Branchen | Japan | Arzneimittel, Diagnostika
Pharmabranche sucht neue Umsatzquellen
Japans Pharmasektor entwickelt sich insgesamt robust. Das internationale Auftragsgeschäft und die Dekarbonisierungsziele sorgen für neue Entwicklungen.
12.07.2022
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Der Absatz von Pharmazeutika ist in Japan im Jahr 2021 gewachsen und sollte sich 2022 konstant zeigen. Der Umsatz im Gesamtmarkt stieg laut Marktforschungsinstitut IQVIA 2021 gegenüber dem Jahr 2020 auf Yen-Basis um 2,2 Prozent und lag umgerechnet bei mehr als 96 Milliarden US-Dollar (US$). Nachdem die Regierung die Anti-Covid-Maßnahmen im Mai 2022 aufgehoben hat, dürften auch wieder mehr Menschen medizinische Einrichtungen in Anspruch nehmen. Die Verkäufe von Arzneimitteln sollen 2022 auf hohem Niveau stagnieren.
Während der Coronapandemie 2021 hat insbesondere der Pharmazeutikaumsatz in Krankenhäusern zugelegt. Kleinere Kliniken versorgten wegen Lockdown-Maßnahmen jedoch weniger Patienten und verzeichneten daher geringere Umsätze. Apotheken und Drogerien konnten hingegen von mehr Verkäufen von OTC (Over the Counter)-Arzneien und sanitären Produkten profitieren.
Pharmasektor spürt Gegenwind
Die japanischen Pharmaunternehmen konnten ihre Umsätze im Fiskaljahr (1. April bis 31. März) 2021 gegenüber dem Fiskaljahr 2020 zum Teil deutlich ausweiten. Dies war überwiegend auf den Basiseffekt des Coronaeinbruchs zurückzuführen. Insgesamt stehen die Pharmaanbieter vor mehreren Herausforderungen. So laufen einige Patente in den nächsten zwei Jahren aus, was mehr Investitionen in neue Medikamente erforderlich macht.
Zudem drängt die Regierung auf den Einsatz von mehr Generika. Diese sollen verstärkt in Japan selbst hergestellt werden. Ebenfalls will die Regierung die Eigenversorgung bei Impfstoffen erhöhen. Mehrere japanische Produzenten stehen vor der Zulassung ihrer Mittel. Dennoch bleibt der Importbedarf bei Rohmaterialien und Fertigmedikamenten hoch. Eine schwächere Landeswährung wird jedoch die Einfuhren 2022 verteuern.
Neue Wachstumsfelder im Blick
Auf der Suche nach neuen Wachstumssegmenten legen einige japanische Chemie- und Pharmazeutikaunternehmen ihr Augenmerk auf die Auftragsfertigung. Die Aktivitäten bei der vertraglichen Entwicklung und Herstellung, auch CDMO (Contract Development and Manufacturing Organization) genannt, sind deutlich gestiegen. Das gilt insbesondere für den biopharmazeutischen Bereich. Experten erwarten für diesen jährliche Wachstumsraten von über 9 Prozent.
Asahi Kasei Medical hat im April 2022 angekündigt, das US-Unternehmen Bionova Scientific für 78 Millionen US$ zu übernehmen. Bionova Scientific ist im biopharmazeutischen Bereich aktiv und entwickelt Herstellungsverfahren für neue Arten von Antikörpermedikamenten. Mit Mitsui Chemicals will ein anderer Hersteller den Markt für Nukleinsäure-Arzneimittel (wie etwa für mRNA - Messenger Ribonucleic Acid) als Kontraktunternehmen bedienen.
CDMO-Kapazitäten werden ausgebaut
Die Branchenfirmen AGC, Fujifilm oder Sekisui Chemical bauen ihre Geschäfte im CDMO-Segment ebenfalls aus. Für das Fiskaljahr 2021 meldeten die Unternehmen hier hohe Umsatzzuwächse. Die Coronapandemie hat die Nachfrage nach effizienten Herstellungsprozessen insbesondere für Impfstoffe und Testreagenzien in die Höhe schnellen lassen. Zudem bieten biologisch erzeugbare Arzneimittel langfristig großes Wachstumspotenzial.
Ihre internationalen Kapazitäten hat die Pharmafirma AGC in den letzten Jahren bereits ausgebaut, so auch in Heidelberg. AGC plant nun seine Kapazitäten auch in Spanien und Dänemark zu erhöhen, um so das CDMO-Geschäft zu stärken. Zudem hat AGC Produktionsstätten von Pharmariesen wie der Schweizer Novartis und der britischen AstraZeneca übernommen.
Die internationalen Pharmakonzerne fahren ihre eigene Erzeugung zurück und setzen auf Kontrakthersteller wie AGC oder Fujifilm. Fujifilm hat im November 2021 angekündigt, sein CDMO-Geschäft deutlich auszuweiten. Der Umsatz soll sich zwischen den Fiskaljahren 2021 und 2024 auf umgerechnet mehr als 1,5 Milliarden US$ verdoppeln.
Pharmafirmen wollen CO2-Fußabdruck verringern
Wie andere Industrien strebt auch die Pharmaindustrie danach, ihren Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten. Dazu sollen unter anderem die Verpackungen beitragen. Anstelle von Petroleum-basierten Kunststoffen will die Industrie auf solche Verpackungen umstellen, die aus Biomasse erzeugt werden und biologisch abbaubar sind. Diese Materialien werden vermehrt sowohl für Durchdrückverpackung als auch für Arzneibehälter eingesetzt.
Beispielsweise hat Shionogi Pharma geplant, bis zum Fiskaljahr 2030 alle seine Pharmazeutika-Verpackungen auf Biomassebasis umzustellen. Dies soll helfen, die Kohlendioxidemissionen gegenüber dem Fiskaljahr 2019 um 46 Prozent zu senken. Andere pharmazeutische Firmen, wie Astellas Pharma oder Takeda Pharmaceuticals, haben ebenfalls bereits eigene Verpackungsmaterialien auf Biomassebasis entwickelt.