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Branche kompakt | Kanada | Kfz-Industrie

Elektromobilität braucht in Kanada mehr Schubkraft

Der E-Auto-Absatz nimmt zu, die Regierung verfolgt ehrgeizige Ziele. Beim Ausbau des Ladenetzes hat Kanada indes Nachholbedarf. Auch der Rohstoffabbau bietet Kooperationschancen.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Ausblick der Kfz-Branche in Kanada

Bewertung:

 

  • Der Absatz von Elektroautos in Kanada nimmt stetig zu, trotz leicht sinkender Wachstumsraten.
  • Das Land bietet dank seiner Vorkommen an kritischen Mineralien gute Voraussetzungen zum Aufbau einer kompletten regionalen Lieferkette für E-Auto-Batterien.
  • Mehrere Autokonzerne haben in Kanada neue Batteriefabriken angekündigt.

 

Anmerkung: Einschätzung DES AUTORS/DER AUTORIN für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: März 2024

Markttrends

Elektromobile sollen in Kanada tüchtig aufholen. Im 3. Quartal 2023 machten sie laut Kanadas Statistikamt gut 12 Prozent aller Kfz-Neuzulassungen aus. Das ist ein Anstieg von fast 9 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum.

Kanada plant bis 2035 das Verbrenner-Aus

Im Dezember 2023 hat die Regierung in Ottawa einen strengen Fahrplan beschlossen, wonach ab 2035 alle in Kanada verkauften Pkw, SUV und leichten Nutzfahrzeuge emissionsfrei sein sollen. Der Anteil emissionsfreier an allen in Kanada abgesetzten Kfz soll dabei im Zeitablauf steigen: bis 2026 auf 20 Prozent, bis 2030 dann bereits auf 60 Prozent. Ab 2035 darf keines mehr CO₂ ausstoßen, außer in abgelegenen Regionen im Norden des Landes, wo auch danach noch bestimmte Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge zugelassen werden. Die Vorschriften ähneln denen des US-Bundestaats Kalifornien.

Trotz immer neuer Verkaufsrekorde verringert sich die Dynamik bei E-Mobilen

Kauf- und Leasingzuschüsse, sowohl auf Bundes- als auch auf Ebene der Provinzen, haben Kanadas E-Fahrzeugmarkt in den letzten Jahren immer wieder Rekorde beschert. In British Columbia und Québec entfällt bereits jeweils einer von fünf Neuwagenverkäufen auf ein emissionsfreies Fahrzeug.

Trotz Zuwächsen stimmt ein näherer Blick etwas skeptisch. So hat sich das Nachfragewachstum bei E-Mobilen 2023 gegenüber dem Vorjahr verlangsamt. Zudem zeigten sich laut einer Untersuchung des Onlinemarktplatzes Autotrader im Jahr 2023 nur noch 56 Prozent der potenziellen Autokäufer, die bisher kein E-Auto hatten, dafür offen, eines zu kaufen – gegenüber 68 Prozent im Jahr davor. Hohe Preise, ein vor allem in ländlichen Regionen löchriges Netz von Ladestationen und eine unzureichende Förderung: Diese Gründe werden für die mäßige Marktpenetration von E-Fahrzeugen am häufigsten herangezogen. 

Einem Bericht der Scotiabank zufolge müssten die Preise für Elektromodelle um circa ein Drittel bis zur Hälfte heruntergehen, um für den Massenmarkt erschwinglich zu sein.

Der Ladenetzausbau hinkt dem Bedarf deutlich hinterher

Um die Situation zu verbessern, sieht Kanada erhebliche Investitionen im Bereich E-Mobility vor. Der Ausbau des Ladenetzes hinkt allerdings dem Bedarf hinterher. Auch wenn mehr als 80 Prozent der Besitzer von Elektroautos ihre Batterie zu Hause laden, reichen die 10.425 Ladestationen und 25.246 Ladeanschlüsse, die bis Dezember 2023 verfügbar waren, für Langstreckenfahrten bei weitem nicht aus. Diese Zahlenangaben stammen vom Ministerium für Natürliche Ressourcen Kanadas. Zudem war laut einem Bericht der staatlichen Rundfunkgesellschaft CBC von August 2023, der sich auf Zahlen des Ministeriums beruft, nur weniger als eine von fünf staatlich finanzierten Ladestationen betriebsbereit.

Die Regierung in Ottawa will bis 2029 den Bau von 84.500 Ladestationen fördern. Doch das ist noch nicht einmal ein Fünftel der 442.000 bis 469.000 öffentlichen Ladeanschlüsse, die schätzungsweise in dem Land bis 2035 benötigt werden. Außerdem wurden die Finanzmittel hierfür bisher sehr ungleich verteilt: So entfielen von den gut 190 Millionen US-Dollar (US$), die von Mitte 2019 bis Mitte 2022 für über 350 Ladeinfrastrukturprojekte bereitgestellt wurden, rund 87 Prozent allein auf die drei Provinzen Ontario, British Columbia und Québec.

Branchenstruktur und Rahmenbedingungen

Auch deutsche Autobauer und Technologieanbieter sind im Ladesäulengeschäft

Die von Volkswagen (VW) betriebenen Ladesysteme Electrify America und Electrify Canada sollen in Nordamerika bis 2026 auf 10.000 Schnelllader und 1.800 Standorte ausgebaut werden, gut zwei Mal so viele wie bisher. Auf der Consumer Electronics Show (CES) 2023 in Las Vegas kündigte auch Mercedes-Benz an, ein eigenes Ladenetz für E-Autos aufzubauen: Allein in den USA und Kanada sieht der deutsche Traditionsautobauer dafür bis 2027 rund 400 Ladeparks mit 2.500 Schnellladepunkten vor.

Der in Québec ansässige Ladenetzbetreiber FLO koperiert unter anderem mit Hubject, einem Joint Venture von der BMW Group, Bosch, Daimler, EnBW, RWE und Siemens mit Sitz in Berlin. Mit Hubject will FLO die Ladetechnologie Plug & Charge in seine Ultra-Schnellladegeräte integrieren.

Bergbaukonzerne nehmen Kanadas Vorkommen an Batteriemineralien ins Visier

Neben Kaufanreizen und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur geht es in Kanada aber auch gleich um die ganze Rohstofflieferkette. Denn dank seiner Vorkommen an kritischen Mineralien bietet das Land die Voraussetzungen zum Aufbau einer kompletten regionalen Lieferkette für E-Auto-Batterien.

„Kanada hat viel Erfahrung in der Exploration solcher Rohstoffe, Deutschland dagegen in der Weiterverarbeitung der Mineralkonzentrate hin zu chemischen Produkten und Feinchemikalien“, sagt Reiner Haus, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Dorfner Anzaplan. „Das ist ein guter Ansatzpunkt, um das Know-how beider Länder für die Gewinnung kritischer Rohstoffe in Kanada stärker zusammenzubringen.“

Immer mehr Bergbaukonzerne nehmen Kanadas Lithiumvorkommen ins Visier. Doch sind die meisten Projekte noch nicht sehr weit fortgeschritten. Im Februar 2024 hat der kanadische Graphitproduzent Nouveau Monde Graphite mehrjährige Abnahmeverträge für Anodenmaterial mit Panasonic und General Motors unterzeichnet. Allein bei Lithium erwarten viele Schürfer Nachfragezuwächse im zweistelligen Prozentbereich – und das pro Jahr, mindestens bis 2030. 

Für Kanadas Automarkt insgesamt wird 2024 eine Rückkehr zur Normalität erwartet

Kanadas Autoabsatz ist 2023 nach Angaben von DesRosiers Automotive Consultants um fast 12 Prozent gegenüber 2022 gestiegen. Damit war er indes immer noch 12 bis 13 Prozent niedriger als 2019, vor der Coronapandemie. Brian Kingston, der Chef des kanadischen Verbands der Fahrzeughersteller (CVMA), erwartet 2024 einen weiteren Verkaufsanstieg und eine „Rückkehr zur Normalität“.

Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

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