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Kanada nach China bester Standort für EV-Batterieproduktion?
Ein Länderranking für Batterielieferketten sieht Kanada weltweit auf Rang 2. Punkten kann das Land mit Rohstoffreichtum, einer innovativen Kfz-Industrie und hoher Nachhaltigkeit.
09.02.2023
Von Daniel Lenkeit | Toronto
Kanada gewinnt an Prestige als Standort für die zukünftige Batterieproduktion. Geht es nach dem Analysehaus Bloomberg NEF (BNEF), könnte das zweitgrößte Flächenland der Erde künftig zu einem Global Player bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen (Electric Vehicles, EV) und Speichertechnologien werden.
Im BNEF-Ranking 2022 steht Kanada auf Platz 2 der attraktivsten Länder für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien. In den Jahren zuvor hatten die Kanadier noch an vierter beziehungsweise fünfter Stelle gelegen.
Unangefochtene Nummer 1 ist China. Kein Wunder - verfügt das Land doch aktuell über drei Viertel aller Batteriezellenkapazitäten der Welt und steht für 90 Prozent der globalen Produktion von Anoden und Elektrolyten, so BNEF.
Kanada hat gute Voraussetzungen für Batterielieferkette
Den Sprung auf Platz 2 verdankt Kanada vor allem seinen für die Batteriefertigung wichtigen Rohstoffvorkommen und der etablierten Bergbauindustrie. Gut positioniert sieht BNEF den Standort außerdem in Hinsicht auf die Kriterien "Nachhaltigkeit" (ESG) sowie "Infrastruktur, Innovation und Industrie".
In der Umfrage "Global lithium-ion battery supply chain ranking" bewertet Bloomberg NEF 30 Länder, in denen der Batteriesektor bereits eine "signifikante Marktpräsenz" hat, sei es durch die Gewinnung von Batteriemineralien oder die Batterie- beziehungsweise Komponentenfertigung. Für das Ranking werden 45 Kriterien untersucht, die in fünf Themenfelder aufgeteilt sind:
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Nur durchschnittlich schneidet Kanada dagegen in den Bereichen "Nachgelagerter Markt" und "Aktuelle Produktionskapazitäten" ab. Denn bislang fehlt im Land eine Batteriezellenfertigung. Auch die Komponentenherstellung, wie etwa die Anoden- und Kathodenproduktion, ist nur schwach entwickelt. Doch Kanada will sich in diesen Bereichen etablieren und sucht Partner. Steigende Investitionen, unter anderem von Unternehmen wie BASF, Ford, Stellantis, General Motors und Posco in die Batterie- beziehungsweise EV-Produktion sind vielversprechend.
So investieren Stellantis und LG Energy in einem Joint Venture mehr als 4 Milliarden US-Dollar (US$) in den Aufbau einer Batteriefertigung für Elektroautos in Windsor, Ontario. Die Kapazität der jährlich produzierten Fahrzeugbatterien soll über 45 Gigawattstunden erreichen. Das Werk schaffe 2.500 Arbeitsplätze, so Stellantis. Im 1. Quartal 2024 soll die Fertigung starten.
Das Engagement mehrerer Erstausrüster sowie des weltgrößten Chemiekonzerns BASF deutet darauf hin, dass Kanada künftig zu einer wichtigen Säule beim Aufbau einer nordamerikanischen EV-Lieferkette wird.
Ontario erwartet weitere Investitionen in die Batteriefertigung
Der Wirtschaftsminister der Provinz Ontario, Vic Fedeli, ist optimistisch, dass auf die bereits verkündeten Investitionen von Kfz-Erstausrüstern zukünftig viele weitere folgen. Allein die Zulieferer für das Stellantis/LG-Batteriewerk können weitere 4 Milliarden US$ nach Ontario lotsen, so Fedeli. Er sieht die Transformation der lokalen Automobilindustrie hin zur Produktion batterieelektrisch angetriebener Fahrzeuge noch ganz am Anfang. Ontario könne zukünftig eine wichtige Rolle für die Elektromobilität in Nordamerika spielen.
Der Wirtschaftsminister ist nach eigenen Angaben in Verhandlungen mit sechs Unternehmen, die Interesse an einer Batterie- oder Komponentenfertigung in Ontario zeigen. Er hofft, 2023 neue Erfolge bekannt zu geben. Automobilzulieferer sollten die Entwicklungen in Kanada entsprechend im Blick behalten.
Zum Erfolg soll auch die lokale Rohstoffindustrie beitragen. Die Provinz legte 2022 ihre Strategie für kritische Mineralien vor. Darin werden neue Anreize für den lokalen Abbau von Batterierohstoffen versprochen. Zudem will die Regierung mehr in Forschung und Entwicklung investieren und Bürokratie für Bergbauunternehmen abbauen.
Die Rohstoffstrategie soll Hand in Hand gehen mit der Strategie für den Automobilsektor der Provinz. Diese sieht vor, dass in Ontario 2030 etwa 400.000 Elektro- und Hybridfahrzeuge pro Jahr gefertigt werden. Ein sportliches Ziel, denn die ersten kanadischen E-Fahrzeuge überhaupt liefen erst im Dezember 2022 in der CAMI-Fabrik von General Motors in Ingersoll vom Band. Der batterieelektrische Lieferwagen "BrightDrop Zevo", mit dem unter anderem DHL und Fedex in Kanada ihre Auslieferungen planen, soll hier ab 2025 in Stückzahlen von 50.000 pro Jahr produziert werden.
USA punkten mit ihrem großen Binnenmarkt
Was das Produktions- und Absatzpotenzial für EV angeht, bleibt Kanada weit hinter den USA zurück, die im Ranking von BNEF an dritter Stelle stehen. Dabei punktet der große Nachbar vor allem durch seinen großen nachgelagerten Markt für Elektromobilität und die bereits vorhandenen Produktionskapazitäten.
Auch wenn das nordamerikanische Freihandelsabkommen CUSMA den Handel zwischen Mexiko, den USA und Kanada erleichtert, könnte am Ende vor allem die lokale Marktgröße bei Investitionsentscheidungen vieler Branchenunternehmen den Ausschlag geben. Dass Kanada im Ranking insgesamt vor den USA rangiert, liegt auch an seiner deutlich höheren Position - Platz 6 versus Platz 16 - bei Nachhaltigkeitskriterien.
Deutschland setzt auf Kanada als Rohstoffpartner
Im 30-Länder-Vergleich landet Deutschland auf Rang 6. Bestnoten erhält das Land in den Kategorien lokaler Markt und ESG-Kriterien. Der Mangel an eigenen Rohstoffen für die Batterieproduktion ist das Hauptmanko für deutsche Unternehmen. Umso wichtiger kann eine zukünftige Partnerschaft mit dem Rohstoffriesen Kanada werden. Erste Schritte gehen Mercedes-Benz und Volkswagen bereits mit ihren zuletzt bekannt gegebenen Absichtserklärungen über eine Rohstoffpartnerschaft mit der kanadischen Regierung.