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Branchen | Jordanien | Land- und Forstwirtschaft

Von Wasser und Brot zu Knafeh und Mansaf-Sushi

Jordaniens Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie sind stark von der extremen Wasserknappheit im Land geprägt. Jede Entspannung der Wasserlage eröffnet neue Wachstumschancen.

Von Detlef Gürtler | Berlin

Die Landwirtschaft trägt 4,9 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) und 8,2 Prozent zu den jordanischen Exporten bei. Zusammen mit den verarbeiteten Produkten der Nahrungsmittelindustrie kommt der Agrarsektor sogar auf ein Siebtel aller Warenexporte. Der mit Abstand größte Posten darunter entfällt auf die Ausfuhr von Obst und Gemüse, deren Lieferungen insbesondere in die Nachbarstaaten Saudi-Arabien und Irak im Jahr 2021 umgerechnet etwa 500 Millionen Euro einbrachten.

Landwirtschaft: Wasserknappheit als limitierender Faktor

Es gäbe für die Branche noch ein weit höheres Potenzial - nicht nur für den Export, sondern auch für die Eigenversorgung: Der überwiegende Teil der in Jordanien konsumierten Nahrungsmittel wird nämlich importiert. Allein für die Einfuhr von Getreide muss das Land fast so viel ausgeben, wie die gesamte jordanische Agrar- und Lebensmittelbranche aus Exporten erlöst.

Der wichtigste limitierende Faktor für die jordanische Landwirtschaft ist die Wasserknappheit. Mit weniger als 100 Kubikmetern pro Kopf und Jahr lag der Wasserverbrauch in Jordanien 2020 gerade mal bei einem Fünftel der international akzeptierten Definition für extreme Wasserarmut. "Vor einem Jahrzehnt waren wir noch auf Platz fünf der wasserärmsten Länder der Welt – jetzt liegen wir auf Platz zwei", sagt Jordaniens Umweltminister Muawieh Khalid Radaideh.

Die Aufnahme von mehr als einer Million Geflüchteten aus Syrien seit dem Jahr 2011 hat stark zu einer weiteren Anspannung der Wasserlage beigetragen. Etwa die Hälfte dieser extrem knappen Ressource verbraucht die Landwirtschaft für Bewässerung. Priorität haben deshalb für Radaideh "Investments in eine Nahrungsmittelproduktion mit geringem Wasser-Fußabdruck".

Wasserwirtschaft: Entsalzung eröffnet Wachstumspotenzial

In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Jordanien ist der Wassersektor denn auch seit langem ein zentrales Thema. Ein wichtiges Feld sind dabei Projekte zur Reduzierung der Wasserverluste im System. Dieses sogenannte "Non-Revenue-Water" kann technische Gründe haben, etwa Verdunstung oder undichte Leitungen, oder aus illegalen Entnahmen herrühren – Wasserdiebstahl. Trotz vieler Verbesserungen gehen nach Regierungsangaben noch immer 47 Prozent des geförderten Wassers auf diesen Wegen verloren.

In den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat die Trinkwassergewinnung durch Entsalzung. Das betrifft eher kleinere Anlagen, die die Qualität des oft brackigen Brunnenwassers verbessern sollen, und Großanlagen, die mit Wasser aus dem Roten Meer arbeiten. Das größte derartige Projekt ist der Bau einer Entsalzungsanlage bei Akaba mitsamt einer Pipeline bis in die Hauptstadt Amman. Nach Fertigstellung sollen dadurch 300 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr zusätzlich zur Verfügung stehen. Die Europäische Entwicklungsbank unterstützt das Projekt mit einem Kredit in Höhe von 200 Millionen Euro.

Weiteres Potenzial kann in der besseren Nutzung von Sturzfluten liegen. Sehr seltene, aber dafür umso heftigere Regenfälle sind für die Region typisch. In der Welkulturerbestadt Petra beispielsweise mussten Ende 2022 Hunderte von Touristen wegen Überflutungsgefahr evakuiert werden. Während derzeit ein großer Teil dieses Starkregens ungenutzt abfließt oder Zerstörungen anrichtet, beherrschte in der Antike das Nabatäer-Reich herausragend das Management und die Speicherung dieser seltenen Wassermassen.

Nahrungsmittelindustrie: Levantinische Produkte liegen im Vegantrend

Die Nahrungsmittelindustrie Jordaniens ist stark auf den nationalen Markt ausgerichtet und dementsprechend an den einheimischen Essgewohnheiten orientiert. Das im bevölkerungsreichen Norden vorherrschende mediterrane Klima führt zu einem mit dem östlichen Mittelmeerraum vergleichbaren Nahrungsmittelangebot. In Zubereitung und Esskultur mischen sich osmanische, levantinische und beduinische Einflüsse.

Im Zuge des Vegantrends auch in der westlichen Welt nachgefragte levantinische Produkte wie Hummus, Falafel, Tabouleh oder Muhammara sind in Jordanien genauso heimisch und beliebt wie in Israel oder dem Libanon - entsprechend bieten sich hier Marktchancen. Die beiden letztgenannten Staaten sind allerdings durch ihren direkten Mittelmeerzugang und traditionelle Handelsbeziehungen besser für das Geschäft mit europäischen Staaten positioniert.

Das Nationalgericht Mansaf, Reis mit in Joghurtsauce gekochtem Lamm, wurde 2022 von der Unesco in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen. In der traditionellen Form, als mit den Fingern gegessenes Festmahl, ist es allerdings kaum für den Export geeignet. Einige jordanische Produzenten versuchen derzeit, Mansaf besser vermarkten zu können, etwa als Convenience-Produkt in Sushi-ähnlichen Portionen. Eine größere internationale Nachfrage besteht für arabische Süßspeisen, von Baklava bis zum Käsedessert Knafeh.

Vision: Nahrungsmittelexporte sollen sich verfünffachen

Im Nahrungsmittelsektor sieht Jordaniens Modernisierungsvision ein besonders hohes Potenzial zur Steigerung der Exporte. Während Gesamtumsatz und Beschäftigungszahl der Branche sich bis zum Jahr 2033 verdoppeln sollen, ein Plus von 6 Prozent pro Jahr, sollen sich die Exporte gegenüber dem Stand von 2021 fast verfünffachen. Ähnlich wie in der Landwirtschaft sind auch in diesem Industriezweig solche ehrgeizigen Ziele nur erreichbar, wenn der Zugang zu Süßwasser massiv gesteigert werden kann.

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