf Regierungsebene. So führen Mer Mec Spa und Webuild umfangreiche Instandsetzungsarbeiten in der Ukraine für das Bahnunternehmen JSC und den Energieversorger Ukrhydroenergo durch. Grundlage waren italienisch-ukrainische Beratungen 2023.
Die Entwicklungszusammenarbeit eröffnet ebenfalls Auftragschancen. Diese betreibt Italien mit der öffentlichen Förderbank CDP und der Agentur für Entwicklungszusammenarbeit AICS. AICS hat 2024 ein Budget von 1 Milliarde Euro.
Italienischer Staat fördert Auslandsengagement
Italienische Bauunternehmen können bei der Internationalisierung öffentliche Institutionen in Anspruch nehmen. Italiens Außenwirtschaftsförderagentur ICE bietet Informationen zu vielen Ländern und Unterstützungen beim Markteintritt an. ICE betreibt auch ein Ausschreibungsportal.
Günstige Darlehen und Kreditabsicherungen für das Auslandsgeschäft offeriert das Institut Simest. Simest vergleicht Märkte auch hinsichtlich der politischen Stabilität und Kreditrisiken. Ein ähnliches Angebot hat das Finanzinstitut Sace mit besonderem Fokus auf kleinere und mittlere Unternehmen.
Institution | Anmerkung |
---|---|
Ministero delle Imprese e del Made in Italy | Wirtschaftsministerium |
ANCE | Bauverband |
ICE | Außenwirtschaftsförderagentur |
SIMEST | Kreditinstitut für das Auslandsgeschäft |
SACE | Kreditinstitut für das Auslandsgeschäft mit Folus auf kleine und mittlere Unternehmen |
AICS | Agentur für Entwicklungszusammenarbeit |
Extender | Italienischsprachiges Ausschreibungsportal |
AICS-Projekte | Italienischsprachiges Ausschreibungsportal für die Entwicklungszusammenarbeit |